Hinterm Schrank im Pfarrhaus entdeckt "Ganz besonderer Fund": Staunen in Seehausen über lange verschollenes Gemälde

22. Dezember 2022, 09:28 Uhr

Es war mehr als 150 Jahre lang verschollen – und so richtig vermisst hat es niemand. Das lag auch daran, dass viele in Seehausen im Landkreis Stendal gar nicht wussten, welcher Schatz da hinter einem Schrank im Pfarrhaus lagert. Umso größer ist nun die Freude.

So oft hat Walter Fiedler, der Vorsitzende des Fördervereins der Seehäuser Petrikirche, alle historischen Unterlagen zum Altar der Kirche durchgelesen. Aber dieser eine Abschnitt war ihm vorher nie aufgefallen: dass nämlich mit dem Umbau des Altars 1867 ein Gemälde dort entfernt und im Pfarrhaus untergestellt worden sei. Erst jetzt, kurz nach der jüngsten Sanierung des Altars, sprang ihm der Satz ins Auge.

Aufsehen erregend: Schatz hinterm Schrank

Hinter einem Schrank im Pfarrhaus entdeckten er und die Pastorin es tatsächlich: 2,50 Meter breit, 85 Zentimeter hoch – das Abendmahl in Öl auf Holz.

Sein Alter – es entstand 1711 – ist nicht das Ungewöhnlichste, sondern das Motiv: Bei diesem Abendmahl sitzen Jesus und seine Jünger nicht an der Tafel, wie es weithin – zum Beispiel durch das weltberühmte Gemälde von Leonardo da Vinci – bekannt ist. Auf dem Seehäuser Bild liegen die Jünger um einen Tisch – auf dicken Polstern, so wie es bei den alten Römern Brauch war.

Kunsthistoriker haben Fiedler bestätigt, dass diese Darstellung wohl eher in die damalige Zeit passte. Dennoch ist die Abendmahlszene nur einmal so festgehalten worden: von Christoph Phalle in einem Kupferstich im 16. Jahrhundert. Das Ölgemälde, das in Seehausen wiedergefunden wurde, ist quasi eine Kopie. Es gibt nur noch ein einziges weiteres derartiges Bild: im Altar der Kirche Königswalde.

Seltene Abendmahlszene einst im Altarsockel

Mittlerweile hat der Vorsitzende des Fördervereins von Sankt Petri Seehausen auch nachvollziehen können, wie der Altar vor seinem Umbau 1867 – und damit vor der Entfernung des wiedergefundenen Gemäldes – ausgesehen haben muss: Das große Bild mit den liegenden Abendmahlsteilnehmern im Sockel, darüber zwei weiße Säulen, in der Mitte die Kreuzigungsszene, weitere biblische Szenen auf den hölzernen Flügeln. Nicht sicher ist, wer den Altar schuf. Gewiss aber ist sein Alter: Fachleute datieren ihn auf das 15. Jahrhundert.

Innenraum der Kirche St. Petri in Seehausen
Blick in den Innenraum der Kirche St. Petri in Seehausen samt Altar heute Bildrechte: IMAGO / Peter Schickert

Dank Spenden: Restaurierung des Gemäldes gesichert

Weil das Bild 154 Jahre lang trocken hinterm Schrank des Pastorats stand, ist das Gemälde sehr gut erhalten. Nun soll es über den Winter aufgearbeitet werden, spätestens ab der kommenden Saison – also ab Mai – in der Petrikirche in Seehausen zu sehen sein. Die Kosten für die Aufarbeitung übernimmt der Förderverein. Er hatte für die jüngste Altar-Sanierung so viele Spenden gesammelt, dass noch Geld übrig ist.

Einen wachen Blick auf die Arbeit des Restaurators haben auch Kunstgeschichtler und Denkmalschützer, unter anderem vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle. Ihnen ist bewusst, welchen seltenen Fund die Seehäuser da gemacht haben. Noch einmal wollen sie ihn nicht verloren geben.

MDR (Katharina Häckl, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Dezember 2022 | 10:40 Uhr

1 Kommentar

hilflos am 22.12.2022

Sollte das nicht Anlass sein, hin und wieder hinter den Schranken zu putzen

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