Männer laufen zwischen Bäumen entlang 2 min
Am Montag besuchte Steinmeier einen Obsthof in Stendal. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Steinmeier in Stendal Im Anzug auf der Obstplantage

27. August 2024, 23:28 Uhr

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier führt seine Amtsgeschäfte in diesen Tagen aus Stendal. Hier will er mit den Menschen ins Gespräch kommen. Eines dieser Treffen findet am Montag mit der Familie Stallbaum statt. Sie zeigt dem deutschen Staatsoberhaupt den eigenen Betrieb, einen Obsthof, und spricht über die Sorgen und Nöte der Landwirte. Eine Reportage über einen Besuch in Anzug und Lederschuhen auf einer Obstplantage.

MDR San Mitarbeiter Engin Haupt
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Bereits eine Stunde vor dem eigentlichen Termin müssen sich die Pressevertreter auf dem Obsthof akkreditieren. Die Polizei prüft alles, ein Hund schnüffelt Taschen und Kameras ab. Der Aufwand hat einen Grund: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) besucht an diesem Montagmorgen den Obsthof in Stendal, um mit den Menschen dort ins Gespräch zu kommen. Der Ablauf des Besuchs ist haargenau geplant, von der Fahrt auf dem Kremser, einem Anhänger, bis hin zur Platzierung der Journalisten und Fotografen.

Ein grauhaariger Mann
Steinmeier will den Menschen in Stendal zuhören. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Im Anzug auf der Obstplantage

Im dunkelblauen Anzug, aber ohne Krawatte, steigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vom Kremser. Er steht inmitten einer Obstplantage. Steinmeier ist derzeit zu Besuch in Stendal und will mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. An diesem Montagmorgen schaut er im Stendaler Scheunenladen vorbei, einem Obsthof der Familie Stallbaum. Vater, Mutter und Sohn begleiten den Bundespräsidenten durch die Felder. Hagel und Frost haben den Äpfeln in diesem Jahr zugesetzt. Einige Äpfel haben deutliche Spuren davongetragen.

Äpfel, die zu gebrauchen sind, erntet André Stallbaum und legt sie in einen Korb, den er bei sich trägt. Währenddessen unterhält er sich mit Steinmeier, der mit seinen Lederschuhen hier nicht so wirklich hinzugehören scheint. Aufmerksam hört der Bundespräsident zu. Worüber genau sich die beiden so gegensätzlich wirkenden Männer sprechen, lässt sich nicht sagen. Die Pressevertreter müssen sich etwas abseits des Geschehens aufhalten. Wenn der Bundespräsident kommt, gelten strenge Sicherheitsbestimmungen. Personenschützer und Polizei sind immer in der Nähe.

Überbordende Bürokratie

Irgendwann kommt die Gruppe an mehreren Stehtischen unter einem Zelt an. Hier, mitten im Feld, wurde alles für eine Gesprächsrunde aufgebaut. Nun dürfen auch die anwesenden Journalisten zuhören. Neben Familie Stallbaum, sind weitere Geschäftspartner des Scheunenladens dabei. Auch Stendals Bürgermeister Bastian Sieler (parteilos) hört zu.

Während Steinmeier das Obst und die Apfelschorle probiert, erzählen die Mitglieder der Familie Stallbaum aus der Geschichte ihres Betriebs. Erst als klar war, dass Sohn André nach Studium und Auslandsaufenthalt zurück in den Betrieb kehre, hätten sie damit begonnen, die Anlagen zu erneuern, berichten Uwe und Carola Stallbaum.

Es ist anfänglich ein nettes Gespräch, doch schnell kommen sie auch auf die Probleme zu sprechen, die sie umtreiben. André Stallbaum erzählt vom überbordenden bürokratischen Aufwand, den er als Landwirt habe. Für seine eigentliche Arbeit auf dem Feld bleibe immer weniger Zeit.

Ein Mann hält einen Obstkorb vor sich, andere Männer stehen drum herum
Im Gespräch mit dem Obstbauern pflückte Steinmeier Äpfel. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Stallbaum spricht hier nicht bloß für sich als Obstbauer, sondern für die Landwirte aus der Region. Er ist Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Stendal und war auch an den Bauernprotesten Anfang des Jahres beteiligt. Hier an den Stehtischen in der Obstplantage versucht er dem Bundespräsidenten einen Eindruck dessen zu vermitteln, was ihn und seine Kollegen teilweise schon seit Jahren beschäftigt. Ringsherum stehen die Medienvertreter und lauschen. Steinmeier hört größtenteils zu, ergreift selten selbst das Wort. Doch mit diesem Vorhaben war er bereits nach Stendal gekommen – eben explizit nicht, um Reden zu halten.

Rückfahrt auf dem Kremser

Steinmeier hat seinen Amtssitz als Bundespräsident für drei Tage offiziell ins Hotel "Schwarzer Adler" in Stendal verlegt. Das Ganze ist Teil seiner "Ortszeit Deutschland". Stendal ist bereits die zwölfte Station dieser Besuchsreihe, in der Steinmeier seinen Amtssitz für wenige Tage in Gemeinden oder Städte verlegt, die ansonsten eher selten im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Vor zwei Jahren war er beispielsweise in Quedlinburg.

Auf diesen Reisen reiht sich für den Bundespräsidenten Termin an Termin. Das ist auch heute so. Nach einem kurzen Aufenthalt steigt Steinmeier wieder auf den Kremser. Diesmal dürfen auch Journalisten zusteigen. Nach den ernsten Themen auf der Obstplantage ist die Stimmung auf der Rückfahrt lockerer. Ein Traktor zieht den Kremser.

André Stallbaum, der Steinmeier auf dem Anhänger gegenübersitzt, nutzt die Gelegenheit zu der Frage, wer sich im Schloss Bellevue in Berlin, dem dauerhaften Amtssitz des Bundespräsidenten, eigentlich ums Essen kümmere. Die Antwort: Ein Koch, aber auch wirklich nur einer, wie Steinmeier erklärt, der sichtlich amüsiert ist von der Frage. Und so kommen alle einige Minuten später wieder am Scheunenladen an.

Steinmeier auf dem Mähdrescher

Neben der großen Halle mit dem Firmenlogo ist ein Mähdrescher abgestellt. Für den ist natürlich auch noch Zeit. Und so darf Steinmeier noch einmal ins Cockpit steigen. Währenddessen warten auf dem Hof bereits die Limousinen und Polizeifahrzeuge, die ihn zu seinem nächsten Termin an diesem Vormittag bringen sollen. Die Zeit, sich die Lagerhalle und den Verkauf des Scheunenladens anzuschauen, nimmt sich der Bundespräsident trotzdem noch, auch wenn die Zeit schon drängt.

Zwei Menschen in einem Mähdrescher
Statt Limousine: Steinmeier durfte auch in den Mähdrescher steigen. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Zum Abschied übergibt Familie Stallbaum dem Staatsoberhaupt noch einen Präsentkorb – natürlich mit Äpfeln und Apfelschorle aus dem eigenen Betrieb. Als schließlich alle Hände geschüttelt und alle Fotos geschossen sind, steigt Steinmeier in seine Limousine. Der Tross fährt davon und innerhalb kürzester Zeit kehrt Ruhe auf dem Hof ein. Auch die Journalisten und Fotografen verschwinden zu ihren Autos. Der Trubel endet so schnell wie er rund eine Stunde zuvor begonnen hatte.

Hoffnung, gehört zu werden

Als MDR SACHSEN-ANHALT sich danach mit André Stallbaum zum Interview trifft, zeigt dieser sich vorsichtig optimistisch. Der Bundespräsident habe zwar nur einen geringen Einfluss auf die Bundesregierung, er hoffe dennoch, dass Steinmeier die Anliegen platziert bekomme. Da geht es vor allem um das Ärgernis der überbordenden Bürokratie.

Doch Stallbaum ist in diesen Tagen nicht der Einzige, der den Wunsch hat, von der Bundespolitik gehört zu werden. Steinmeier trifft sich allein an diesem Montag auch noch mit Mitarbeitern und Studenten der Hochschule Magdeburg-Stendal, mit Engagierten der Freiwilligenagentur Altmark und schließlich zu einer Kaffeetafel mit Bürgerinnen und Bürgern. Auch dort werden viele Themen an ihn herangetragen, auch dort hofft man, gehört zu werden.

MDR (Engin Haupt, Roland Jäger, Alisa Sonntag)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. August 2024 | 19:00 Uhr

12 Kommentare

Wilhelm vor 20 Wochen

Ja, was denn nun? Weniger Bürokratie auf meiner Seite und mehr Bürokratie bei den anderen. Ist das die Devise der Landwirte/Innen? Bei den Landwirten/-innen geht es um Nahrungsmittel. Da darf es nicht um weniger Bürokratie gehen.

pwsksk vor 20 Wochen

Unsere Firma (120 MA) hatte vor Jahren einmal ein Ministerpräsident besucht.
Unser Unternehmer bat um Hilfe bei der allgemein katastrophalen Zahlungsmoral, besonders bei Großaufträgen.
Antwort: Für soetwas bin ich nicht zuständig.
Nun, denkt etwa jemand, Steinmeier bewirkt auch irgendetwas?

nasowasaberauch vor 20 Wochen

Steinmeier kann doch außer zuhören nichts ändern, außerdem hat er selbst vor Jahren an der Bürokratie mit gebastelt. Der Obstbauer hätte sein Leid auch dem Dorfpfarrer erzählen können, Ergebnis wäre wahrscheinlich gleich.

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