Umbau statt Abriss Stendaler Plattenbau soll zu "Einfamilienhaus-Haus" werden
Hauptinhalt
07. November 2024, 10:47 Uhr
Ein Architekt plant, einen alten Plattenbau in Stendal in ein "Einfamilienhaus-Haus" umzuwandeln – ein Gebäude mit übereinander gestapelten, individuellen Einfamilienhäusern samt Dachgärten und offenen Fluren. Die Wohnungsbaugenossenschaft Altmark unterstützt das Projekt, das bezahlbaren Wohnraum schaffen und neue Zielgruppen anziehen soll. Der Umbau soll zudem die bestehende Bausubstanz erhalten – um nachhaltig zu sein und Energie zu sparen.
- Der Architekt Jurek Brüggen plant, einen alten Plattenbau in Stendal in ein innovatives "Einfamilienhaus-Haus" umzuwandeln.
- Dieses nachhaltige Projekt soll ohne kompletten Abriss realisiert werden und bezahlbaren Wohnraum schaffen.
- Sollte es erfolgreich sein, könnte es als Modell für den Umbau von Plattenbauten in ganz Ostdeutschland dienen.
Stendal. Grau, unansehnlich und bereits von Strom und Wasser abgeklemmt, steht der Fünfgeschosser vom Plattenbautyp WBS 70 in der Albrecht-Dürer-Straße am Rande des Stendaler Plattenbaugebietes Stadtsee. Eigentlich wäre er schon längst für die Abrisszange vorbestimmt gewesen, wenn nicht der Architekt Jurek Brüggen vom Berliner Architektenkollektiv "OFEA" mit einer ganz speziellen Idee bei der Wohnungsbaugenossenschaft Altmark vorstellig geworden wäre.
Ein Haus im Haus
Die Idee ist, die alte Platte in ein Gebäude zu verwandeln, das aus übereinander gestapelten Einfamilienhäusern besteht. "Wir nennen es Einfamilienhaus-Haus. Das ist ein ganz neuer Gebäudetypus, zwischen Einfamilienhaus und Mehrfamilienhaus angesiedelt, der beides miteinander kombiniert. Im Inneren des Gebäudes wird es Häuser mit unterschiedlichen individuellen Zuschnitten geben. Zu jedem Haus wird ein großzügiger begrünter Dachgarten gehören, alle Häuser erstrecken sich über zwei Etagen", erklärt der Architekt. In jedem Haus soll es ein Zimmer geben, bei dem die Decke entfernt wird, so dass ein übergroßer Raum über zwei Etagen entsteht.
Zudem sollen die alten Treppenhäuser verschwinden. Stattdessen will der Architekt sogenannte vertikale Straßen in den oberen Stockwerken errichten: nach den Seiten offene breite Vorflure, die Platz zum Abstellen von Fahrrädern oder Kinderwagen sowie Möglichkeiten zur Begegnung mit den Bewohnern der anderen "Einfamilienhäuser" bieten.
Erhalten und umbauen
Der Charme des Projekts besteht für den Architekten auch darin, dass hier moderne und individuelle Wohnformen entstehen, ohne dass ein bestehender Plattenbau komplett abgerissen werden muss. "Darin besteht die Nachhaltigkeit. Bestand erhalten und umbauen ist in der heutigen Zeit die wichtigste Aufgabe der Architektur. Wir haben in der Vergangenheit viel über Energieeffizienz geredet, gute Heizung, gute Dämmung und so weiter. Aber was wir lange nicht betrachtet haben, ist die graue Energie. Also was machen wir mit den Gebäuden, die wir schon haben, mit dem Beton, der da verbaut wurde, mit der Energie, die da reingesteckt wurde. Das zu nutzen, was schon da ist, ist die wichtigste Herausforderung für die Zukunft", ist er überzeugt.
Bezahlbare Wohnungen für neue Zielgruppe
Bei der Stendaler Wohnungsbaugenossenschaft Altmark, mit 3.500 Wohneinheiten einer der großen Vermieter der Stadt, fand er einen Partner, der sich von dieser Idee begeistern ließ. "Wir erhoffen uns, dass wir mit einem solchen Umbauprojekt für neue Zielgruppen viel interessanter werden und vielleicht sogar Zuzug von außerhalb nach Stendal generieren können", sagt der Genossenschaftsvorstand Lars Schirmer.
Besonders spannend finde er, dass man mit einem Umbau der Platte sogar den Wunsch vieler nach einem Wohnen im Einfamilienhaus erfüllen könne. "Und zwar bezahlbar", fügt Lars Schirmer hinzu. Nach ersten Kalkulationen der Genossenschaft liegt der Mietpreis bei unter zehn Euro pro Quadratmeter. "In die Berechnung sind allerdings schon Fördermittel mit eingepreist, die wir erst noch beantragen müssen. Etwa eine Million Euro benötigen wir, um unter der genannten Grenze von zehn Euro zu landen", räumt er ein.
Vorlage für Platte der Zukunft?
Sollte das Stendaler Projekt Erfolg haben, könnte das eine Vorlage für den Umbau von Plattenbauten in ganz Ostdeutschland sein, ist Schirmer überzeugt. "Der WBS 70-Typ ist der am meisten gebaute Plattenbau im Osten, der findet sich von der Ostsee bis zum Erzgebirge", sagt Schirmer. "Und wenn man dann im großen Stil umbauen würde, könnte man zum seriellen Bauen übergehen, das würde die Baukosten noch einmal minimieren", ergänzt Jurek Brüggen.
Doch gegenwärtig ist das Zukunftsmusik. Noch steht der Fünfgeschosser grau in der Albrecht Dürer Straße. Im kommenden Jahr soll der Teilabriss der Stockwerke beginnen, die für den geplanten Umbau nicht mehr benötigt werden. "Dann wird man an den dadurch entstehenden Terrassen schon die künftige Form des Einfamilienhaus-Hauses erkennen können", sagt Jurek Brüggen.
MDR (Matthias Bruck) | Erstmals veröffentlicht am 05.11.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 04. November 2024 | 19:00 Uhr
ElBuffo vor 4 Wochen
So ungefähr war meine Rechnung auch, die Entscheidung eine andere. Dem einen gefällt das Werkeln im Haus und Garten bzw. kann er gar nicht ohne. Den nächsten graut schon vor der nächsten Rasenmahd. So gibt es unterschiedliche Zielgruppen und nicht jeder versucht sich in der eierlegenden Wollmilchsau. So findet am Ende jeder, was ihm passt.
Mambo vor 4 Wochen
1300€ warm für ein "Einfamilienhaus" ist an sich ein ziemlicher Schnapper... Ich hab in unserer Landeshauptstadt vor 10 Jahren 850 warm gezahlt für 80m² im Altbau ohne Stellplatz und mit Balkon auf den gerade mal zwei Raucher passten, alles ab 100m² war dann teuer bzw kaum zu bekommen weil durch WGs besetzt, ich hab dann einfach ein Haus gebaut weil die monatlichen Raten quasi der Warmmiete der meisten Wohnungen damals entsprachen...
Mambo vor 4 Wochen
Das Problem in der Platte sind fehlende Trittschalldämmung und dünne Wände. Das mit dem Trittschall erledigt sich quasi von selbst sobald da eine Fußbodenheizung reinkommt, die liegt ja in Styropor. Das dämmt den Lärm dann auch automatisch nach oben und unten. Links und rechts kann man die "Außenwände" zu angrenzenden Nachbarn einfach schallgedämmt machen. Ist dann auch nichts anderes als eine Doppelhaushälfte.
Also das Problem mit den Nachbarn und dem Lärm könnte sich quasi durch das Konzept von selbst erledigen.
An sich finde ich das eine gute Idee, Familien mit zwei Kindern finden kaum mal eine Wohnung > 100m², die sind meistens durch WGs besetzt, die brauchts dann aber schon zu viert. Kleine Dachterrasse als Garten, auch schön. Zaunbier gibts dann mit der Leiter ;)