Zweifelhafte HundespurenVermisstenfall Inga: Wie Mantrailing die Ermittlungen beeinflusst haben könnte
Am 2. Mai 2015 verschwand die damals fünfjährige Inga spurlos vom Gelände des Wilhelmshofs bei Stendal. Eine groß angelegte Suche begann sofort. Doch auch mit Mantrailing-Hunden konnte das Mädchen nicht gefunden werden. Im Gegenteil: Experten zweifeln am Vorgehen der privaten Hundeführerin, deren Hunde Ingas Spur bis nach Österreich verfolgt haben wollen. War der Ermittlungsweg eine Sackgasse?
- Bei der Suche nach der vermissten Inga Gehricke kommt 2015 auch eine private Hundeführerin zum Einsatz.
- Wissenschaftler kritisieren das Vorgehen der Mantrailing-Suche und zweifeln an den Ergebnissen.
- Andere Ermittlungsansätze könnten dadurch aus dem Fokus geraten sein.
Der Wilhelmshof bei Stendal ist eine diakonische Einrichtung – ein kleines Dorf, in dem chronisch Suchtkranke und Menschen mit Behinderung leben. An einem sonnigen Samstag im Mai 2015 treffen sich dort drei Familien zum Grillen. Inga war mit ihrer Familie zu Besuch. Gegen 18:30 Uhr beginnen die Erwachsenen, sie zu suchen. Um 20:13 Uhr wird die Polizei alarmiert.
In den Tagen und Wochen darauf wurde alles unternommen, um das Mädchen zu finden. Auch ungewöhnliche Versuche wie Hinweise von Sehern und Angebote von Wünschelrutengängern wurden zumindest in Augenschein genommen. Ein Verfahren, das bereits in der Vergangenheit mehrfach in der Kritik von Ermitteln stand, wurde besonders kostenintensiv betrieben.
Vermisste Inga: Mantrailing unter der Lupe
Zwischen Mai und Dezember 2015 wird die private Hundeführerin Andrea von Buddenbrock beauftragt. Sie behauptet, ihre Hunde könnten selbst Monate später noch Geruchsspuren verfolgen, auch von Personen, die im Auto unterwegs waren. Gemeinsam mit ihrer Assistentin will sie Ingas Spur von Stendal bis nach Silz in Österreich verfolgt haben, über 800 Kilometer.
Die Fährte führt zu einem möglichen Verdächtigen, der auch im Fokus der Ermittler stand. Jedoch nicht auf dem direkten Weg, sondern über eine unübliche Route. Dort soll sich Inga nach Angaben der beiden Frauen aufgehalten haben. Die weiteren Ermittlungen blieben aber erfolglos. Dafür jedoch mit hohen Kosten verbunden: Über 40.000 Euro wird der Einsatz der Hunde am Ende kosten. Nicht eingerechnet die Aufwendungen für die Polizei, die den Sucheinsatz über Tschechien nach Österreich begleitete.
Mantrailing bei Suche nach Inga: Wissenschaftliche Kritik und Ermittlungsfehler
Prof. Kai-Uwe Goss vom Helmholtz-Institut Leipzig hält die Aussagen der Hundeführerin für unhaltbar: "Wissenschaftlich ist es auch überhaupt nicht plausibel, dass das möglich sein sollte." Hautschuppen oder Gerüche seien nur sehr kurze Zeit nachweisbar. Noch fragwürdiger sei der sogenannte "Cartrail", bei dem Geruchsspuren aus dem Auto durch die Lüftung ins Freie gelangen sollen: "Das bildet sich sonst niemand ein. […] Die werden sehr schnell verwirbelt und sind dann draußen nicht mehr als Spur nachweisbar."
Der pensionierte Polizeihundeführer Hans-Jörg Schalkowski hat in einem anderen Fall gut 12 Stunden Videomaterial von der Hundeführerin für ein Gericht begutachtet. Er kommt nach einer Analyse der Aufnahmen zu einem klaren Urteil: "Die Hundeführerin lenkt die Hunde." Und weiter: "Das viel Schlimmere, was ich kritisiere, ist, dass da eine Soko oder eine Ermittlungsgruppe in eine Richtung gelenkt wird oder bestärkt wird, wo vielleicht eine absolute Fehlspur ist und andere Ansätze nicht weiterverfolgt."
Andere Ermittlungsansätze im Fall Inga geraten aus dem Blick
So könnte nach MDR-Recherchen zum Beispiel ein anderer Ermittlungsansatz möglicherweise aus dem Blick geraten sein. Denn es gibt auch andere Orte mit dem Namen Silz. So etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Nach MDR-Recherchen geht aus den Akten mindestens eine Person hervor, die am Tag von Ingas Verschwinden auf dem Wilhelmshof war und dort in der Nähe wohnte. Buddenbrocks Hunde zeigten hier aber nicht an.
Laut Staatsanwaltschaft wurde überall umfassend ermittelt. Doch aus den Akten lässt sich ersehen, dass die damalige Ermittlungsgruppe diesen Ort und diese Person nur oberflächlich überprüft hat.
Andrea von Buddenbrock äußert sich auf Anfrage nicht zum konkreten Fall. Über ihren Anwalt lässt sie mitteilen, der pensionierte Polizeihundeführer Hans-Jörg Schalkowski habe nicht die Expertise, ihre Arbeit zu begutachten.
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MDR (Lars Frohmüller, Nadja Malak, Katharina Gebauer, Sarah-Maria Köpf) | Erstmals veröffentlicht am 30.04.2025
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 28. April 2025 | 19:00 Uhr
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