Ziviles Engagement Ausstellung in Stendal erinnert an Zeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung
Hauptinhalt
05. November 2024, 18:14 Uhr
Die Ausstellung "wi(e)dersprechen! Stendal 89/90" erinnert noch bis zum 9. November an die Wendezeit in der Stadt. Im Fokus stehen zivilgesellschaftliche Aktionen und Proteste zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung wie die Aktion "Rettet die Altstadt". Damals, im Februar 1990, verhinderten Bürger aus Stendel den Abriss der historischen Fachwerkhäuser.
- Zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung: Mit einer Aktion wollten Menschen die Altstadt in Stendal vor dem Abriss retten.
- Mit der Ausstellung "wi(e)dersprechen! Stendal 89/90" möchte die Stadt historische Aktionen und Initiativen lebendig werden lassen.
- Die DDR wollte die Fachwerkhäuser in der Stendaler Altstadt mit Plattenbauten ersetzen.
Rüdiger Laleike kramt in einem alten Fotoalbum. Er ist Zeitzeuge der Wendezeit, engagierte sich in der Wendezeit für die Aktion "Rettet die Altstadt". Erinnerungen kommen zurück. 1990 kaufte er sich ein altes Haus in der Stendaler Innenstadt. "Das war ein Fachwerkhaus, dass schon länger leer gestanden hatte", erzählt der 76-jährige. Viel gekostet hat das einsturzgefährdete Haus in der Petrikirchstraße nicht. "Was ich an Ersparnissen hatte, sollte mal in einen Trabi gesteckt werden. Das war dann die Grundlage fürs Haus."
Laleike blättert weiter: Am 3. Februar 1990 bildeten zahlreiche Engagierte eine Menschenkette um einen Teil des Altstadtquartiers in Stendal. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube hatten er und andere sich aufgemacht, die völlig heruntergekommene Altstadt vor dem kompletten Abriss zu bewahren. Nur knapp 1.500 Menschen lebten noch dort, heute sind es mehr als viermal so viele.
Erinnerung an die Wende: Ausstellung "wi(e)dersprechen! Stendal 89/90"
Die Fotos, die Laleike damals schoss, sind Bestandteil der Ausstellung "wi(e)dersprechen! Stendal 89/90", die von der Hochschule Magdeburg-Stendal initiiert wurde. Vom 3. Oktober bis zum 9. November soll so an die Umbruchzeit 1989/90 erinnert werden. Dazu gibt es neben Diskussionen und einem Erzählcafé in der kleinen Markthalle vier Stationen verteilt über die Innenstadt, an denen man an die Wendezeit erinnert wird.
Veranstaltungen zur Ausstellung "Wi(e)dersprechen"
Dienstag, 5. November: Vortrag/Workshop "Umbruchsbilder – 'Wendekinder' zeichnen
Montagsdemonstrationen" von Prof. Dr. Claudia Dreke in der Hochschule Magdeburg-Stendal (Haus 3) von 16 bis 18 Uhr.
Mittwoch, 6. November: Kuratorengespräch in der Petrikirche von 16 bis 17 Uhr.
Freitag, 8. November: Diskussion: "Let’s talk about Jetzt!" mit Mathias Brodkorb im Theater der Altmark von 19.30 bis 21 Uhr
Ein Ort ist die Wandelhalle des Rathauses, wo einzelne Akteure der damaligen auf Plakaten zu Wort kommen. Dort können aber auch heute Menschen in einer Erzählbox ihre Gedanken zur damaligen Zeit digital aufzeichnen. Zentraler Ort mit mehreren Installationen und Video-Screens ist die Petrikirche. Die Kirche ist ein authentischer Ort, 1989 gab es dort die ersten großen Versammlungen.
Die Aktion 'Rettet die Altstadt' mit der Menschenkette ist ein Paradebeispiel, wo sich zeigt, wie mit zivilgesellschaftlichem Engagement im demokratischen Rahmen für das Gemeinwohl gearbeitet wird.
Lebendige Erinnerungen durch zivilgesellschaftliches Engagement
Kurator ist der Psychologie-Professor Günter Mey, der mit den historischen Momenten weniger "pure Erinnerungskultur" erwecken möchte, wie die Stadt Stendal schreibt. Viel eher sollen demnach historische Aktionen und Initiativen lebendig werden und zeigen, wie gesellschaftliche Prozesse angestoßen werden. "Die Aktion 'Rettet die Altstadt' mit der Menschenkette ist ein Paradebeispiel, wo sich zeigt, wie mit zivilgesellschaftlichem Engagement im demokratischen Rahmen für das Gemeinwohl gearbeitet wird", so der Professor.
Die Demo-Fotos vom Februar 1990 von Rüdiger Laleike sind derzeit großformatig in der Straße Hohe Bude zu finden. Eines davon hängt als Banner quer über die Straße. "Dort hatte ich damals auch ein Transparent aufgehängt", sagt Laleike. Es gibt auch Videoaufnahmen von der Zeit, bei denen mit verwackelten Bildern der marode Zustand der Altstadt erkennbar wird.
Mauerfall – Retter der Stendaler Altstadt
Für die Altstadt kam die Wende gerade noch rechtzeitig. "Wir haben es der wirtschaftlichen Unfähigkeit in der DDR zu verdanken, dass nicht einmal die Ressourcen und die Kraft vorhanden waren, alles abzuräumen", so der Stendaler Architekt Lutz Schwarzbrunn. Bis in die 1970er Jahre habe es noch Pläne gegeben, Plattenbauten bis in die Stadt hineinzuziehen. Später habe man den Verfall einfach hingenommen.
"Allerdings gab es auch im Westen die Tendenz, die historischen Altstädte durch Neubauten zu ersetzen", sagt Schwarzbrunn. Er hat in der unmittelbaren Nachwendezeit in der Stendaler Stadtverwaltung für die Sanierungen gearbeitet. Mit der Wendezeit und auch den Protesten der Menschen vor Ort habe sich dann aber herausgestellt, dass die Altstadt erhaltenswert sind.
MDR (Bernd-Volker Brahms, Cynthia Seidel)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 29. Oktober 2024 | 06:30 Uhr