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Existenzängste und EinsamkeitTelefonseelsorgen in Sachsen-Anhalt komplett ausgelastet

20. November 2022, 15:15 Uhr

Die Telefonseelsorgen in Sachsen-Anhalt sind aktuell voll ausgelastet. Teilweise kommt es zu Wartezeiten, weil so viele Menschen anrufen. Die steigenden Lebenserhaltungskosten sorgen bei den Anrufenden vermehrt für Existenzängste. Auch Einsamkeit und Beziehungssorgen sind in der Telefonseelsorge Dauerthema.

  • Die Telefonseelsorge in Sachsen-Anhalt ist momentan komplett ausgelastet.
  • Ein Thema, das dabei aktuell viel Raum einnimmt, sind Existenzängste wegen steigender Kosten und Corona.
  • Auch Einsamkeit macht vielen Anrufenden Sorgen.

In Sachsen-Anhalt ist die Telefonseelsorge aktuell voll ausgelastet. Mitunter kommt es zu Wartezeiten. "Die Leute haben massenhaft Sorgen, über Tränen bis hin zur Verzweiflung. Wir haben wirklich weinende Menschen am Telefon, die wir beruhigen müssen. Es gibt ein Drittel mehr Anrufer", sagte die Leiterin der Telefonseelsorge Halle, Gundula Eichert.

Die Leute haben massenhaft Sorgen. Wir haben weinende Menschen am Telefon, die wir beruhigen müssen.

Gundula Eichert | Leiterin der Telefonseelsorge Halle

Aktuell plagten viele Anrufende Existenzängste. "Viele haben Sorgen, die Miete und Lebensmittel nicht mehr bezahlen zu können und obdachlos zu werden. Manche können ihre Medikamente nicht bezahlen", erzählt Eichert.

Auch in Magdeburg haben viele Anrufende Existenzängste

Ulrike Hänel ist schon seit 16 Jahren bei der Telefonseelsorge für die Menschen am anderen Ende des Hörers da. Die 79-Jährige hört in den Gesprächen neben der Einsamkeit besonders die Sorge über die steigenden Preise der Lebensmittel. "Die sagen, ich kann mir einen Pullover anziehen, das geht, aber ich kann kein Holz essen, wenn ich nichts zu essen habe", sagt Hänel.

Die sagen, ich kann mir einen Pullover anziehen, das geht, aber ich kann kein Holz essen, wenn ich nichts zu essen habe.

Ulrike Hänel | Telefonseelsorgerin

Anette Carstens leitet die Telefonseelsorge in Magdeburg. Sie berichtet von ähnlichen Erfahrungen. Auch in Magdeburg konzentrierten sich die Themen bei der Telefonseelsorge wegen der Kostenexplosion und Corona stärker auf die Existenzangst. "Bei den Existenzängsten rufen viele an, die bislang gerade so über die Runden kamen. Und überall die Fragen: Wie wird es? Werden wir das schaffen? Was, wenn nicht?", sagte Carstens. "Es gibt auch eine große Scham, sich bei den Bürgerbüros zu melden. Wir sind ja jetzt erst in der Vorstufe, ich befürchte, dass es eine härtere Realität wird, wenn im großen Umfang die Heizkostenabrechnungen raus sind."

Einsamkeit ist Dauerthema

Neben vielen Älteren rufen laut Carstens auch Studenten an. In der letzten Zeit gebe es außerdem mehr Anrufer mit depressiven Anzeichen. Einsamkeit und Beziehungsprobleme seien bei der Seelsorge immer Thema. Laut Carstens hatten 2014 in Magdeburg etwa 13 Prozent der Anrufe Einsamkeit zum Thema. 2021 waren es schon 25 Prozent.

In der Telefonseelsorge in Dessau kommt das Thema Einsamkeit am häufigsten vor, sagte deren Leiter Andreas Krov-Raak. "Nummer eins ist das Thema Einsamkeit, die Leute rufen uns nicht nur einmal, sondern immer wieder an", sagt Krov-Raak. Nummer zwei seien psychische Krankheiten. Die Telefonseelsorge sei oft auch ein Wartezimmer, um die Zeit bis zu einer Behandlung zu überbrücken. Partnerschafts- und Beziehungsprobleme seien das Thema Nummer drei. Die Themen Energiekrise und Inflation nehmen ebenfalls einen breiten Raum ein.

Dessau: teilweise schlecht erreichbar wegen zu vielen Anrufen

Mehr Anrufer geht gar nicht, wir telefonieren 24 Stunden durch. Mehr Bedarf existiert, aber wir können nicht mehr Gespräche annehmen.

Andreas Krov-Raak | Leiter Telefonseelsorge Dessau

Auch die Telefonseelsorge in Dessau ist komplett ausgelastet, erzählt Krov-Raak: "Mehr Anrufer geht gar nicht, wir telefonieren 24 Stunden durch, im Jahr sind es rund 12.000 Gespräche. Mehr Bedarf existiert, aber wir können nicht mehr Gespräche annehmen". Es gebe Zeiten, da sei die Telefonseelsorge schlecht erreichbar – nicht, weil niemand da ist, sondern weil es zu viele Anrufer sind.

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dpa, MDR (Alisa Sonntag)

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