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Viele kleine Röstereien kaufen direkt vom Kaffeebauern. Nachhaltig ist der Kaffee dadurch aber nicht automatisch. Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Mehr KaffeeröstereienWie zwei Kaffeeliebhaber aus Halle zur eigenen Rösterei gefunden haben

07. August 2022, 10:53 Uhr

Immer mehr kleine Kaffeeröstereien sind in den letzten Jahren in Sachsen-Anhalt gegründet worden. Handgemachter Kaffee liegt im Trend. Ein Familienbetrieb in Halle zeigt, wie das geht, was es für Probleme gibt und warum Nachhaltigkeit nicht gleich Nachhaltigkeit ist.

Früh um 10 Uhr in der Kaffeerösterei Roy in Halle: Die Kaffeemaschine läuft, die ersten Gäste trudeln ein. Ein angenehmer Wind weht durch die geöffneten Fenster. Matthieu Roy und sein Vater Matthias haben sich vor knapp drei Jahren den Traum der eigenen Rösterei erfüllt. Genau genommen hat es sich aber auch ein bisschen aus der Not heraus ergeben. "Matthias hat keinen industriell gerösteten Kaffee vertragen und hatte immer Magenprobleme", erzählt Matthieu. Sein Vater recherchierte und fand heraus, dass viele kleine Röstereien Kaffee aus sogenannter Trommelröstung anbieten, der besonders bekömmlich sein soll.

Heißluft- und Trommelröstung

Erst mit der Röstung erhalten die Kaffeebohnen ihr typisches Aroma. Wie lange und bei welchen Temperaturen die Bohnen geröstet werden, beeinflusst den Geschmack nachhaltig. Unterschieden wird zwischen der industriellen Heißluft- und der traditionellen Trommelröstung. Bei der Heißluftröstung werden die Kaffeebohnen nur kurz, aber dafür sehr heiß geröstet, nämlich zwischen zwei und sieben Minuten bei Temperaturen von 400 bis 600 Grad. Bei der Trommelröstung werden die Bohnen bei 180 bis 200 Grad bis zu 25 Minuten geröstet. Vorteil der Heißluftröstung: Es geht schnell und man kann damit eine große Menge Kaffeebohnen gleichzeitig rösten, allerdings haben die Bohnen dadurch auch einen höheren Säuregehalt und sind weniger bekömmlich.

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Tatsächlich verträgt Matthias den trommelgerösteten Kaffee deutlich besser und lässt sich nach Aussage seines Sohnes anschließend so sehr für das Thema begeistern, dass er anfängt zu Hause zu rösten. Später folgen dann Kaffee-Seminare. "Er kam dann mit seinen frisch gerösteten Bohnen zur Familie und wollte uns quasi als Tester haben", erinnert sich Matthieu. Da hätte er sich dann innerlich schon darauf vorbereitet, zu sagen, dass es gut ist, egal was kommt. Zu der Zeit konnte er Kaffee noch nicht so viel abgewinnen. Am Ende ist er positiv überrascht: "Als ich dann probiert habe, dachte ich: Wow, also wenn das Kaffee ist, dann bin ich auch Kaffeetrinker".

Vorher kannte Matthieu nur Filter- oder türkischen Kaffee, den man ohne Milch und Zucker gar nicht trinken konnte. Nach der Verkostung war dann aber auch Matthieus Lust am Kaffee geweckt. Er fragte seinen Vater, ob er bei seinem Rösterei-Projekt mitmachen könnte und so fand sich schließlich das Vater-Sohn-Team, das heute hinter der Kaffeerösterei Roy steht.

Mehr als 800 Röstereien in ganz Deutschland

Mit ihrem Traum sind Matthias und Matthieu aber längst nicht allein. Seit vielen Jahren wächst die Zahl der privaten Röstereien stetig. Der Deutsche Kaffeeverband geht davon aus, dass es momentan etwa 850 Kleinröstereien in Deutschland gibt. Nach Angaben des Verbandes wäre in den sogenannten "Nuller-Jahren" ein starker Zuwachs an Röstereien zu erkennen gewesen.

Aktuell fände immer noch ein leichtes Wachstum statt, das man jedoch nicht genau beziffern könne. Holger Preibisch, der Geschäftsführer des Kaffeeverbandes findet es besonders erfreulich, dass es auch in den Corona-Jahren 2020 und 2021 vereinzelt Neueröffnungen gegeben hat. Das zeige einmal mehr, dass Kaffee ein krisenfestes Produkt sei.

Das zeigt einmal mehr: Kaffee ist ein krisenfestes Produkt.

Holger Preibisch, Geschäftsführer Kaffeeverband

Auch in Sachsen-Anhalt gibt es nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) mittlerweile 16 Röstereien. Im Raum Halle-Dessau hat sich die Zahl in den letzten Jahren sogar mehr als verdoppelt. Demnach waren es 2012 gerade einmal zwei Röstereien, zehn Jahre später schon fünf.

Von Student bis "Best-Ager"

Den typischen Rösterei-Kunden gibt es nicht, sagt Matthieu Roy: "Das ist wirklich ein ganz bunter Mix, vom Studenten über die 40-jährige Arbeitskraft bis hin zum Best-Ager sind wirklich alle Alters- und Einkommensschichten dabei". Was nach Aussage von Roy aber alle verbindet, ist die Leidenschaft für guten Kaffee.

Das ist wirklich ein ganz bunter Mix, vom Studenten über die 40-jährige Arbeitskraft bis hin zum Best-Ager sind wirklich alle Alters- und Einkommensschichten dabei.

Matthieu Roy, Kaffeerösterei Roy

Deshalb sei seinem Vater und ihm auch wichtig, dass der Kaffee für alle bezahlbar bleibt. Zwar wäre der Rösterei-Kaffee natürlich teurer als der Kaffee aus dem Supermarkt, aber auch da gebe es nochmal verschiedene Preisklassen.


In Roys Augen geht es nicht darum, Luxuskaffee anzubieten, sondern eine Alternative zum Industriekaffee zu sein.

Auch ohne Siegel nachhaltig

Ein Thema, das die Kunden besonders interessiert: Nachhaltigkeit. Immer wieder würde nach Siegeln gefragt werden. Allerdings kommen solche Siegel für kleine Röstereien eher nicht in Frage, denn wer das Fairtrade-Siegel auf seinen Produkten haben will, muss einen Lizenzvertrag mit Fairtrade Deutschland abschließen. Und das ist nach Angaben des Vereins für die meisten kleinen Röstereien entweder zu aufwendig oder zu teuer.

Wem gerechte Bezahlung und kontrollierter Anbau wichtig sind, kann sich am Fairtrade-Siegel orientieren. Bildrechte: imago/Marius Schwarz

Deshalb biete man als Alternative die sogenannte "Kaffee-Rösthandwerk-Partnerschaft" an. Damit wäre es relativ unbürokratisch möglich, Rohkaffee von zertifizierten Kaffeehändlern zu beziehen. Die Röstereien dürfen dann zwar nicht das Fairtrade-Siegel auf ihre Verpackungen drucken, können ihr Engagement aber mit Werbematerial wie Flyern sichtbar machen.

Für die Rösterei Roy bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur, darauf zu achten, woher sie ihren Kaffee beziehen, sondern auch im Alltag Ressourcen zu schonen. So wurde beispielsweise ein Großteil der Tische aus Holzresten gebaut. Ein weiteres Ziel ist, die Kaffeetüten aus biologisch abbaubarem Material herzustellen.

Fairtrade und "direct trade"

Nach Aussage von Fairtrade Deutschland bezeichnen sowohl Fairtrade als auch "direct trade" den direkten Handel zwischen Kaffeebauern und Unternehmen ohne Zwischenhändler. Allerdings steht hinter der Fairtrade-Zertifizierung auch ein klares Regelwerk, dessen Einhaltung unabhängig geprüft wird. "Fairtrade" sei ein zivilgesellschaftlich getragener ethischer Ansatz mit Zielen wie Selbstbestimmung und Gemeinschaftsstärkung, heißt es vom Verein. So arbeite Fairtrade Deutschland beispielsweise nur mit Kleinbauern zusammen, um deren Position am Markt zu verbessern. Für "direct trade" gibt es bislang keine genauen Vorschriften.

Viele Kleinröstereien halten sich für nachhaltig, weil sie den Kaffee direkt bei den Kaffeebauern einkaufen ("direct trade"), berichtet Fairtrade Deutschland. Weil aber weder die Bezeichnung "nachhaltig" noch der Begriff "direct trade" geschützt seien, wäre Vorsicht geboten. Besonders das Schlagwort "direct trade" hätte bisher weder eine einheitliche Definition noch ein umfassendes Regelwerk, sodass damit nicht immer das Gleiche gemeint sein muss. Bei der Orientierung kann der Einkaufsfinder von Fairtrade-Deutschland helfen, den Sie hier finden. Dort können Sie direkt nach Kaffeeröstereien in Ihrer Region suchen, die Teil der "Kaffee-Röst-Partnerschaft" sind.

MDR (Annekathrin Queck)

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio so wie wir | 08. August 2022 | 07:30 Uhr

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