Koalition und AfD dafür, Gewerkschaft dagegenSechs statt vier: Debatte über mehr verkaufsoffene Sonntage
Eine Gesetzesänderung soll es den Kommunen in Sachsen-Anhalt erlauben, für einen begrenzten Zeitraum mehr verkaufsoffene Sonntage pro Jahr zu genehmigen. Damit soll dem Handel nach der Corona-Pandemie geholfen werden. Doch nicht alle finden diese Idee gut.
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Bisher dürfen Händler in Sachsen-Anhalt nur mit wenigen Ausnahmen (wie Bäcker, Blumengeschäfte und Tankstellen) an Sonntagen öffnen. Für alle anderen gilt: Die Gemeinden können an vier Sonntagen im Jahr eine Öffnung erlauben, soweit ein "besonderer Anlass" besteht. Das Landesverwaltungsamt kann in Einzelfällen weitere Sonntagsöffnungen erlauben, wenn "dies im öffentlichen Interesse notwendig ist".
Das ist geplant
Die regierende Koalition aus CDU, SPD und FDP will diese Regelung jetzt flexibilisieren – und hat eine Novellierung des "Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten" auf den Weg gebracht. Im März legte Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) dem Kabinett einen Entwurf vor, am Dienstag wurde dieser verabschiedet. Nun muss der Landtag beraten. Gegen die Gesetzesänderung formiert sich jedoch Widerstand.
Hauptziel der Novellierung ist es, die Zahl der möglichen verkaufsoffenen Sonntage von vier auf sechs zu erhöhen – begrenzt auf die Jahre 2023 und 2024. Auch sollen mehr mögliche Gründe für Sonntagsöffnungen eingeführt werden, so "ein öffentliches Interesse an der Belebung einer Gemeinde oder eines Ortsteils oder an der überörtlichen Sichtbarkeit der Gemeinde".
Das soll erreicht werden
Damit sollen vor allem die Folgen der Corona-Pandemie abgemildert und aufgefangen werden. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Ulrich Thomas, sagte auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, man wolle so dem "Einzelhandel helfen und die Attraktivität der Innenstädte verbessern". FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack will Händlern und Gewerbetreibenden "angesichts der Corona-Folgen Rückenwind geben" und die "Innenstädte wieder aufleben lassen". Und Holger Hövelmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht die Chance "nach zwei Pandemiejahren den Einzelhandel zu entlasten", ohne "die Arbeitnehmerrechte übermäßig" zu beanspruchen.
Das sagen die Befürworter
CDU, SPD und FDP stehen wenig überraschend hinter dem Vorschlag der Koalition. Ulrich Thomas von der CDU betonte, es gehe vor allem um mehr Rechtssicherheit. Er verwies darauf, dass es in der Vergangenheit immer wieder erfolgreiche Klagen gegen "angekündigte verkaufsoffene Sonntage" gegeben habe. Diese hätten "zu hohen Kosten für den Einzelhandel und zu Frust bei den Kunden" geführt. Künftig wolle man dies verhindern.
SPD-Sprecher Holger Hövelmann sieht insofern keinen Dammbruch, als die Kommunen auch "weiterhin an die Auflagen nach dem Ladenöffnungszeitengesetz gebunden" seien. Er sehe deswegen nicht, dass in vielen Gemeinden "tatsächlich alle sechs Sonntagsöffnungen durchgeführt werden".
FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack glaubt, die Neuregelung sei "im Interesse der Ladeninhaber wie auch der Beschäftigten". Wenn das Gesetz nicht geändert werde, würden die Innenstädte außerdem "keinen Boden gegenüber dem Onlinehandel gutmachen können".
Alle drei Fraktionen betonten darüber hinaus, dass die Ausweitung der Sonntagsöffnungen nur für einen Übergangszeitraum gelten solle.
Matthias Lieschke, wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man wolle zwar abwarten, wie Regierung das Gesetz genau umsetzen will. Im Grunde halte seine Partei aber zusätzliche verkaufsoffene Sonn- und Feiertage in einem begrenzten Zeitraum "für eine gute Gelegenheit, zusätzlichen Umsatz für unsere angeschlagene Wirtschaft zu generieren".
Das sagen die Gegner
Die Grünen-Fraktion im Landtag spricht sich gegen eine Aufstockung der verkaufsoffenen Sonntage aus. Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Olaf Meister sagte MDR SACHSEN-ANHALT, er sehe eine "schleichende Umwandlung des Sonntags in einen normalen Arbeitstag". Um die "Attraktivität der Innenstädte gegenüber dem Onlinehandel" zu steigern, brauche es eine Stärkung der Stadt- und Ortszentren, "nicht eine Ausweitung der Arbeitszeiten."
Ähnlich sehen das die Linken. Wulf Gallert, wirtschaftspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion, meinte, der Sonntag werde "immer stärker durchlöchert und tendenziell zu einem normalen Arbeitstag". Die Personalkosten würden erhöht, ohne "wirklich einen höheren Umsatz zu garantieren". Letztlich führe die Ausweitung von Öffnungszeiten nicht zu einer Stärkung des Einzelhandels, sondern "zur Verdrängung der kleineren Strukturen". Außerdem sei Sonntagsarbeit "familienunfreundlich" und erhöhe den Druck auf die Beschäftigten "noch mehr".
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) teilte schon Ende März mit, für Beschäftigte im Einzelhandel sei der Sonntag der einzige Tag, der "planbar für Freunde, Familie, den Verein oder den Gottesdienst" zur Verfügung stehe. Das gelte es zu bewahren. Verdi-Fachbereichsleiter Torsten Furgol sagte: "Innenstädte belebt man nicht durch Sonntagsöffnungen, man macht sie dadurch auch nicht attraktiver." Hierfür seien "viel komplexere Konzepte" nötig. Eine aktuelle Anfrage ließ die Gewerkschaft unbeantwortet.
Auch der Arbeitskreis Christlicher Kirchen (ACK) in Halle spricht sich entschieden gegen die geplante Novellierung des Ladenöffnungszeitengesetzes aus. "Unter dem Deckmantel der Rechtssicherheit" werde "einem schrittweisen Abbau der Sonntagsruhe Tür und Tor geöffnet". Und der ACK geht noch weiter: "Bis zu vier verkaufsoffene Sonntage sind schon jetzt vier zu viel."
MDR (Gero Hirschelmann)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Mai 2022 | 22:00 Uhr
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