Woche gegen Lebensmittelverschwendung Gute Ernährung in teuren Zeiten: Schnippeldisko in Zittau

29. September 2022, 06:00 Uhr

Sachsen beteiligt sich mit einer Handvoll Veranstaltungen an der bundesweiten Aktionswoche gegen Lebensmittelverschwendung. Wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise habe das Thema für viele noch mal größere Relevanz bekommen, glaubt Kulturmanagerin Anja Nixdorf-Munkwitz. Sie plant mit dem Netzwerk "Ein Korb voll Glück" am Sonntag in Zittau eine Schnippeldisko. MDR SACHSEN hat mit der gebürtigen Zittauerin gesprochen.

Bemerken Sie, seitdem Preise auch bei Lebensmitteln stark steigen, ein größeres Interesse am Thema Lebensmittel-Verschwendung?

Das Thema erfährt durch die gestiegenen Preise einen gewissen Aufwind. Viele Menschen machen sich Gedanken, wie sie trotz Preissteigerungen gut essen können. Diese Frage wird jetzt auch bei uns im Netzwerk "Ein Korb voll Glück" viel stärker diskutiert.

Dass Lebensmittel nicht verschwendet und weggeworfen werden sollten, ist jedem klar – doch nun gibt es mit der Inflation einen weiteren Anreiz.

Anja Nixdorf-Munkwitz Lebensmittelretterin

Manchmal werden aber auch falsche Schlüsse gezogen: Frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse werden weniger gekauft.

Aber die sind ja auch viel teurer geworden. Da ist der Verzicht darauf erstmal verständlich.

Wenn ich das saisonale Überangebot in meiner Region direkt abschöpfe, geht es auch anders! Ich mache es mal konkret: Vor Kurzem war hier in der Lausitz die große Tomatenerntewelle. Gärtnereien verkauften das Gemüse in Kilo-Kisten zum Sparpreis. Das kann sich der Verbraucher zunutze machen, indem er Vorräte anlegt. Bei Tomaten wäre es doch möglich, Soßen einzukochen. Die schmecken im Zweifel auch besser als die fertigen – und teureren – aus dem Supermarkt.

Genauso Blumenkohl, Kürbis – alles heimische Gewächse. Hier werbe ich für etwas Experimentierfreude. Denn immer nur Kürbissuppe wird schnell langweilig. Wie wäre es z.B. mit einem Currygericht oder mal als süßer Nachtisch? Es gibt sehr viele Sorten, alle sind günstig und gesund. Vieles kann man auch einfrieren.

Und ja, das kostet Zeit, aber mit etwas Planung können das auch Menschen mit Fulltimejobs und Kindern gezielter verfolgen. Gerade junge Familien entdecken für sich die Vorteile, Familienzeit zum Kochen zu nutzen und so gesunde Ernährung spielerisch mit zu vermitteln.

Zwei Kinder mit hölzernen Kochlöffeln in einer Küche
Kochen als Familienzeit nutzen - ein erster Schritt, um gegen Lebensmittelverschwendung aktiv zu werden. Bildrechte: Colourbox.de

Ein weiteres Beispiel: Erkundigt man sich über Hausschlachtungen in der Region, können auch sparsame Fleisch-Esser auf Ihre Kosten kommen. Bei diesen Schlachtungen werden nahezu alle Teile von einem Schwein oder Rind verwertet. Ich habe mir daraus letztens eine Brühe gekocht und mich davon für den Winter bevorratet. Der Vorteil ist nämlich, die Brühe braucht uns in der Küche gar nicht, nur zum Start und zum Schluss. Ansonsten kann ich meine Zeit anderweitig einsetzen.

Inwieweit hängen der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und die regionale Verwertungskette zusammen?

Die Direktvermarktung macht auf Erzeuger-Seite schon mal ein extrem Rohstoff-sparendes Wirtschaften möglich. Es entstehen praktisch keine Abfälle: Übrig gebliebenes Gemüse kann für die Bodenbewirtschaftung auf dem Feld gelassen werden oder es werden Hühner damit gefüttert.

Verbraucher – auf der anderen Seite – bekommen meiner Erfahrung nach ein stärkeres Bewusstsein für die Lebensmittel. Sie gehen zum Gärtner und sehen, wie viel Zeit, Mühe und Liebe in den Produkten steckt. Das wirft man nicht so gern weg, wie vielleicht eher noch die abgepackten Möhren vom Discounter.

Ich vermute: Anonym hergestellte Lebensmittel landen eher im Müll. Daher finde ich den Gang zum Gärtner in der Region besser und auch potenziell kostengünstiger.

Anja Nixdorf-Munkwitz Lebensmittelretterin

Was passiert bei der Schnippeldisko am Sonntag? Gibt’s auch Musik?

Wir werden das Gemüse von den Festumzügen des Landeserntedankfests bekommen und verwerten. Das Ergebnis kann dann in Zittau verköstigt werden. Es sind zwei bis drei Gerichte geplant. Wir sind gespannt, was wir von den Umzügen bekommen werden und müssen dann spontan entscheiden, was wir daraus kochen. Auf jeden Fall dabei sein wird eine Gemüsesuppe. Die Speisen werden dann vor Ort gegen Geldspenden ausgegeben. Und ja, Disko gibt es an der Alberstraße – dort legt ein DJ auf.

Die Idee der Schnippeldisko ist es, aktiv und kreativ gegen Lebensmittelverschwendung vorzugehen.

Anja Nixdorf-Munkwitz Lebensmittelretterin

Die Schnippeldisko findet dieses Jahr zum ersten Mal in Zittau statt. Bisher gab es sowas vor allem in größeren Städten. Ich bin sehr neugierig, wie die Leute darauf reagieren werden. Manche ältere Zittauer haben mir schon gesagt, dass sie sich über die Aktion freuen: "Stimmt – Reste verwerten – sowas haben wir früher auch öfters gemacht."

Übrigens suchen wir noch Unterstützer, die an dem Tag mit uns "schnippeln" und kochen möchten.  

Sie sind auch abseits der Aktionstage mit Ihrem Projekt "Ein Korb voll Glück" in der Region aktiv. Klingt schön, aber was machen Sie so?

Ein wichtiger Schritt ist uns mit den beiden großen Projekten "Bio-Regio-Modellregionen" Lausitz und Lausitz Dresden gelungen. Auf die Förderung dieser Projekte bin ich wirklich stolz. Es geht um regionale Wertschöpfung. Wir versuchen, dem Engagement der Menschen vor Ort gerecht zu werden und dafür gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Netzwerke pflegen und die Akteure, Produzenten, Vermarkter, Verbraucher und Hobby-Gärtner einander näher zu bringen, ist Kern unserer Arbeit.

Ich liebe es, Besuche bei Produzenten zu organisieren. Gemeinsam mit der Volkshochschule sind wir mit dem Format "regional und saisonal" unterwegs. Wir setzen uns mit den Rahmenbedingungen lokaler und kleinteiliger Strukturen auseinander, fragen nach Problemen und stellen Fragen zu Strukturen und Zukunftsaussichten.

Zum Schluss bitte noch ein wenig Inspiration für die Küche: Welches Rezept legen Sie uns als regional und saisonal ans Herz?

Ich persönlich bin ein Fan von Knochenbrühe, die es nun wirklich schon unglaublich lange gibt, die aber erst seit Kurzem mit dem hippen Namen "bone tea" ein großes Comeback feiert. Fest steht, die Brühe ist perfekt, um Vielfalt in den Speiseplan zu bekommen. Hier mein Grundrezept:

Knochenbrühe

In heißem Fett Suppenfleisch, Fleischknochen und Markknochen anbraten und dabei darauf achten, dass alle Stücke ringsherum gut Farbe annehmen. Diese "Maillard-Reaktion" ist das A und O für die Geschmacksbildung, daher immer nur einige Stücke auf einmal in den Topf geben. Man sollte sich nichts vormachen, es wird spritzen und zwar gewaltig, die Küche bedarf danach einer Grundreinigung, aber das ist es wert. Nachdem alle Stücke gebräunt sind, mit Wasser gut bedecken und bei leichter Hitze simmern, nicht kochen. Nach ca. einer Stunde nimmt man das Suppenfleisch, heraus und trennt Fleisch von Sehnen und Knorpeln, stellt das Fleisch beiseite und gibt alles andere in den Topf zurück. Genau so verfährt man mit den Fleischknochen und das Mark drückt man aus den Knochen heraus. Klingt seltsam? Man wird sehen!

Die Knochen bei mittlerer Hitze so lange wie irgend möglich kochen, aber mindestens vier Stunden, zwei Stunden vor Ende der Kochzeit Zwiebeln und Gewürze hinzufügen. Auf Salz besser verzichten, wenn aus einem Teil der Brühe Suppen mit Hülsenfrüchten gekocht werden, denn die werden dann nicht weich.

Was macht man nun mit dem Ausgelösten? Aus dem Kochfleisch wird ein Wintersalat. Dafür Sellerie, Äpfel und Fleisch in dünne Streifen schneiden, mit Majo, Kapern und Wallnüssen anrichten. Aus dem Mark werden Mark-Klößchen als Suppeneinlage, deswegen tragen die ja den Namen! Dafür unter das kalte Mark ein Ei, Semmelbrösel, Salz, Pfeffer und Muskat ziehen und zu einem glatten, festen Teig verarbeiten, Klößchen formen und diese fünf Minuten in der heißen, nicht kochenden, Suppe ziehen lassen.

Aber die Hauptsache ist die Brühe. Man lässt sie über Nacht im Kalten stehen, nimmt am kommenden Tag das Fett ab und hat für eine Woche ausgesorgt: Egal ob einfach Kartoffel- oder Erbsensuppe, Eintopf mit Kohl und Lauch oder Risotto und herzhafter Grießbrei… der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Knochen mit Gemüse in einem Kochtopf
Sparsam und gesund: Knochen auskochen für eine Brühe. Bildrechte: MDR/Jens Trocha

Und für Gemüse-Liebhaber?

Da empfehle ich eine Brühe aus Gemüse. Dafür kann alles mögliche verwenden. Und so gehts:

Gemüsebrühe

Für Menschen die vegetarisch kochen, ist eine selbstgemachte Gemüsebrühe perfekt! Dafür muss man "nur" die Abschnitte aller möglichen Gemüsesorten auskochen: Sellerie, Lauch, Zwiebeln, Möhren, Kohl – es lässt sich fast alles verarbeiten, was sonst ungenutzt in der Biotonne landet. Wer mal etwas Zeit hat, sollte durchaus einen großen Gemüse-Brühe-Topf ansetzen. Natürlich kann man dafür auch einen Arm voll frisches Wurzelwerk aus der Gärtnerei verwenden und nicht nur die Schalen. Vegetarier haben zudem den Vorteil, dass diese Brühe schon nach 40 Minuten fertig ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Rezepte:

Anja Nixdorf-Munkwitz schreibt auf ihrem Blog Ein Korb voll Glück über das Kochen und Genießen in der Oberlausitz. Es finden sich regionale und saisonale Rezepte.

Aktionswoche gegen Lebensmittelverschwendung Vom 29. September bis 6. Oktober findet unter dem Motto "Deutschland rettet Lebensmittel" unsere bundesweite Aktionswoche statt. Sachsen beteiligt sich mit einigen Aktionen:

29. September: Die Verbraucherzentrale lädt in Leipzig zum Online-Workshop. Sie informiert dort über Themen wie Haltbarkeit, Hygiene, Lagerung und Abfallvermeidung. Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird kritisch hinterfragt.

1. Oktober: Schnippeldisko in Roßwein bei Gemeinhardt Service GmbH

2. Oktober: Schnippeldisko in Zittau zum Landeserntedankfest in den Zittauer Fleischbänken

Rettet die Äpfel! "Lasst uns nicht hängen!" heißt die Herbstaktion der AG Dialog in Zittau, die auch unabhängig von der Aktionswoche läuft. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Ernten von Äpfeln und Birnen. Jeden Dienstag im September um 9:00 Uhr und jeden Donnerstag um 15:00 Uhr werden Obstbäume, die sonst nicht abgeerntet werden, ins Visier genommen.

So auch die Aktion des Naturschutzzentrums in Neukirch: "Viele Apfelbäume werden unter der Last erdrückt. Damit die gesunden Früchte nicht nur verfaulen, sondern auch Kindern zu Gute kommen, wollen die 'Apfelretter' die Bäume beernten, deren Eigentümer es nicht aus eigener Kraft schaffen. Die Äpfel werden an die Neukircher Kitas gespendet oder zu Kuchen, Saft und Aufstrich verarbeitet.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | 27. September 2022 | 19:00 Uhr

Mehr aus Sachsen

Sebastian Striegel, Landtagsabgeordneter der Grünen SAH 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Ronny Hartmann
1 min 19.04.2024 | 05:00 Uhr

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, übt Kritik an der Verzögerung beim sogenannten Abhörzentrum.

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Mi 17.04.2024 15:32Uhr 01:23 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/audio-2616626.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio