Arzt spricht mit Patientin über Rezept (Symbolbild)
Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern bekommen in der Medizin zunehmend mehr Aufmerksamkeit. Geschlechterspezifische Behandlungsmethoden sollen in Zukunft für eine bessere Versorgung sorgen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Westend61

Gesundheit Studie zeigt: Männer öfter verletzt, Frauen häufiger psychisch erkrankt

07. September 2022, 19:43 Uhr

Männer haben einen risikobereiteren Lebensstil, Frauen öfter mit mentalen Belastungen zu kämpfen. Diese geschlechterspezifischen Unterschiede in der Medizin sind das Thema des diesjährigen Gesundheitsreports der Krankenkasse Barmer. Der zeigt: In Diagnostik und Behandlung wird nach wie vor zu wenig auf die Unterschiede zwischen Frau und Mann eingegangen.

Während Männer durch einen risikobereiteren Lebensstil häufiger verletzt auf der Arbeit fehlen, leiden Frauen im Vergleich öfter an psychischen Erkrankungen. Das geht aus dem jährlichen Gesundheitsbericht der Krankenkasse Barmer hervor. Die Krankenkasse legte darin in diesem Jahr den Fokus der Untersuchungen auf geschlechterspezifische Unterschiede bei gemeldeten Erkrankungen.

Frauen leiden häufiger als Männer an psychischen Erkrankungen

Demnach ist die Häufigkeit einer Verletzung von Männern im Vergleich zu Frauen doppelt so hoch. Frauen hingegen fehlten in den vergangenen Jahren am häufigsten wegen psychischer Erkrankungen. Zudem seien sie vor allem im Alter zwischen 30 und 49 Jahren deutlich öfter von Tumorbildungen betroffen als Männer.

Männer leben tendenziell ungesünder als Frauen.

Stefan Beier Soziologe Landesfachstelle Männerarbeit Sachsen

Insgesamt sei die Zahl der Verletzungen von Männern und Frauen in den vergangenen Jahren jedoch eher gesunken. Ein gegenläufiger Trend sei hingegen bei den psychischen Krankheiten zu erkennen: Sowohl Männer als auch Frauen meldeten sich immer häufiger unter anderem wegen Depressionen krank. Allerdings hätten junge Frauen im Schnitt rund 60 Prozent mehr Fehltage wegen psychischer Störungen als ihre männlichen Altersgenossen.

Frau auf Männersymbol gegenüber einem Mann auf Frauensymbol 93 min
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Kinder und Beruf führen zu seelischer Belastung

Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen, sieht den Grund dafür sowohl im Beruf als auch im Privaten: "Frauen arbeiten häufiger als Männer in Berufen mit engerem Kontakt zu Menschen. Sie helfen, pflegen und betreuen junge, alte oder kranke Menschen. Auch tragen Frauen in den Familien oftmals noch immer die Hauptlast bei der Kinderbetreuung. Vor allem berufstätige Frauen haben dadurch eine Doppelbelastung", so Magerl. Das koste auch seelisch sehr viel Kraft.

Lebenserwartung nur teilweise biologisch bedingt

Den größten Einfluss auf gesundheitliche Unterschiede hat laut Gesundheitsreport der allgemeine Lebensstil. "Männer leben tendenziell ungesünder als Frauen", sagte Stefan Beier von der Landesfachstelle Männerarbeit Sachsen zur Vorstellung des Reports. Dies sei auch an der unterschiedlichen Lebenserwartung zu erkennen. Diese werde aber vor allem durch Lebensstil, Verhalten und dem sozialen Kontext von Männern und Frauen beeinflusst. Lediglich ein Jahr des Unterschieds sei biologisch zu erklären, so Beier.

Unterschiede im Umgang mit Krankheiten

Auch der Umgang mit Erkrankungen weist laut Barmer Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Oft empfänden Männer eine Krankheit als lästiges Übel, so Stefan Beier. Auch falle es ihnen schwer, sich Hilfe zu suchen. So blieben beispielsweise viele Depressionen bei Männern oft unerkannt. "Die Forschung und Diagnostik müssen sich ändern", forderte der Soziologe deshalb.

Ähnliches sagte auch Kurt Miller von der Stiftung Männergesundheit bei "Dienstags Direkt" bei MDR SACHSEN - das Sachsenradio. Männer hätten oft einen schwierigen Zugang zu ihrer Gesundheit.

Die Barmer wertet jährlich die Daten ihrer rund 3,8 Millionen berufstätigen Versicherten in Deutschland aus. Die Gendermedizin - also die spezifische Diagnostik und Behandlung anhand der Geschlechter - rücke auch für die Krankenkassen zunehmend in den Mittelpunkt.

Verschiedene Symptome bei Herzinfarkt

Geschlechtsspezifisch unterschiedliche Symptome zeigten sich laut Barmer bei vielen Erkrankungen. Beispielsweise verspürten Männer bei einem Herzinfarkt häufig ein Druck- oder Engegefühl in der Brust und Schmerzen im linken Arm, bei Frauen gehörten eher Übelkeit und Rückenschmerzen zu den typischen Begleiterscheinungen beziehungsweise Vorboten. Häufig führe das noch immer zu einer verzögerten Notfallbehandlung, weil ein möglicher Infarkt lange unerkannt bleibe.

Medizinstudium muss angepasst werden

Wissenschaftler, Mediziner und auch Krankenkassen sind auf der Suche nach einer individualisierten Medizin - maßgeschneidert auf das jeweilige Geschlecht und entsprechend aller äußerer Faktoren. Auch in der Ausbildnung neuer Medizinerinnen und Mediziner solle das Beachtung finden, fordert Sebastian Paschen von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. "Wir Studierende sehen bereits während des Medizinstudiums viel Aufklärungsbedarf." Das Thema der geschlechtersensiblen Medizin sei in der aktuellen Gesetzesgrundlage für die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten nicht verpflichtend verankert. Es werde daher nicht verpflichtend an den Universitäten gelehrt, so Paschen. Das müsse sich schnellstmöglich ändern.

MDR (ben)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 07. September 2022 | 14:00 Uhr

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