Ein Garagenkomplex aus DDR-Zeiten ist zu sehen.
Für viele Garagengemeinschaften ist die Rechtslage auch 32 jahre nach dem Ende der DDR kompliziert, weil die Besitzverhältnisse nicht eindeutig geklärt sind. Bildrechte: IMAGO / Jens Koehler

Streit über Besitzverhältnisse Bautzen: OB zieht Kündigungen bei DDR-Garagen zurück

01. September 2022, 17:57 Uhr

Sie hatten zu DDR-Zeiten Garagen nach damals geltendem Recht auf dem Grund und Boden der Stadt Bautzen gebaut. In diesem Jahr bekamen diese Garagennutzer von der Stadt die Kündigung, weil ein Übergangsgesetz ausläuft, das ihren Besitz vorher gesichert hatte. Die Betroffenen waren verärgert. Der Fall wurde zum Streitthema auch bei den Oberbürgermeister-Wahlen im Juni. Nun macht das neue Stadtoberhaupt eine Kehrtwende, um die Wogen zu glätten. Die rechtlichen Hintergründe sind verzwickt.

Für die Garagenbesitzer, die zu DDR-Zeiten auf Grund und Boden der Stadt Bautzen eine Garage gebaut haben, hat die Stadt Bautzen eine Zwischenlösung gefunden. Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU) sagte dazu in der Stadtratssitzung am Mittwoch: "Wir haben entschieden, dass die jetzige Situation mit den Mietverträgen verlängert wird. In Rücksprache mit den Garageneigentümern wollen wir die Fragen nach Erwerb der Garagen sowie Grund und Boden klären."

Klaus-Jürgen Warnik 3 min
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In Bautzen sind 2.000 Garagenbesitzer und -besitzerinnen in 65 Garagengemeinschaften von Rechtsveränderungen betroffen. Hintergrund der Entscheidung des Oberbürgermeisters ist, dass am 3. Oktober 2022 das sogenannte Schuldrechtsanpassungsgesetz ausläuft, das sich auf den Einigungsvertrag von 1990 beszieht. Damit würden ab dann die DDR-Garagen ins Eigentum der Stadt Bautzen übergehen, ohne dass die Stadt dafür Entschädigungen zahlen muss. Mit der Pachtverlängerung ist das und das Kündigungsschreiben erst einmal vom Tisch.

Übergangsgesetz als Zwischenlösung

Die Garagengemeinschaften in ostdeutschen Städten und Gemeinden stellen oft eine komplizierte, rechtliche Situation dar. Zu DDR-Zeiten sei es üblich gewesen, dass Personen von einer Gemeinde ein Stück Land pachten und darauf eine Garage errichten durften, informierte die Stadt Bautzen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands kam das Problem: Nach BRD-Recht durfte es ab 1990 auch in Ostdeutschland keine Trennung zwischen dem Eigentum auf einem Grundstück und der darauf befindlichen Bebauung geben.

Ein Grundstückseigentümer sei somit auch Eigentümer aller auf dem Grundstück erbauten Dinge, heißt es. Mit der Wiedervereinigung wären die Garagennutzer eigentlich enteignet worden. Die Besitzer der Grundstücke wären auch die Besitzer der Garagen geworden. Durch das Schuldrechtsanpassungsgesetz wurde so eine Enteignung verhindert. Für die Garagenbesitzer änderte sich also mehr als 30 Jahre lang nichts: Sie zahlten weiter ihre Pacht an die Kommunen.

Stadt Bautzen: Unterschiedliche Behandlung nicht mehr möglich

Dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nun ändern, liege an der Vorbereitung zur Grundsteuerreform, die 2025 in Kraft treten soll, erklärte die Stadt Bautzen. Demnach müssten auch Auto-Stellplätze und Garagen ab 2023 umsatzsteuerlich neu bewertet werden. Die Krux am Schuldrechtsanpassungsgesetz ist, dass Garagennutzer unterschiedlich behandelt werden. Bei DDR-Verträgen bis 1990 sowie bei einigen genehmigten Eigentümerwechseln nach 1990 gelten die Nutzer der Garagen noch als deren Besitzer. Bei anderen Verträgen, die nach 1990 bereits als Mietverträge abgeschlossen wurden, ist die Stadt Bautzen schon Eigentümerin der Garagen.

Weil nun die Grund- sowie die Umsatzsteuer geändert wird, sei diese unterschiedliche Behandlung der Garagen nicht mehr haltbar, begründet die Stadtverwaltung ihr Vorgehen. Schon seit Mai 2022 lehnte Bautzen Übergaben und Verkäufe von DDR-Garagen ab. Zudem sollte zum 31. Dezember 2022 denjenigen Garagennutzern gekündigt werden, die noch keinen Mietvertrag nach bundeseinheitlichen Recht für ihre Garage haben. Bei den Betroffenen verursachte das großen Unmut.

Neuer Oberbürgermeister will Wogen glätten

Der im Juni neu gewählte Oberbürgermeister Karsten Vogt will nun den Konflikt lösen. Die geplanten Kündigungen seien bis 2022 ausgesetzt, heißt es von der Stadt. Im Jahr 2023 soll eine vertretbare Lösung gefunden werden. Bis Ende 2023 will die Stadt dazu mit allen Garagenbesitzen sprechen. Oberbürgermeister Vogt: "Es ist meine feste Überzeugung, dass wir auf diesem Weg rechtlich konforme und weitgehend gerechte Lösungen herbeiführen können, die beiden Vertragspartnern ein gutes Stück Sicherheit geben."

Es ist meine feste Überzeugung, dass wir auf diesem Weg rechtlich konforme und weitgehend gerechte Lösungen herbeiführen können, die beiden Vertragspartnern ein gutes Stück Sicherheit geben.

Karsten Vogt Oberbürgermeister der Stadt Bautzen
Blick in ein Waldstück mit grünen Nadelbäumen und Stämmen. 45 min
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MDR (phb)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten des Studios Bautzen | 01. September 2022 | 12:30 Uhr

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