Dada-Zentrum in Kamenz Mail-Art: Vernetzte Kunst über den Postweg

19. März 2023, 09:30 Uhr

Kunst wegen der Kunst machen und nicht für den Verkauf. Das ist Mail-Art. Man schickt eine Skizze oder einen Gedanken per Post durch die Welt und zurück kommt ein Gemeinschaftswerk. Solche Kollaborationen sind ab sofort in der Alten Posthalterei in Kamenz zu sehen.

Es sind bunte Collagen aus Buchstaben, Bildern, Geschriebenem und Gezeichnetem kombiniert mit Ausschnitten aus Magazinen, Zeitungen und überhaupt allem Erdenklichen, was sich zweidimensional auf ein Papier bringen lässt. In der sanierten Alten Posthalterei haben rund 300 Mail-Art-Werke der Künstler Frank Voigt, Volker Lenkeit und Petra Lorenz ihr Zuhause gefunden. Ein Teil der Arbeiten ist im Ausstellungsraum zu sehen. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff Mail-Art?

Die Kunst kommt mit der Post

Es ist zunächst einmal Kunst, die über den Postweg entstanden ist, wie der Dresdner Volker Lenkheit erklärt. Einer sei der Starter, so wie Lenkheit, als er die Idee hatte, Spielkarten zu gestalten. Die halbfertigen Collagen schickte er dann ab. "Eine Künstlerin aus Spanien hat dann den oberen Teil gemacht und dies wird dann weiter weltweit verschickt." An Künstler, die gern mitmachen wollten, so der 63-Jährige. Was an die Heimatadresse zurückkehrt, ist ein Ergebnis kreativen Zusammenwirkens. "Dazu gehört, dass man selbst überrascht ist, was herauskommt", sagt Lenkeit.

Man ist selbst überrascht, was herauskommt.

Volker Lenkeit Künstler

Mail-Art im Internet archiviert

Leidenschaftliche Mail-Art-Künstlerin ist Petra Lorenz. Sie befindet sich mit mehr als 60 internationalen Mailartisten in Korrespondenz. Mittlerweile spielen digitale Medien eine wichtige Rolle. "Facebook ist unsere Kommunikationsplattform", sagt die 62-Jährige. Dort werden neue Projekte angekündigt und Zwischeninfos gegeben, wenn ein Brief auf die Reise geht. Lorenz nutze die Plattform auch als Archiv.

Wir machen Gemeinschaftsarbeiten, die wir nicht verkaufen können. Aber wir können sie ausstellen.

Frank Voigt Künstler

Die originellen Schöpfungen sind für Frank Voigt - den Dritten im Bund - zu schade, als sie im Schubfach verschwinden zu lassen. "Von vornherein war klar, dass wir Gemeinschaftsarbeiten machen, die wir nicht verkaufen können, aber wir können sie ausstellen."

Mit der Zeit wuchs die Menge an Mail-Art und in Voigt der Wunsch ein festes Zuhause für sie zu finden. Die Idee des Dada-Zentrums war geboren. Am Freitag eröffnete es feierlich mit Musik und Performance an der Kamenzer Zwingerstraße. Es soll mehr als eine Ausstellungsfläche für Collagearbeiten sein.

Die Stadt Kamenz sieht hier Möglichkeiten, neue Angebote für Kinder und Jugendliche zu etablieren. Dafür wurde neben dem Ausstellungsraum eine Druckwerkstatt und ein Kreativbereich eingerichtet. Vor allem die Mail-Art-Collagen haben es Johannes Schwabe, Kurator des Kamenzer Sakralmuseums und nun auch des Dada-Zentrums, angetan.

"Mit Schere und Kleber zu arbeiten, ist eine schnelle Technik, man sieht schnell Ergebnisse. Das eignet sich pädagogisch sehr gut." Gerade weil junge Kinder nicht so einen langen Geduldsfaden hätten. Ein anderer Aspekt ist die die Idee des Gemeinschaftswerks, die sich sehr gut für Workshops eigne, so Schwabe.

Mail-Art-Aktion zum Kamenzer Einkaufssonntag

Neue Mail-Art entsteht schon in einer Woche am 26. März beim Kamenzer Einkaufssonntag. Dann lädt das Dada-Zentrum Groß und Klein zum Postkartengestalten ein. Material sei da, und es könne geschnitten, gestempelt, geklebt, gemalt und gedruckt werden, wie Schwabe ankündigt. Die entstandenen Postkarten können mitgenommen werden oder über den Briefkasten des Dada-Zentrums auf die Reise geschickt werden.

Dadaismus

Der Dadaismus war eine kulturkritische Kunstströmung, die sich in den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges herausbildete. Die Strömung führte künstlerische Disziplinen in provokanten, banalen oder chaotischen Ausdrucksformen zusammen. Mit Tabus wurde gebrochen, der Zufall galt als wichtiges schöpferisches Prinzip. Die Dresdner Dada-Gruppe entstand 1919 um den Komponisten Erwin Schulhoff und um die Maler Kurt Günther, Otto Griebel und Otto Dix. Bis heute bedienen sich Künstler und Musiker dadaistischen Gedankenguts.

Mail-Art

Mail-Art sind gemeinschaftlich über den Postweg geschaffene Kunstwerke mit offenem Ausgang. Die Kunstdisziplin hat sich teils aus der Fluxusbewegung der 1960er Jahre heraus entwickelt, bei der es weniger auf das Kunstwerk, sondern vielmehr auf die schöpferische Idee ankommt. Der Begriff "Mail-Art" etablierte sich in den 1970er Jahren. Über diese Korrespondenz schufen sich Künstler weltumspannende Netzwerke. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs zwischen den kapitalistischen und sozialistischen Ländern verlor Mail-Art an Bedeutung im politisch-gesellschaftskritischen Sinne.

MDR (ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 17. März 2023 | 16:30 Uhr

Mehr aus Bautzen, Hoyerswerda und Kamenz

Mehr aus Sachsen