Umstrittenes Projekt In Bautzen laufen Probebohrungen für eine neue Spreebrücke

02. April 2019, 15:40 Uhr

Künftig soll eine 200 Meter lange Brücke die Bautzener Altstadt mit dem historischen Protschenberg verbinden. Dafür laufen nun Probebohrungen. Nicht alle Oberlausitzer finden das Vorhaben gut. Sie fürchten um das Panorama und halten den Untergrund für so ein Großprojekt nicht geeignet. Es ist bislang auch noch offen, was es kostet und wer das Geld dafür gibt.

Ein leises Surren ist zu hören. Langsam wühlt sich der Bohrer in den Boden unter der Bautzener Ortenburg. Lutz Grimm bedient einige Hebel am Bohrfahrzeug. "Zwei Tage dauert eine Bohrung, wenn alles glatt geht", sagt der Unternehmer aus Hohenstein-Ernstthal.

Das Unternehmen Geotestbohrtechnik aus dem Erzgebirge übernimmt den praktischen Teil für ein Großprojekt, das am 2. April in Bautzen offiziell begonnen hat. Probebohrungen laufen auf dem Hof der historischen Ortenburg. Hier, wo Burgtheater, Sorbisches Museum und Oberverwaltungsgericht ihren Platz haben, wo Stadtführer Andreas Thronicker an diesem Vormittag eine Kindergruppe über den Platz begleitet, wird sich der Bohrer der Firma an drei Stellen 25 bis 30 Meter tief in den Untergrund hineinarbeiten. Mit rosa Farbe aufgesprühte Kreise kennzeichnen die ausgewählten Punkte. Durch die Arbeiten wird geprüft, ob der Untergrund sich eignet, um die Pfeiler einer etwa 200 Meter langen Fußgängerbrücke zu tragen. Die wünschen sich die meisten Bautzener Stadträte und auch die Verwaltung.

Sie soll über das idyllische Spreetal führen und die Altstadt mit dem Protschenberg nahe der Autobahn 4 verbinden. Hier gab es schon um etwa 1.000 vor Christus einen Burgwall. Heute tummeln sich auf diesem Platz zu Ostern immer Hunderte Menschen beim traditionellen Eierschieben. Dabei werden Plastik-Ostereier den Berg hinabgerollt, Kinder sammeln sie ein und tauschen sie ein gegen Süßigkeiten.

Webseite bündelt Argumente gegen die Brücke

Während die Kinder spielen, genießen die Erwachsenen die Aussicht. Die bietet den Blick auf die Altstadt mit Ortenburg und Handwerkerhäusern, auf Türme und Stadtmauer und aufs Spreetal mit dem Fluss und im Frühling mit vielen blühenden Büschen und Bäumen. Um dieses Panorama aber sorgen sich einige Oberlausitzer, sollte die Brücke kommen. Es werde so "verunziert", meint zum Beispiel Robert Lorenz, ein Ethnologe, der in der Nähe von Bautzen wohnt. Er hat eine Webseite namens "Spreebrücke" aufgebaut. Dort stehen Grundthesen und Beiträge, die sich gegen die Brücke aussprechen. Für Robert Lorenz ist die Brücke nicht notwendig. "Sie ist ein Stadtmarketing-Gag und ich habe das Gefühl, Bautzen braucht ein Ausrufezeichen", so Lorenz. Es gebe zwar die Forderung, den Umweltschutz zu beachten. "Aber das Thema Denkmalschutz spielt dabei kaum eine Rolle", sagt Robert Lorenz. Dabei sei unter anderem geplant, die Mauer der Ortenburg für den Neubau zu durchbrechen. Der Bautzener Kunsthistoriker Kai Wenzel nennt das Projekt auf der Internetseite einen "massiven Eingriff in die historisch gewachsene Bautzener Stadtlandschaft". Bislang seien es nur vier, fünf Personen, die sich über die Webseite gegen das Vorhaben engagieren, wie Initiator Robert Lorenz angibt. Wie sich das entwickelt, wenn Bautzen die Bürger durch Befragungen oder auf andere Weise einbezieht, sei offen.

Kein Geld aus SED-Vermögen für Brückenbau

Bautzen hat mehrere Gründe für den Bau der Brücke. Sie will die Stadt vom Verkehr entlasten und die Parkplatzsituation verbessern. Nahe dem Protschenberg gibt es einen Stellplatz für Pkw, der soll in Zusammenhang mit dem Brückenbau erweitert werden.

Außerdem ist es zu Fuß bislang weit oder mühsam, von der Altstadt zur Protschenberg-Aussicht zu gelangen. Entweder muss der Spaziergänger viele Treppen und Anstiege überwinden, an vielbefahrenen Straßen entlanglaufen, oder eben doch das Auto nehmen. Um die Probleme zu lösen, hatten Studenten der TU Dresden schon vor einigen Jahren die Brücken-Idee entwickelt. Geld dafür sollte aus dem Vermögen der einstigen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) kommen. Doch das scheint nicht möglich zu sein, wie Bautzens Stadträte auf ihrer jüngsten Sitzung erfuhren. "Die Förderbedingungen sind für ein so großes Vorhaben nicht machbar", sagt Baubürgermeisterin Juliane Naumann MDR SACHSEN auf Nachfrage. Dennoch – die Bohrungen laufen, erst auf dem Ortenburggelände, dann auf dem Protschenberg. Das berühmte Eierschieben auf dem Berg werde dadurch aber nicht beeinträchtigt. Das findet am Ostersonntag ab 10 Uhr statt. Nach den Bohrarbeiten entstehe bis Ende Mai eine Studie dazu, ob das Brückenprojekt überhaupt machbar ist, wie Bautzens Pressesprecher André Wucht mitteilte. Dann gebe es auch eine Kostenschätzung und einen Zeitplan. Parallel laufen Untersuchungen zu Umwelt- und Naturschutzfragen.

Quelle: MDR/nng

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio| 02.04.2019 | 08:30 Uhr in den Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen

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