Geruchsbelästigung Umweltministerium will Industrie-Altlast in Lauta sanieren lassen

22. Juni 2022, 15:27 Uhr

In Lauta beeinträchtigt die Einwohner seit Jahrzehnten übler Gestank aus Industrie-Altlasten. Studien haben ermittelt, was dagegen getan werden kann. Auf eine weitere Verminderung der Geruchsbelastung müssen die Lautaer aber weiter warten.

Hinterm Stadtpark in Lauta-Nord stinkt es seit Jahrzehnten. Dort fließt der Schleichgraben. Aus einem Rohr strömt eine übel riechende, schwarze Brühe in das Gewässer – eine Altlast des einst größten Aluminiumwerks in Europa. Die Aluminiumproduktion hat das Grundwasser im früheren Sumpfgebiet "Blaue Donau" verunreinigt mit Phenolen und Benzolen. Die Chemikalien sorgen für den Gestank. Ein vor 30 Jahren angelegtes Entwässerungssystem sollte das Grundwasser senken und den Gestank vermindern. Doch bis heute haben die Anwohner der Gartenstadt mit dem Geruch zu kämpfen.

"Die Belastung hat abgenommen, aber es ist immer noch merkbar", sagt Walter Blankenberg. Der 71-Jährige wohnt rund dreihundert Meter vom Schleichgraben entfernt. "Es gibt Wettersituationen, wo ich nicht im Garten sitzen kann, weil es stinkt. Das beeinträchtigt mich in meiner Lebensqualität", erklärt Blankenberg. Besonders bei Nebel, Trockenheit und ungünstigen Windverhältnissen ist der Gestank deutlich in Lauta-Nord zu riechen.

Experten: Ausgasungen sind nicht gesundheitsgefährdend

Über Jahre ließ das Landesumweltministerium prüfen, wie mit den Altlasten des ehemaligen Aluminiumwerks weiter umzugehen ist. Dabei seien vorhandene Untersuchungen nach neuen gesetzlichen Maßstäben und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen neu bewertet worden, erklärt Kathrin Riedel vom Umweltministerium. Am Dienstagabend hat sie die Ergebnisse des Sanierungsaudits in einer Einwohnerversammlung in Lauta vorgestellt. Die Experten stellten fest: Die Geruchsbelastung sei in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Sie sei aber immer noch zu hoch, berichtet Riedel. Gesundheitsschädlich seien die Dämpfe aber nicht. Das hätten Messungen ergeben.

Eine im Jahr 1992 angelegte Drainage mit einer Gesamtlänge von 2,5 Kilometern helfe den Gestank zu vermindern. Ganz beseitigen lässt sich der Phenolgeruch dadurch aber nicht. Außerdem sichert das Entwässerungssystem, dass sich der Grundwasserschaden nicht weiter ausbreitet.

Marode Drainage soll instandgesetzt werden

Das Problem: Die Drainage ist marode. Deshalb soll sie erneuert werden. Außerdem sind weitere Grundwassermessstellen geplant, um die Schadstoffbelastung zu überwachen. "Wenn der Grundwasserstand niedrig bleibt, lassen sich auch die Flächenausgasungen in der 'Blauen Donau' gering halten", begründet Kathrin Riedel. Außerdem soll das verunreinigte Wasser aus der Drainage anders in den Schleichgraben eingeleitet werden. "An den Einleitstellen, wo jetzt der Geruch sehr stark ist, soll durch geringfügige Änderungen erreicht werden, dass sich das Wasser besser in den Schleichgraben einlöst und nicht so starke Ausgasungen erfolgen", erklärt Riedel. Die Fachreferentin spricht da von gelochten Rohren, die das verunreinigte Wasser unter der Wasseroberfläche in den Schleichgraben einleiten sollen. Frühestens im Herbst 2024 könnte mit den Bauarbeiten begonnen werden.

Anwohner Walter Blankenberg sieht in der Reparatur der Drainage eine wirksame Maßnahme gegen den Gestank. "Eine Drainage setzt sich immer zu. Die muss ich kontinuierlich warten. Wenn das passiert, geht es vorwärts", ist der Lautaer überzeugt. Dennoch geht er nach der Einwohnerversammlung mit gemischten Gefühlen nach Hause.

Über die ganze Zeit gab es von den Behörden immer eine Art Hinhalte-Taktik. Heute haben wir endlich Termine erfahren.

Walter Blankenberg Anwohner

Unzufrieden macht ihn, dass die Behördenvertreter über die Sanierungsarbeiten nur in der Möglichkeitsform sprachen. "Ich sehe noch nicht, dass wirklich zu dem Termin 2024 bis 2026 was kommt", kritisiert Blankenberg. "Erst wenn die Bagger anrollen, weiß ich: Es geht voran." Ende 2022 will das Umweltamt mit den Flächeneigentümern zu den Sanierungsarbeiten verhandeln. "Wenn sich da einer querstellt, kommen wir nicht voran", sagt der Anwohner besorgt.

Der Sanierungsfall "Blaue Donau" Die sogenannte "Blaue Donau" in Lauta ist ein dünn besiedeltes ehemaliges Sumpfgebiet am Rande des ehemaligen Aluminiumwerkes und ein Teil des Ökologischen Altlastengroßprojektes Lautawerke. Schadstoffe aus den Teerteichen auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Lautawerke konnten sich über Jahrzehnte im Grundwasser der "Blauen Donau" ausbreiten. Eine Folge sind auch Geruchsbelästigungen für die Anwohner. Zur Entwässerung des Gebietes wurde in den 1920er Jahren zunächst ein offenes Grabensystem angelegt und später vertieft. 1992 entstand durch die Verrohrung der Gräben die jetzige Drainage. Quelle: Landesumweltministerium

Anwohner befürchten Verschärfung des Altlasten-Problems durch die Trockenheit

Auch andere Lautaer halten den Zeitplan des Umweltministeriums für "sportlich". Bisher seien versprochene Termine noch nie eingehalten worden, sagt Jens Bitzka. Sein Wohnhaus steht direkt am stinkenden Schleichgraben. "Das was uns heute vorgestellt wurde, wurde uns schon vor zwei Jahren versprochen." Kathrin Riedel vom Umweltministerium räumt ein: "Das ist eine Planung und keine feste Zeitschiene." Der Plan enthalte viele Unwägbarkeiten, die die Sanierung verzögern könnten. Beispielsweise müssen die Arbeiten europaweit ausgeschrieben werden. Außerdem seien Aspekte des Naturschutzes zu beachten. "Dass wir nur im Herbst bauen können und nicht im Sommer, weil dann die Vögel brüten, das schränkt unsere Bauzeit nochmal ein", blickt Riedel voraus.

Die Lautaer Gartenstadt - hier mit Wohnhäusern an der Parkstraße - soll zum grünen Tor zum Lausitzer Seenland werden. Dass der Weg an die Seen über einen stinkenden Graben führt, passe nicht zu diesem Wunsch, sagen Anwohner.
Die Lautaer Gartenstadt - hier mit Wohnhäusern an der Parkstraße - soll zum grünen Tor zum Lausitzer Seenland werden. Dass der Weg an die Seen über einen stinkenden Graben führt, passe nicht zu diesem Wunsch, sagen Anwohner. Bildrechte: MDR/Martin Kliemank

Jens Bitzka und viele andere Lautaer treibt aber etwas anderes um, was sie in den Planungen bislang nicht ausreichend berücksichtigt sehen: Die zunehmende Trockenheit in der Lausitz. Sie befürchten, dass der Schleichgraben bei Dürre kein Wasser von woanders mehr führt und das verunreinigte Wasser aus der "Blauen Donau" dann unverdünnt Richtung Erikasee fließt. Ihre Angst: Dass dann nicht nur der Gestank stark zunimmt, sondern auch Grenzwerte für eine gesundheitsgefährdende Belastung überschritten werden.

Lautaer verlangen die Prüfunterlagen leichter einsehen zu können

Die Hydrologin Cornelia Heller sieht das aber auch mit den geplanten Instandsetzungsarbeiten an der Drainage kommen. Die Fachfrau für Altlastensanierung wohnt seit 2015 nahe des Schleichgrabens.

Wenn es zur Baumaßnahme kommt, habe ich arge Bedenken. Das könnte krass werden. Es wird eine deutlich stärkere Geruchsbelästigung geben.

Cornelia Heller Anwohnerin

Heller befürchtet, dass durch die Erneuerung der Entwässerung zusätzliche Schadstoffe freigesetzt werden. Deshalb interessieren sie die Grenzwerte. "Sind die Dämpfe wirklich unbedenklich?", fragt sie und fordert Einsicht in die Unterlagen des Sanierungsaudits. Die Behördenvertreter versprechen Teile im Lautaer Rathaus auslegen zu wollen – ein kleiner Erfolg für die vom Gestank geplagten Einwohner der Lautaer Gartenstadt. Bisher waren die Dokumente nur in Kamenz und Dresden einzusehen.

Für ein anderes Problem kündigt Lautas Bürgermeister Frank Lehmann Abhilfe an. Im kommenden Winter soll der Schleichgraben freigeschnitten werden. Umgestürzte Bäume würden entfernt, Abflussbarrieren beseitigt, sagt Lehmann. Anwohner Jens Bitzka hatte kritisiert, dass der Graben zu einer "Kloake" verkommen sei und er seit 1990 sich selbst überlassen wurde. Die umgestürzten Bäume wirbeln das Wasser auf und verstärken so den Gestank, hat Bitzka beobachtet. Ein ruhig fließendes Gewässer bringe weniger Geruch, schlussfolgerte er.

MDR (mk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 22. Juni 2022 | 05:30 Uhr

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