Keine Personalnot Cunewalde zeigt wie Freibad-Betrieb auf dem Land funktionieren kann

28. Juli 2022, 19:40 Uhr

Der kleine Oberlausitzer Erholungsort Cunewalde leistet sich drei Schwimmmeisterinnen und Schwimmmeister, bildet selber Fachkräfte für den Bäderbetrieb aus und sichert damit nicht nur den Betrieb des eigenen Erlebnisbades. Ein Erfolgsmodell mit Seltenheitswert.

Das Freibad in Seifhennersdorf: Geschlossen. Das Wellness-Bad "Körse-Therme" in Schirgiswalde-Kirschau: Bis September zu. Im Juni musste das Spreebad in Bautzen für mehrere Tage dicht machen und auch die Wiedereröffnung des sanierten Jahnbads in Weißwasser stand eine Zeit lang auf der Kippe. Nicht nur in der Oberlausitz fehlt Fachpersonal für den Bäderbetrieb. Doch auf dem Land macht sich der Mangel an Schwimmmeistern besonders bemerkbar. Denn den Nachwuchs zieht es eher in die Schwimmbäder größerer Städte.

Eine Ausnahme bildet Cunewalde. Im Erlebnisbad des Erholungsortes sind drei Fachangestellte für Bäderbetriebe angestellt – unbefristet. Julia Schäfer arbeitet seit 2015 als Schwimmmeisterin in dem Freibad. Ihre Ausbildung hat sie im Trixi-Park Großschönau absolviert – in ihrem Heimatort. "Ich bin ein absoluter Familienmensch. Ich wollte noch nie großartig weg von zu Hause", sagt die 29-Jährige.

5.000 Einwohner-Gemeinde mit drei Spezialisten für den Badbetrieb

Seit dem sechsten Lebensjahr trainierte sie im TSV Großschönau das Sportschwimmen. So kam Schäfer auf den Gedanken, dass der Beruf der Fachangestellten für Bäderbetrieb der richtige Job für sie sein könnte. "Ich arbeite gern mit Menschen zusammen und gebe super gern Schwimmkurse", beschreibt Schäfer, was sie an ihrem Beruf liebt. Es sei ein abwechslungsreicher Job. Neben der Schwimmaufsicht gehören auch Gartenarbeit und Geländepflege, Reparaturen und Technikwartung zu ihren Aufgaben. Schäfer kann sich vorstellen, auch noch die Meisterausbildung zu machen, um Lehrlinge ausbilden zu können.

Julia Schäfers Chef Rico Koslowski hat den Meisterbrief schon in der Tasche. Zwei Lehrlinge haben bei ihm im Freibad Cunewalde bereits ihre Fachausbildung absolviert. Eine von ihnen gehört jetzt zu seinem Team im Erlebnisbad. Als die Körse-Therme in Schirgiswalde-Kirschau im März 2020 wegen der Corona-Pandemie schließen musste, übernahm Koslowski auch die Ausbildung des Azubis von dort. Seit dem Jahr 2000 sind in Cunewalde fünf Fachkräfte für den Bäderbetrieb ausgebildet worden.

Anfangs belächelt - jetzt Vorbild

Anfangs sei die Gemeinde dafür belächelt worden, erinnert sich Bürgermeister Thomas Martolock. Damals waren Lehrstellen Mangelware in der Region. "Wir wollten die Abwanderung der jungen Generation verhindern und ihnen hier Perspektiven bieten", beschreibt Martolock die Motivation zum Start der Schwimmmeister-Ausbildung. Cunewalde habe deshalb auch bewusst über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet. Davon profitiere nun das Umland. Alle Absolventen hätten im Umkreis von 15 Kilometern einen Job gefunden, betont Martolock.

Auch bei der Anstellung von Schwimmmeister und Badleiter Rico Koslowski hat die Gemeinde Mut bewiesen. Cunewalde hat Koslowski eingestellt, da war das Bad gerade von einem verheerenden Hochwasser zerstört worden. "Wir hatten zuerst den Leiter eines Erlebnisbades, aber kein Bad", blickt Thomas Martolock zurück. Doch dass Rico Koslowski die Sanierung des Bades begleitet hat, habe sich bezahlt gemacht. Cunewalde hat sich so eine Fachkraft gesichert und die Basis geschaffen für die Zukunft des Freibads. Auch dank der klugen Neugestaltung wurde das Bad zum Touristenmagneten. An heißen Tagen kommen eintausend Badegäste - im Jahr bis zu 33.000.

Kooperationen mit anderen Bädern auf dem Land unerlässlich

Leisten kann sich die Gemeinde ihre drei Schwimmmeister aber nur durch Kooperationsverträge mit anderen Bädern, wo die Cunewalder Angestellten regelmäßig aushelfen. Die drei Fachangestellten für Bäderbetriebe aus dem Erlebnisbad Cunewalde arbeiten immer wieder auch in Oppach, Großschönau und Zittau. Bis zum vergangenen Jahr haben Julia Schäfer und ihre Kollegin im Winter den Betrieb der Körse-Therme mit abgesichert. Auch mit Bautzen war man schon über eine Kooperation im Gespräch.

Ohne die Kooperationen mit anderen Bädern, hieße die Alternative: befristete Jahresverträge und Mitarbeiter, die im Winter zu Hause bleiben. "Das ist für junge Leute nicht attraktiv", ist Bürgermeister Martolock überzeugt. Deshalb habe er Partner ins Boot geholt, dank denen seine Schwimmmeister das ganze Jahr gut beschäftigt sind.

Schwimmmeister-Ausbildung beliebt wie lange nicht

Auch aktuell hat die Gemeindeverwaltung wieder eine Azubi-Stelle ausgeschrieben. Fünf Bewerbungen habe es schon gegeben - im Vergleich zu den Vorjahren ungewöhnlich viele. Doch kein Kandidat habe sich letztendlich für die Ausbildung in Cunewalde entschieden.

Dabei hat Schwimmmeister Rico Koslowski die Erwartungen an Bewerberinnen und Bewerber schon heruntergeschraubt: "Ich erwarte nicht mehr den Rettungsschwimmer Silber [Deutsches Rettungsschwimmabzeichen in Silber - verlang werden dabei 400 Meter Schwimmen in höchstens 15 Minuten, Anm.d. Red.], wie es zu meiner Zeit war, sondern dass sie sich vernünftig im Wasser bewegen können und die Sportschwimmtechniken zu erahnen sind." Kondition und gute Noten in den naturwissenschaftlichen Fächern setzt er ebenfalls voraus.

Ende für Sachsens Schwimmmeister-Schule reißt Lücken

Dem Cunewalder Beispiel zu folgen, ist schwieriger geworden. Sachsens Schwimmmeisterschule wurde dieses Jahr geschlossen. Grund seien bürokratische Hürden, sagt Rico Koslowski, der sich im Vorstand des Landesverbands Deutscher Schwimmmeister engagiert. Damit steht ganz Ostdeutschland ohne eine solche Ausbildungsstätte da. Die nächste Schwimmmeisterschule befinde sich in Nordrhein-Westfalen, sagt Rico Koslowski.

Die Schule in Sachsen habe pro Jahr mindestens 20 Meister und 35 Fachangestellte ausgebildet. Die fehlen jetzt. Koslowskis Prognose: "In den nächsten fünf Jahren werden 30 Prozent der ländlichen Bäder schließen."

In den nächsten fünf Jahren werden 30 Prozent der ländlichen Bäder schließen.

Rico Koslowski Badleiter Cunewalde

Cunewalde bereitet sich darauf vor, für seine Fachangestellten für Bäderbetrieb bald weniger Einsatzstellen in der Oberlausitz zu haben. Julia Schäfer und ihre Kollegin werden in den kommenden Wintern in der Gemeindeverwaltung aushelfen und sich voraussichtlich noch zur Verwaltungsfachwirtin ausbilden lassen.

MDR (mk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 28. Juli 2022 | 13:00 Uhr

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