Sport Mit Schweiß und Beharrlichkeit: Sportakrobatinnen in Hoyerswerda trainieren für WM
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07. September 2024, 10:30 Uhr
Wenn andere Sportvereine wegen der Hitze schon mal aufs Training verzichten, öffnet man in der Akrobatik-Halle in Hoyerswerda zum Lüften den Notausgang. Denn der Countdown läuft: Am Sonntag beginnen die Weltmeisterschaften in Portugal und gleich sieben Mädchen wurden nominiert.
Weiter, weiter und noch ein Stück: Wenn Caroline Wieland Dehnübungen macht, wird sie getriezt. Mittelfrau Lotte Tröster und Halterin Lea Schubert schauen auf jeden Zentimeter und drängen auf Perfektion. Caroline ist zwölf und damit die Jüngste im Damentrio des SC Hoyerswerda. Die Mädchen haben den wichtigsten Termin des Jahres vor sich. Das Trio und zwei weitere Duos des Sportclubs haben sich für die Weltmeisterschaften qualifiziert. Im September fliegen sie nach Portugal.
Training fünfmal in der Woche
Das bedeutet fürs Training Endspurt: fünfmal in der Woche je drei Stunden üben. "Das ist ein hartes Programm, auf jeden Fall", sagt die 17 Jahre alte Lotte Tröster. Sie üben alles doppelt, es geht um Ausdauer und darum, körperliche Grenzen auszureizen. Während Lotte Tröster bei Dreierelementen in der Mitte ist, muss die 16 Jahre alte Lea Schubert mit festem Stand beide Mädchen ruhig halten.
Wichtig ist, dass man keine Angst hat und sich ganz doll anspannt, sonst fällt man runter.
Oberfrau Caroline Wieland hingegen wird bei den Küren mit vermeintlicher Leichtigkeit durch die Luft gewirbelt. Höhenangst sollte sie da nicht haben, das wäre schlecht, sagt die Sportakrobatin. Sie habe sehr wohl auch einen Einfluss darauf, dass sie aus einem Salto sicher wieder aufgefangen werde. "Wichtig ist, dass man keine Angst hat und sich ganz doll anspannt, sonst fällt man runter", sagt das zierliche Mädchen.
Vater und Sohn coachen gemeinsam
Das Training des SC Hoyerswerda leitet Sergej Jeriomkin gemeinsam mit seinem Sohn Sascha. Sie wissen um den Druck, unter dem die Mädchen gerade stehen und sind gleichzeitig stolz auf die Leistungen. Erst im Juni 2024 holten sich die Hoyerswerdaer bei den Deutschen Meisterschaften alle neun Goldmedaillen. "Das gab es noch nicht, dass ein Verein alle möglichen Medaillen abgeräumt hat", sagt Sascha Jeriomkin.
Das gab es noch nicht, dass ein Verein alle möglichen Medaillen abgeräumt hat.
Bei neuen Elementen sichern Trainer die Kinder zunächst mit einem Seil. Mit dem Sicherungsgurt um die Hüften lässt sich Caroline nach den Dehnübungen von ihren Partnerinnen in die Höhe katapultieren. Sie springt einen doppelt gestreckten Rückwärtssalto. "Ein sehr schwieriges Element", sagt Trainer Sergej Jeriomkin anerkennend.
Der Salto will aber nicht hundertprozentig gelingen. Zwischen den Sprüngen kämpft Caroline mit der Enttäuschung und Lea holt ihr ein Taschentuch, um eine Träne wegzuwischen. Caroline muss lachen, fängt sich und setzt zum nächsten Versuch an.
Matten und Sprungbahn in der Halle
Auch die Damenduos mit Johanna Schöne und Nona Kara sowie Sophia Hermes und Liora Ebnet trainieren konzentriert. So eine WM-Qualifikation, das sei schon ein langer Prozess, sagt die zwölf Jahre alte Nona. "Aber unsere Halle ist mit am besten bei den Sportakrobaten." Hier stimmt ihre Partnerin, die 16-jährige Johanna, zu und zählt Sprungbahn, dünne Matten und Wettkampfmatten auf. "Das haben viele Hallen nicht und manche nur einen dünnen Boden – das reicht leider nicht aus für ein gutes Training."
Partnerin aus Oldenburg wohnt bei Gastfamilie
Sophia Hermes ist als einzige der sieben nominierten Sportakrobatinnen keine Oberlausitzerin. Die 19-Jährige stammt aus Oldenburg und wohnt in Hoyerswerda bei einer Gastfamilie. Seit Anfang 2023 trainiert sie in der Oberlausitz mit der mittlerweile 14-Jahre alten Liora. Denn in ihrer Heimat habe es keine passende Partnerin auf ihrem Akrobatik-Niveau gegeben. "Es ist leider so, dass manchmal der richtige Partner fehlt. Dann muss man deutschlandweit gucken, um erfolgreiche starke Formationen auf die Beine zu stellen", erklärt Trainer Sascha Jeriomkin.
Wunsch nach mehr Jungs
Der 23-Jährige war früher selbst Akrobatiksportler und weiß, man muss kämpfen, ohne Ende, damit man den Vorsprung beibehält. Aber es seien alle motiviert. "Wir wachsen wie eine Familie zusammen", sagt Sascha Jeriomkin. Aber ein paar mehr Jungen würde er sich noch im Team wünschen. Wegen der geringen Konkurrenz hätten die auch richtig gute Chancen.
Jungen haben bei uns richtig gute Chancen.
Mixed-Team schaut auf die EM
Zu den wenigen Jungen im Verein gehört Lewis Gröllich. Gerade eben hatte er mit seiner Partnerin Milena Lalkov eine Kür präsentiert. Nun steht er an der Matte, die Schweißperlen laufen ihm über die Stirn. "Man braucht ordentlich Kraft. Je mehr man hat, umso höher kann man werfen und umso einfacher wird es mit den Elementen", erklärt der 15-Jährige.
Man braucht ordentlich Kraft. Je mehr man hat, umso höher kann man werfen.
Trotz super Performance tritt das Duo nicht bei der WM in Portugal an. "Weil ich noch zu jung bin", sagt die elf Jahre alte Milena. Beide haben aber ein großes Ziel: Sie trainieren für die Qualifikation der Europameisterschaften im kommenden Jahr.
Milena ist übrigens die einzige Sportakrobatin im Verein, die die Muttersprache des Trainers beherrscht. Sergej Jeriomkin ist russischsprachiger Litauer und war im Jahr 2002 aus dem Baltikum nach Hoyerswerda abgeworben worden. Im Affekt fällt er gern ins Russische. "Dawai, dawai!", ruft der 57-Jährige dann zum Beispiel, was sich in etwa mit "zügig, zügig" übersetzen lässt.
"Manchmal, wenn Milena einen Fehler macht, dann redet er nur auf Russisch mit ihr, und ich muss mir denken, was er meint", sagt Lewis. Auf die Frage, ob Milena ihrem Partner das Besprochene im Nachhinein verrät, antwortet sie cool: "Eigentlich nicht."
Und das Erfolgsgeheimnis?
Ob WM oder EM, Sergej Jeriomkin wird wie in den vergangenen Jahren seine Sportlerinnen bei den Wettkämpfen begleiten. Er sei schon oft nach dem Erfolgsgeheimnis der Hoyerswerdaer gefragt worden. "Die machen das allein", sagt er lässig. "Im Sportclub haben wir so eine gute Atmosphäre geschaffen, dass sich die Kinder beim Training wohl fühlen. Und dann kommen gute Ergebnisse zustande und die Großen helfen den Kleinen. Alles läuft."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 16. August 2024 | 14:30 Uhr