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Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende vom Alstom-Werk in Görlitz, Toni Menzel, will, dass das Unternehmen den Beschäftigten ihr Urlaubsgeld zurückgibt. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Streit um den ZukunftsdealAlstom-Beschäftigte: "Wir wollen unser Urlaubsgeld zurück!"

27. Oktober 2024, 20:53 Uhr

Ein Deal zwischen Belegschaft und Konzernmanagement sollte den deutschen Alstom-Standorten Zeit verschaffen, um ihre Produktion auf sichere Füße zu stellen. Mit Ankündigung der Werkschließung in Görlitz für das Jahr 2026 verlieren die Görlitzer gleich doppelt: ihre Arbeitsplätze und Urlaubsgeld aus drei Jahren.

Die Alstom-Mitarbeiter in Görlitz fühlen sich hintergangen. Für die Zukunft ihres Werkes haben sie auf ihr Urlaubsgeld verzichtet. Doch nun wird der Standort dichtgemacht. "Die Hoffnung war damals, dass es weitergeht. Wir wollten zeigen, dass wir etwas positiv beeinflussen können", sagt ein betroffener Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, im Gespräch mit MDR SACHSEN. Jetzt, wo die Tage des Standortes in Görlitz gezählt sind, wollen die Beschäftigten ihr Geld zurück, auf das sie im Rahmen eines Deals mit der Konzernleitung verzichtet hatten.

Deal sollte deutsche Produktion retten

Als kurz vor Weihnachten 2021 Alstom ankündigte, an den deutschen Standorten 1.300 Beschäftigte zu entlassen, stand in Görlitz die halbe Belegschaft auf dem Spiel. Produktionen sollten stattdessen nach Osteuropa gehen. Betriebsräte und die Gewerkschaft IG Metall versuchten, unter dem Schlagwort "besser statt billiger" das Ruder herumzureißen.

Ein Konzept wurde entwickelt, um die Produktion in Deutschland zu halten - der Zukunftstarifvertrag. Er wurde nach 18 Monaten zähen Verhandlungen Anfang April 2023 für die Alstom-Betriebe Hennigsdorf, Görlitz, Bautzen, Siegen und Kassel mit insgesamt rund 5.000 Beschäftigten abgeschlossen.

Wir dachten, wir gewinnen Zeit, um Alstom zu zeigen: 'Hier in Görlitz können wir profitabel Wagenkästen bauen'.

Toni Menzel | stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Alstom in Görlitz

Für drei Jahre wurde vereinbart: "Die Beschäftigten sollten einen Betrag X als Sicherheit hinterlegen und die Firma hat mit Investitionen und Auftragsvergaben dafür zu sorgen, dass die Standorte ausgelastet sind", erklärt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende vom Görlitzer Waggonbauwerk, Toni Menzel. Wenn so die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden könne, bestünde die Payback-Option für das hinterlegte Geld.

Der Waggonbau in Görlitz läuft aus. Alstom verlegt den Wagenkastenrohbau schwerpunktmäßig nach Osteuropa. (Archivbild) Bildrechte: Uwe Walter

Der Betriebsrat war damals überzeugt, dass dieser Deal funktionieren kann. "Wir gewinnen drei Jahre Zeit, haben Beschäftigungssicherung und die Möglichkeit, durch die Produktivitätsverbesserung unseren Platz im Konzern zu finden und Alstom zu zeigen, 'Schaut mal her, hier in Görlitz können wir profitabel Wagenkästen bauen'", blickt Menzel zurück.

Kein Urlaubsgeld und weniger Zahlung in betriebliche Altersvorsorge

Für die Beschäftigten von Alstom sei es bei Weitem keine leichte Entscheidung gewesen, schüttelt der Mitarbeiter, der anonym bleiben will, den Kopf. Denn dieser Betrag X bestand aus Anteilen der betrieblichen Altersvorsorge und dem jährlichen Urlaubsgeld. Das Urlaubsgeld was ihm nun fehle, sei kein unerheblicher Betrag. "Es liegt im vierstelligen Bereich und es gibt viele Kollegen, die darauf angewiesen sind."

Es gibt viele Kollegen, die auf das Urlaubsgeld angewiesen sind.

Mitarbeiter bei Alstom in Görlitz

Relativ schnell nach der Freude über den Zukunftstarifvertrag kam dann die Ernüchterung, so der Mann. Waggonbau-Aufträge seien an die Standorte in Polen gegangen. "Auch wurden keine Investitionen gemacht, nur lebenserhaltende Instandhaltungen." Aber von der Geschäftsführung sei immer gesagt worden, man suche nach Lösungen.

"Es wurde nie gesagt, dass das Licht ausgeht. Und dann fährst du am 2. Oktober vor dem Feiertag mit dem Auto nach Hause und hörst die Nachricht, dass das Werk 2026 schließt." Der Mitarbeiter erinnert sich sehr gut an die schlechte Stimmung am darauffolgenden Montag. "Die Leute fühlen sich verarscht."

Viele Jahre kämpfen die Görlitzer um ihr Waggonbauwerk. 2026 ist laut Konzernleitung endgültig Schluss. (Archivbild) Bildrechte: MDR/IG Metall

IG-Metall: Konzern hat Maßnahmen nicht umgesetzt

"Alstom blieb bisher nicht nur die konsequente Umsetzung der Maßnahmen schuldig, sondern stieß im Februar ein weiteres Streichprogramm von bis zu 290 Stellen in Deutschland an", teilte der IG-Metall-Sprecher Artur Siemens auf Anfrage mit. Um nicht ein weiteres Jahr Urlaubsgeld einzubüßen, kündigte die IG Metall den Zukunftstarifvertrag einseitig. Ein bisher beispielloser Fall, wie die Gewerkschaft betont. Die IG Metall schätzt die Ansprüche der Alstom-Beschäftigten insgesamt auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag im Jahr.

Und dann fährst du am 2. Oktober vor dem Feiertag mit dem Auto nach Hause und hörst die Nachricht, dass das Werk 2026 schließt.

enttäuschter Alstom-Mitarbeiter

Alstom akzeptiert Aufkündigung des Zukunftsvertrags nicht

Alstom sieht dagegen seine Seiten im Vertrag als erfüllt an, wie das Konzernmanagement auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilen ließ. Aus Unternehmenssicht fehle die Grundlage für dessen außerordentliche Kündigung durch die IG Metall. "Wir nehmen dies mit Bedauern und Unverständnis zur Kenntnis", so das Statement. Auch machte man deutlich: Solange es keine gerichtliche Entscheidung gibt, werde man "den Tarifvertrag weiter uneingeschränkt umsetzen".

Im März 2025 treffen sich Alstom und IG Metall zum nächsten Verhandlungstermin vor Gericht. Gleichzeitig klagen bereits Beschäftigte von den Standorten in Siegen und Berlin vor Arbeitsgerichten auf die Rückzahlung ihres eingebrachten Urlaubsgeldes. Hier unterstütze die Gewerkschaft ihre Mitglieder, so die IG Metall. Am Montag sollen die ersten Klagen von Görlitzer Beschäftigten beim Arbeitsgericht Bautzen eingereicht werden.

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 25. Oktober 2024 | 05:30 Uhr

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