Eine Frau vor einem Zug
In der Oberlausitz ist am Freitag die Wiederinbetriebnahme der Bahnverbindung nach Seifhennersdorf gefeiert worden. Am Vormittag startete eine Jungfernfahrt. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Bahnverbindung wiederbelebt Kleines Wunder: In Seifhennersdorf fahren wieder Züge ein

09. Juni 2023, 19:33 Uhr

Die Strecke ist nicht lang, hat aber Symbolkraft. Nachdem nach der Wende viele Zugverbindungen aus wirtschaftlichen Gründen eingestampft wurden, gibt es jetzt die Kehrtwende. Erstmals seit vielen Jahren ist in Sachsen eine Bahnstrecke wiederbelebt worden.

Mit einer Spielzeugkelle hat sich die Seifhennersdorfer Bürgermeisterin Karin Berndt (UBS) gerüstet. Es gab einen stattlichen Blumenstrauß für den Zugfahrer. Anwohner standen mit Fähnchen am Bahnsteig. Sogar ein Lied wurde der Gleisstrecke gewidmet und live präsentiert. Punktum: Am Bahnhof in Seifhennersdorf herrschte am Freitag Feierlaune pur. Denn nach acht Jahren Stillstand fahren hier wieder Züge ein. Die kleine Grenzstadt hat nach langer Pause ihren Anschluss ans Eisenbahnnetz zurückbekommen.

Menschen stehen vor einer Bahn.
Bürgermeisterin Karin Berndt begrüßte den ersten Zug nach so vielen Jahren mit einer kleinen Sektdusche. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Ab Sonntag rollen täglich die Trilex-Züge

Mit dem kleinen Fahrplanwechsel am Sonntag fahren hier wieder täglich Trilex-Züge der Länderbahn von Seifhennersdorf über Varnsdorf in Richtung Zittau und Liberec und zurück. Etwa eine halbe Stunde sind Zugreisende künftig von Zittau nach Seifhennersdorf unterwegs, wo von nun an die Endhaltestelle der Linie L7 ist. Damit entfällt der jahrelange Schienenersatzverkehr mit Bussen ab Varnsdorf.

"Wir sind froh, dass wir mit der Trilex-Linie L7 nach so langer Zeit wieder bis zur Endhaltestelle Seifhennersdorf durchfahren und auf den jahrelangen Schienenersatzverkehr nun verzichten können", betont Stephan Naue, Geschäftsführer der Länderbahn GmbH.

Ein Mann vor Bäumen.
Stephan Naue, neuer Geschäftsführer der Länderbahn, freut sich über die verlängerte Strecke. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Wir sind froh, dass wir auf den jahrelangen Schienenersatzverkehr nun verzichten können.

Stephan Naue Geschäftsführer der Länderbahn

Viel Trubel bei der Jungfernfahrt

"Wunder dauern eben etwas länger", meint Seifhennerdorfs Bürgermeisterin gut gelaunt. "Man sieht, dass sich Hartnäckigkeit lohnt und man sollte auch an unmögliche Dinge glauben und die Hoffnung nicht aufgeben." Für Karin Berndt ist der Schienenverkehr nichts Nostalgisches, sondern das Fortbewegungsmittel der Zukunft, wie sie betont.

Zumindest bei der Jungfernfahrt am Freitag herrschte auf dem Bahnsteig dichtes Gedränge. Die Bürgerinnen und Bürger aus Seifhennersdorf ließen sich gern auf einen kurzen Pendelausflug ins drei Kilometer entfernte Varnsdorf mitnehmen. Wie das Angebot künftig angenommen wird, wird sich zeigen.

Nach acht Jahren Pause fährt wieder ein Zug nach Seifhennersdorf.
Viele Anwohner waren zum Bahnhof gekommen, um den ersten Zug einfahren zu sehen. Bildrechte: Jon Worth

"Momentan fährt man viel Auto, aber mit der Zeit wird das schon werden", meinte eine Seniorin, die zu DDR-Zeiten oft den Zug genutzt hatte. "Mit dem Auto ist es bequemer, als erst vom Bahnsteig dann in den Stadt zu rennen", schüttelt ein Anwohner skeptisch den Kopf. "Ich nehme den Zug garantiert und bin sehr froh, dass er wieder fährt", sagt eine Seifhennersdorferin, die unter anderem in Zittau Arzttermine wahrnimmt. "Ich brauche ihn jeden Tag", betont eine weitere Anwohnerin, "ich muss nach Großschönau auf die Arbeit".

Ausflug zur tschechischen Brauerei gefällig?

Doch nicht nur für Arzt- und Arbeitswege bietet sich die Verbindung an. Seifhennersdorf ist auch ein guter Start für eine Dreiländertour in der Freizeit. Gleich der erste Haltepunkt ist im benachbarten Varnsdorf die tschechische Brauerei "Kocour".

Ein Zug
Der Trilex hält jetzt unter anderem direkt an der Varnsdorfer Brauerei. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Weiter geht es dann von Tschechien ins deutsche Zittau, von dort fährt der Trilex drei Kilometer durch Polen, um dann in Tschechien Richtung Liberec zu rollen. "Es ist eine ungewöhnliche internationale Strecke", sagt begeistert Jon Worth, ein Brite, der seit zehn Jahren in Berlin lebt. Der Blogger und Europafan nimmt seit einiger Zeit internationale Zugverbindungen unter die Lupe und ist am Freitag extra nach Seifhennersdorf gereist.

Blogger engagiert sich für internationalen Zugverkehr

Worth ist beruflich viel in Europa unterwegs und fragt sich, warum internationales Bahnfahren so schlecht funktioniert. Er hat deshalb das Projekt #Cross Border Rail gestartet. "Ich habe bis jetzt 130 internationale Bahnlinien in Europa untersucht", sagt Worth. Er freut sich, dass es in Seifhennersdorf geklappt hat und die Strecke wieder bedient wird.

Ein Mann in einem Zug
Jon Worth untersucht internationale Zugverbindungen und engagiert sich für einen besseren Bahnverkehr durch Europa. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Viele EU-Bürger wohnen in Grenzregionen und brauchen internationale Züge.

Jon Worth Blogger und Zugexperte

Hauptsächlich sei es hier um die Sicherheit am Bahnübergang mitten im Ort gegangen. "Das war relativ einfach zu lösen. Aber auch hier hat es acht Jahre gedauert. Das System Bahn kommt ziemlich langsam voran", findet der Brite.

Der Bahnübergang in Seifhennersdorf soll eine moderne Sicherungsanlage erhalten.
Noch steht hier eine Ampel. Aber der Bahnübergang in Seifhennersdorf soll demnächst eine moderne Sicherungsanlage erhalten. Bildrechte: Jon Worth

Jon Worth will mit seinem Projekt auf politischer Ebene Druck machen. Viele EU-Bürger wohnten in Grenzregionen und bräuchten internationale Züge. Doch oft funktioniere der Datenaustausch zwischen den Zugunternehmen der verschiedenen Länder nicht oder Kauf und Gültigkeit von Tickets seien umständlich gelöst.

Die Länderbahn hat die kurze Grenzüberquerung zwischen Seifhennersdorf und Zittau geregelt. Es gilt das normale Verbundticket und man könne sogar mit dem Deutschlandticket international, also ins tschechische Varnsdorf, fahren, sagt Katerina Hagen, Sprecherin der Länderbahn.

Das ist die Strecke Seifhennersdorf – Varnsdorf - Im März 2015 war die Strecke aus sicherheitstechnischen und bahnrechtlichen Gründen stillgelegt worden.
- Mit der Novellierung des Eisenbahngesetzes 2019 entfiel dann diese hohe Norm für Regionalbahnstrecken, zu der auch die Strecke von der Bundesgrenze über Seifhennersdorf nach Eibau gehört.
- 2022 konnte der Deutschen Regionaleisenbahn GmbH die Betriebserlaubnis vom Freistaat Sachsen ausgereicht werden. Darin eingeschlossen ist auch die provisorische Haltlichtanlage für den Bahnübergang Nordstraße in Seifhennersdorf.
- In nächster Zeit sollen die Bahnübergänge an der Nordstraße und Südstraße eine modernere Sicherungsanlage bekommen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 09. Juni 2023 | 11:30 Uhr

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