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Kreativ-FestivalGroß und Klein bauen Stadtmöbel für Weißwasser

12. Oktober 2022, 20:41 Uhr

Weißwasser soll schöner werden und jeder darf mitmachen. Möglich ist das bei der Baufabrik auf dem Bahnhofsvorplatz im Rahmen eines Kultur- und Baufestivals. Hier entstehen Bänke, Podeste und Tische, die später, überall in der Stadt verteilt, genutzt werden dürfen. Die Einwohner von Weißwasser können in dieser Woche mit Zimmerleuten und Architekten vor dem Bahnhof ins Gespräch zu kommen, ihre Ideen für die Gestaltung der Stadtmöbel einbringen und auch selbst zum Akkuschrauber greifen.

Wie ein Profi hantiert Daven mit dem Akkuschrauber und fügt die Bretter für ein Podest zusammen. Der Sechsjährige von der Kindertagesstätte "Ulja" ist hochkonzentriert bei der Sache. Der fünfjährige Faisal geht ihm dabei zur Hand. Und natürlich gibt es immer Schützenhilfe von einem Erwachsenen. Die Ameisengruppe der städtischen Kita ist an diesem Mittwochvormittag zum Workshop auf dem Bahnhofsvorplatz gekommen. Dort steht in dieser Woche eine Baufabrik mit Sägen, Bohrern, Schleifgeräten und allerlei Handwerkszeug bereit. Daneben stapeln sich helle Bohlen aus Lärchenholz.

Es geht uns darum, diesen Platz hier zu aktivieren.

Sophie Netzer | Raumstrategin von Construct-Lab

"Wir waren am Montag schon auf Entdeckungstour hier", sagt Erzieherin Beate Mettke. Die Kinder durften das frische Holz anfassen, daran riechen, die Struktur fühlen. Man sei sehr herzlich empfangen worden. "Die Kinder waren ganz begeistert", freut sich die Kindergärtnerin. An diesem Mittwoch werde nun selbst gebaut und gemalt.

Unter dem Titel Kultur- und Baufestival hat die Stadtverwaltung Zimmerer, Designer und Architekten des Berliner Netzwerks namens Construct-Lab für ein Projekt vor dem Bahnhof nach Weißwasser geholt. "Es geht uns darum, diesen Platz hier zu aktivieren", erklärt Sophie Netzer, Künstlerin und - wie sie sagt - Raumstrategin von Construct-Lab. Alle seien eingeladen mitzubauen. So wie die Kinder, die gerade Kreidebilder auf den Platz malen. Die Zeichnungen dienten als Inspiration für die Gestaltung des Podestes, das später bei ihrer Kita stehen werde, erklärt die 28-Jährige.

Baufabrik mit gefülltem Auftragsbuch

Auf großen Tafeln hängen Skizzenblätter für weiteres Stadtmobiliar. Die Wünsche kommen beispielsweise von einem Seniorenheim und von der Eishalle. Das Auftragsbuch der öffentlichen Stadtmöbelbaufabrik sei gut gefüllt, sagt Alexander Römer, Kopf des Construct-Lab-Netzwerkes. Beim letzten Projekt hatten die Macher von Construct-Lab zeitweise eine Druckwerkstatt in der neuen Spielstätte des Schweriner Theaters eingerichtet. Das Theater wollte so mit den neuen Nachbarn zusammenkommen, erklärt der 50-Jährige.

Das Ziel ist gemeinsam Möbel für den öffentlichen Raum zu bauen und zu gestalten.

Alexander Römer | Construct-Lab

Hier in Weißwasser wird nun geschraubt. "Das Ziel ist gemeinsam Möbel für den öffentlichen Raum zu bauen und zu gestalten", sagt der Architekt und Zimmermann. So bekomme man einen Bezug und eine Verantwortlichkeit für die Möbel. Alexander Römer hofft, dass sie dadurch auch die Zeit besser überdauern. Die Bauweise der Sitzmöbel sei recht einfach. Man könne sich also die Techniken leicht aneignen und dann später selber weitermachen.

Bunte Truppe aus Architekten, Künstlern, Handwerkern

Unter dem Holzgerüst der Baufabrik, die die Arbeitenden vor Regen schützt, bohrt gerade Patrick Hubmann Löcher in ein Brett. Der 48 Jahre alte gebürtige Österreicher ist aus Portugal zur Bauwoche in die Lausitz gereist. Seit zehn Jahren ist der Designer und Tischler Teil von Construct-Lab. "Unsere Projekte sind in ganz Europa verstreut. Wir sind eine bunte Truppe", erzählt er. Am besten gefielen ihm die vielen Gespräche mit den Menschen aus Weißwasser, die er in den vergangenen Tagen hatte.

180.000 Euro kostet das Baufestival in Weißwasser. Es wird komplett von der Kulturstiftung Sachsen finanziert. Mit dem einwöchigen Ereignis wolle man auch Ideen austesten, wie der Bahnhofsvorplatz attraktiver gestaltet werden kann, betont Dorit Baumeister, Referatsleiterin für Bau und Stadtplanung in Weißwasser. Sie weiß, wie dringend ihre Stadt mehr Aufenthaltsqualität benötigt.

Bahnhof als urbaner Anlaufpunkt

Weißwasser habe keine funktionierende Innenstadtlage. "Wenn wir hier nichts tun, werden wir weiter empfindlich schrumpfen", so die Referatsleiterin. Deshalb stelle man sich jetzt strategisch komplett neu auf. Um die Menschen davon zu überzeugen, nach Weißwasser zu ziehen, müsse man mit hohem Anspruch und dem Wenigen, was man tun könne, das Beste herausholen.

Die Chance, die sich uns jetzt bietet, wird nie wieder kommen.

Dorit Baumeister zu den Kohlegeldern

Von dem wirtschaftlichen Aderlass nach der Wiedervereinigung hat sich Weißwasser bis heute nicht erholt. Nun kommt auch noch der Kohleausstieg. Ein Lichtblick sind die hohen Geldsummen für die Strukturwandelprojekte im Zuge des Ausstiegs aus der Braunkohlegewinnung. "Die Chance, die sich uns jetzt bietet, wird nie wieder kommen", ist Dorit Baumeister überzeugt.

Mit mehr als vier Millionen Euro soll im nächsten Jahr endlich das Bahnhofsgebäude saniert werden. Klappt der Zeitplan, dann könnten dort Ende 2024 neben dem Reisecenter und dem Bahnstellwerk die Stadtbibliothek und ein Bistro mit Lesecafé einziehen. Der Bahnhof soll ein urbaner Anlaufpunkt werden, sagt Dorit Baumeister.

Präsentation und Probesitzen am Wochenende

Jetzt und hier entstehen erst einmal Sitzgelegenheiten. "Weißwasser braucht mehr Sitzbänke", ist Simon Breth überzeugt. Er koordiniert gemeinsam mit Cordelia Polinna das Kultur- und Baufestival. Weißwasser habe das Problem, dass es eine Service-Stadt sei, sozusagen das Umland bediene. Viele Leute kommen mit dem Auto hier rein. Mit den Sitzbänken soll mehr Aufenthaltsqualität geschaffen werden, für Leute, die in Weißwasser wohnen und ihn nicht als Transitort nutzen, sagt Simon Breth.

Mehr als 20 Stadtmöbelstücke sollen bis zum Sonnabend fertig sein. Sie werden übers Wochenende auf dem Bahnhofsvorplatz präsentiert und ab Montag dann dorthin verteilt, wo sie benötigt werden.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 13. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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