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Noch wird an der Straße zum Kirchsaal der Brüdergemeine Herrnhut gebaut - genauso wie am touristischen Konzept samt Audioguides und mehr Gästeführern. Das Interesse an der Stadt ist seit dem Welterbetitel gewachsen. Bildrechte: MDR/Viola Simank

TourismusMehr als Sterne: Zieht Welterbe-Titel mehr Menschen nach Herrnhut?

01. November 2024, 12:00 Uhr

Bisher war die Herrnhuter Sterne-Manufaktur der größte Tourismusmagnet für die kleine Stadt Herrnhut. Doch seit Ende Juli gehören die Siedlungen der Brüdergemeine zum Unesco-Welterbe. Neben Siedlungen in den USA, Irland und Dänemark darf sich also auch Herrnhut als Gründungsort der Brüdergemeine mit dem Welterbetitel schmücken. Wird die Stadt jetzt neu von Besuchern entdeckt?

Drei Monate nach der Verleihung des Welterbetitels geht es in Herrnhut noch immer sehr beschaulich zu. Auf den Straßen und Plätzen rund um den Zinzendorfplatz von Herrnhut sind nur wenige Menschen unterwegs. Stößt der Welterbe-Titel also nur auf verhaltenes Interesse? Keineswegs, sagt Christiane Vollprecht. Sie ist für die Gästearbeit bei der Brüdergemeine zuständig. Wer sie anruft, der will mehr über die Brüdergemeine wissen, interessiert sich für deren Geschichte und das Gemeindeleben.

Viel Besuch in den ersten Wochen

Besonders in den ersten Wochen nach der Entscheidung seien deutlich mehr Einzelgäste nach Herrnhut gekommen, sagt Christiane Vollprecht. Viele hätten erzählt, dass sie vom Welterbe-Titel in den Nachrichten gehört hätten und sich das nun selbst anschauen wollten. "Die Menschen haben sich gefreut, das Interesse war da, es war wirklich eine schöne Stimmung." Aber es habe keinen ganz großen Ansturm gegeben, Reisegruppen- und -busse hätten sie nicht überrannt.

Die Menschen haben sich gefreut, das Interesse war da, es war wirklich eine schöne Stimmung. Aber das jetzt ganze Busladungen gekommen wären, das habe ich so nicht erlebt.

Christiane Vollprecht | Herrnhuter Brüdergemeine

Sterne-Manufaktur bleibt Besuchermagnet

Die Busladungen kommen eher zur Herrnhuter Sterne-Manufaktur, ein paar Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt. Mit rund 75.000 Gästen im Jahr bleibt sie der Besuchermagnet für die Stadt. Seit August hat hier schon die Sterne-Saison begonnen und je näher die Weihnachtszeit rückt, desto mehr Besucher werden es.

Deswegen, sagt Jaqueline Schröpel von der Sterne-Manufaktur, könne man schlecht sagen, ob wegen des Welterbe-Titels nun mehr Menschen zu den "Sternen" kämen. Allerdings sei schon spürbar, dass im Stammhaus der Herrnhuter Sterne im Zentrum von Herrnhut mehr Besucher vorbeischauen.

Schlichte Architektur zieht an

Einige Manufaktur-Besucher haben aber auch die Brüdergemeine im Blick, so wie ein Ehepaar aus dem Erzgebirge. Sie wollen sich die "weiße Kirche" anschauen, also den ganz in weiß gehaltenen Kirchsaal der Brüdergemeine. Auch das Zinzendorf-Schloss in Berthelsdorf bei Herrnhut steht auf ihrem Plan.

Andere interessiert vor allem die typisch schlichte Architektur der Brüdergemeine. "Die Sterne sind ja bekannt. Das ist ganz interessant zu sehen, wie sie hergestellt werden. Aber die Architektur der Brüdergemeine interessiert uns mehr", erzählt ein Mann aus Offenburg, der mit seiner Frau in der Oberlausitz Urlaub macht.

Die Sterne sind ja bekannt. Das ist ganz interessant zu sehen, wie sie hergestellt werden. Aber die Architektur der Brüdergemeine interessiert uns mehr.

Tourist aus Offenburg

Was Herrnhut zum Weltkulturerbe machtDie Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine in Herrnhut, Christiansfeld in Dänemark, Bethlehem in den USA und Gracehill in Nordirland bilden seit Sommer 20024 eine transnationale Welterbestätte.

Die Siedlungen der Herrnhuter seien überall nach denselben Grundsätzen geplant und würden sich dennoch durch regionale Besonderheiten auszeichnen, begründete die Unesco den Titel. Im einheitlichen Städtebau und der schlichten Architektur würden sich die Ideale der Religionsgemeinschaft und ihre gemeinschaftsorientierte Lebensweise widerspiegeln.

Herrnhut ist Gründungsort der Brüdergemeine. Die Freikirche hat inzwischen weltweit mehr als 1,2 Millionen Mitglieder in 47 Ländern.

Wer findet den Weg von den Sternen zur Brüdergemeine?

Solche Gäste wünscht sich Konrad Fischer, der bei der Stadt für den Tourismus und das Heimatmuseum zuständig ist. Für ihn sei die Frage spannend, ob Herrnhut durch den Welterbetitel mehr als bisher von den vielen Besuchern der Sternemanufaktur profitieren könne, sagt er. In den vergangenen Jahren fand nur ein Bruchteil von ihnen den Weg zu anderen Einrichtungen in der Stadt, wie dem Völkerkundemuseum, dem Heimatmuseum oder auch dem Zinzendorf-Schloss.

Etwa 7.000 Gäste im Jahr zählt beispielsweise die Touristinformation mit dem Heimatmuseum, rechnet Konrad Fischer vor. Ebensoviel noch einmal das Völkerkundemuseum. Allerdings sei die Dunkelziffer bei der Erfassung der Touristen groß, denn es würden nur diejenigen gezählt, die in die Museen oder die Touristinformation gingen.

Konrad Fischer ist für Tourismus und Kultur in Herrnhut zuständig. Er leitet auch das Heimatmuseum, in dem die Touristinfo untergebracht ist. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Spürbar mehr Interesse in der Touristinfo

Dass nach dem Welterbetitel mehr Menschen nach Herrnhut kommen werden, ist für Konrad Fischer sicher. Ein Vorgeschmack habe es in den ersten Tagen und Wochen nach der Titelvergabe gegeben. In der Touristinformation habe man knapp ein Drittel mehr Gäste gezählt, sagt der Amtsleiter.

Auch die Anfragen nach Infomaterial seien spürbar in die Höhe gegangen. Manche Gäste würden inzwischen auch sehr kurzfristig nach Führungen fragen: "Sie rufen früh an und wollen am Nachmittag eine Führung", meint Fischer. Das Interesse sei zwar schön, bringe die Touristinfo aber manchmal in eine schwierige Situation.

Hohe Erwartungen durch Welterbetitel

Es sei bei einigen die Erwartungshaltung da, dass Herrnhut mit dem Welterbetitel gleich die touristische Infrastruktur von Null auf Hundert hochgefahren hat, auch personell. "Das ist natürlich nicht der Fall", sagt Konrad Fischer. Denn bis zur Titelvergabe Ende Juli sei nicht sicher gewesen, ob das Welterbe wirklich kommt. Deshalb habe man vorher auch keine zusätzliche Stadtführer ausgebildet, in Audioguides investiert oder ähnliches.

Die Erwartung ist bei manchen: Jetzt habt ihr den Titel und ihr seid sofort von Null auf Hundert mit eurer touristischen Infrastruktur, personell mit einem Haufen Stadtführern ausgestattet. Das ist natürlich nicht der Fall.

Konrad Fischer | Leiter des Kultur- und Fremdenverkehrsamtes Herrnhut

Herrnhut arbeitet an touristischem Konzept

Aber die Stadt arbeitet daran. Perspektivisch soll ein Welterbe-Besucherzentrum eingerichtet werden, aber das wird wohl noch ein paar Jahre dauern. Wesentlich schneller wird wohl die Ausbildung ehrenamtlicher Gästeführer gehen, sie wird in den kommenden Monaten stattfinden. Außerdem werde wahrscheinlich auch ein Audioguide kommen, sagt Konrad Fischer. Ebenso seien Informationen per QR-Code an wichtigen Gebäuden der Stadt denkbar. All das werde zur Zeit gerade geprüft, um sich gut auf das kommende Jahr vorzubereiten.

Denn nicht nur Konrad Fischer rechnet damit, dass die Gästezahlen dann spürbar nach oben gehen werden. Viele Reiseunternehmen würden verstärkt nach Informationen fragen, um das Welterbe in Herrnhut in ihr Angebot mit aufzunehmen. Auf Busse ist Herrnhut übrigens jetzt schon gut vorbereitet: Erst vor drei Jahren ist am Stadtrand ein großer Parkplatz auch für Reisebusse entstanden.

Festkonzert aus Anlass des Weltkulturerbe-TitelsFreitag | 1. November 2024 | 19 Uhr
Zinzendorf-Schloss Berthelsdorf | Kulturspeicher

Das Ensemble Polyharmonique und das Wrocław Baroque Orchestra unter der Leitung von Jarosław Thiel spielen barocke Festmusik von Johann Sebastian Bach und seinen Zeitgenossen.

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 28. Oktober 2024 | 16:30 Uhr