Forschungsprojekt Zittau: Ausstellung beleuchtet NS-Machtergreifung in der Oberlausitz

16. September 2023, 11:54 Uhr

Nach drei Jahren intensiver Forschung zeigt das Kulturhistorische Museum Franziskanerkloster in Zittau in der Ausstellung "Zittau 33" Stationen der sogenannten "Machtergreifung" 1933 durch die Nationalsozialisten. Dabei werden für Zittau besondere Aspekte präsentiert, wie das Grenzlandtheater, das an der tschechischen Grenze als Bollwerk deutscher Kutur errichtet wurde. Zudem wird im Schloss Hainewalde eine neue Dauerausstellung eröffnet, die sich dem 1933 dort eingerichteten Konzentrationslager widmet.

Vorausgegangen war der Ausstellung "Zittau 33 – Machtergreifung in der südlichen Oberlausitz" ein dreijähriges Forschungsprojekt, in dem am Kulturhistorischen Museum Franziskanerkloster die bisher noch kaum betrachtete Geschichte der sogenannten "Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten in Zittau untersucht wurde – jenseits der großen Metropolen, exemplarisch für andere Klein- und Mittelstädte.

Es wirkt etwas irritierend und reflexartig schreckt man ein wenig zurück angesichts des großen Hakenkreuzbanners, das sich im Ausstellungssaal bis fast unter die Decke spannt. Gleichzeitig vermittelt das knallige Rot einen Eindruck davon, welche Wirkung die unzähligen Exemplare auf die Menschen in Zittau ausgeübt haben müssen, mit denen der Marktplatz und ganze Straßenzüge am 30. Januar 1933 und auch danach nahezu tapeziert waren. Eine Inszenierung, die die Schwarzweiß-Aufnahmen in der Ausstellung nur bedingt wiedergeben können. 

Auffällig ist in Zittau, dass sich der Umbau der NS-Gesellschaft zur angestrebten deutschen "Volksgemeinschaft" in einem rasanten Tempo vollzog. Sicher nicht zuletzt, weil die Nationalsozialisten hier zahlreiche Unterstützer hatten. Zumindest zeigen die Wahlergebnisse, dass die NSDAP in Zittau, wie auch in anderen sächsischen Städten, deutlich mehr Stimmen erhielt als andernorts in Deutschland.

Frühe Bücherverbrennungen in Zittau

Bezeichnend für Zittau ist beispielweise auch, dass bereits im März 1933 – und nicht, wie man es aus anderen Städten weiß, im Mai – die Bücher verfemter Autorinnen und Autoren öffentlich verbrannt wurden. Das zeige diesen vorauseilenden Gehorsam, dass die Leute bereit waren, mitzumachen, und darauf gewartet haben, so Ausstellungskurator Bartholomäus Nowak.

Inszeniert hat diese Szene der Künstler Frank Hiller mit einem großen verkohlten Bücherstapel, aus dem eine Stimme die Namen von Autorinnen und Autoren vorträgt, deren Bücher damals verbrannt wurden. Im Hintergrund läuft ein Video, das historische Aufnahmen dazu zeigt, aber auch aktuelle Nachrichtenbilder von Neonaziaufmärschen, die in ihrer Ästhetik stark an die Inszenierungen von damals erinnern. Den Bezug zur Gegenwart herzustellen ist ein Anliegen der Ausstellung, "... dass man da eben merkt, was es wirklich bedeutet, wenn so eine Demokratie zerstört wird", sagt der Direktor der Zittauer Museen, Peter Knüvener, "und wie so etwas innerhalb von kürzester Zeit passiert."

Erstmal wird geredet, wird Propaganda gemacht – aber wenn man dann gewählt ist, dann schlägt man los und dann geht es ratzfatz. Und das ist eigentlich das Schockierende und das muss ein für alle Mal eine Warnung sein.

Peter Knüvener, Direktor der Zittauer Museen

Ein Bollwerk deutscher Kultur – das Grenzlandtheater

Einer der Themenkomplexe in der Ausstellung beschäftigt sich mit dem ehemaligen Grenzlandtheater, heute Spielstätte des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz/Zittau. Durch die unmittelbare Nähe zur Tschechoslowakei wurde es geplant und ab 1934 dann gebaut als Bollwerk deutscher Kultur – auch mit Blick auf die Volksgenossen im Nachbarland.

Vorbild für das monumentale Haus waren die Thingstätten, diese von den Nationalsozialisten geplanten, arenenartigen Freilichbühnen, auf denen Mythos, Heroismus und Führerkult gepflegt wurden.

Bereits im Frühjahr 2023 gab es dazu eine Inszenierung im Zittauer Theater. Aus recherchiertem Material, originalen Zeitungsartikeln, alten Spielplänen und der Rede des damaligen Intendanten zur Eröffnung 1936 wurde dabei eine szenische Installation entwickelt. Es war ein Parcours durchs Haus, begleitet von kurzen Schauspielszenen, die vom Alltag im Grenzlandtheater erzählen: von Proben, der Stückplanung und Arbeiten am Haus. In der aktuellen Schau kann man dies noch einmal per Video verfolgen.

Geschlagen, gefoltert, getötet – das KZ Hainewalde

Relativ schnell nach der "Machtergreifung" setzte auch in und um Zittau eine Verhaftungswelle ein. Untergebracht wurden die Gefangenen im nahegelegenen Schloss Hainewalde, in dem ab März 1933 ein sogenanntes "Schutzhaftlager", ein Vorläufer der späteren Konzentrationslager, eingerichtet worden war.

Diese improvisierten Gefangenenlager gab es damals überall im Deutschen Reich, in Sachsen mehr als 100, darunter Burg Hohnstein in der Sächsischen Schweiz, Schloss Colditz und eben das Schloss Hainewalde. Etwa 1.000 Häftlinge, politische Gegner der Nationalsozialisten, aber auch Juden wurden hier geschlagen, gequält und zum Teil getötet – bis das KZ dann im August 1933 wieder aufgelöst wurde.

Natürlich gäbe es auch Meinungen, die sagten, dass das Zeigen dieser vier Monate im Rahmen von Schlossführung dem Schönen des Schlosses schaden würden, sagt Jan Zimmermann vom Förderverein zur Erhaltung des Kanitz-Kyawschen Schlosses Hainewalde e.V. und schiebt gleich hinterher, dass er und seine Mitstreiter das anders sähen.

Geschichte ist nicht dazu da, dass man einzelne Punkte, die einem nicht gefallen, ausklammert. Das wäre genau der falsche Weg.

Jan Zimmermann, Förderverein zur Erhaltung des Kanitz-Kyawschen Schlosses Hainewalde e.V.

In der Schlossgeschichte nimmt dieser Aspekt zwar nur einen kurzen Zeitraum ein. Dem Förderverein, der sich um die Erhaltung des Gebäudes kümmert, war es dennoch wichtig, mit der jetzt entstandenen Dauerausstellung im Erdgeschoss an dieses dunkle Kapitel des Hauses zu erinnern.

Die Ausstellung "Zittau 33" – Machtergreifung in der südlichen Oberlausitz"
Sonderausstellung vom 16. September 2023 bis 24. März 2024

Kulturhistorisches Museum Franziskanerkloster
Klosterstraße 3
02763 Zittau

Dauerausstellung zum 1933 im Schloss eingerichteten Konzentrationslager:

Schloss Hainewalde
Kleine Seite 31
02779 Hainewalde

Redaktionelle Bearbeitung: op

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Journal am Morgen | 16. September 2023 | 08:10 Uhr

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