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Im Landkreis Görlitz ist ein sogenannter "Problemwolf" zum Abschuss freigegeben worden. Der Bundesforst hat am Mittwoch abgelehnt, bei der Entnahme des Tieres zu helfen. Bildrechte: imago/Nature Picture Library

Oberlausitzer ProblemwolfWeidmannsfrust statt Weidmannslust im Landkreis Görlitz

09. Februar 2023, 19:51 Uhr

In der Oberlausitz ist ein sogenannter Problemwolf vom Landratsamt zum Abschuss freigegeben worden. Doch nun findet sich niemand, der den Wolf aus den Revieren unweit von Löbau töten will. Die einheimische Jägerschaft hält sich zurück. Auch der Bundesforst hat am Mittwoch ein Amtshilfeersuchen des Görlitzer Landratsamtes abgelehnt. Der Wolf hatte in Krappe mehrfach hohe Maschendrahtzäune eines Wildgatters überklettert, um Damwild zu reißen.

Ein Wolf bei Löbau hat das Klettern gelernt. Wie Gevatter Fuchs über Maschendrahtzäune hangelt, um an das Federvieh zu gelangen, stieg dieser Wolf über einen zwei Meter hohen Schutzzaun eines Wildgatters in Krappe. Sein Ziel: Damwild. Dort hat er 24 Tiere gerissen. Weitere Wolfsrisse bei Schafen gab es in unmittelbarer Nachbarschaft in Prachenau und in Weißenberg. Immer waren die gerissenen Nutztiere nach gesetztlichen Richtlinien ausreichend geschützt.

Auch in Krappe war der Maschendraht vorschriftsmäßig einen halben Meter tief im Erdreich versenkt, um ein untergraben zu verhindern. Der graue Räuber kletterte über den Zaun. Die Fähigkeiten werden dem Wolf oder der Wölfin nun möglicherweise zum Verhängnis, denn der Landkreis Görlitz hat das Tier zum Problemwolf erklärt und damit zur Entnahme, das heißt zum Abschuss, freigegeben. Ein Schütze findet sich indes nicht.

Ein Schütze für den Wolf wird gesucht

Grünes Licht für den Schießbefehl kam vor einigen Tagen aus dem Umweltministerium von der Fachstelle Wolf. Die einheimische Jägerschaft hält sich bislang zurück, will die sogenannte Entnahme nicht vornehmen. Deshalb hat der Görlitzer Landrat Stephan Meyer den Bundes- und Sachsenforst um Amtshilfe gebeten.

Der Bundesforst lehnte das Ersuchen am Mittwoch ab: "Im vorliegenden Fall hat der Betriebsleiter entschieden, das Amtshilfeersuchen abzulehnen, da der potentielle Handlungsraum abseits von Betreuungsflächen des Bundesforstbetriebes liegt." Der Truppenübungsplatz Oberlausitz, den der Bundesforst betreut, ist knapp 40 Kilometer Luftlinie entfernt. Selbst wenn dem Amtshilfeersuchen zugestimmt worden wäre, könnte die Behörde ihre festangestellten Förster oder Jäger nicht anweisen, den Abschuss vorzunehmen: "Maßnahmen zur Entnahme von streng geschützten Tieren setzen beim Bundesforst Freiwilligkeit voraus."

Auseinandersetzungen im Revier befürchtet

Beim Sachsenforst wird das Amtshilfeersuchen vom Landkreis Görlitz derzeit noch geprüft. "Weitere Angaben können erst nach Abschluss der Prüfung gemacht werden", hieß es. Zur weiteren Vorgehensweise in Sachen Problemwolf beantwortet auch der Landkreis keine Anfragen von MDR SACHSEN mehr: "Aufgrund des derzeit laufenden Verfahrens können keine konkreten Auskünfte erteilt werden."

"Das ist ein hoch emotionales Thema", räumte vor einigen Tagen der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) ein. "Die Jäger befürchten erneut unangenehme Auseinandersetzungen mit Tierschützern."

Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer sucht einen Schützen, der einen Wolf bei Löbau erlegen kann. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Vor einigen Jahren hatte ein Wolf am Rand des Truppenübungsplatzes Oberlausitz in den Revieren um Gablenz und Weißkeißel für Aufsehen gesorgt. Damals erklärte sich der Bundesforst bereit, die Entnahme des an Räude erkrankten Tieres zu unterstützen. In einem anderen Fall besetzten Tierschützer die betroffenen Reviere. Einige krochen laut Anwohnern in Tarnkleidung durchs Unterholz, um den Wolf vor dem Abschuss zu bewahren. Waldwege und Zufahrten wurden dafür blockiert. Jäger berichteten weiterhin von Beschimpfungen vor Ort, in den sozialen Medien und zerstörten Ansitzen und Kanzeln.

"Das müssen wir nicht noch einmal haben", fasst ein Weidmann aus der Niederschlesischen Oberlausitz die Meinung vieler Jagdgenossen zusammen. MDR SACHSEN hat mit mehreren Jägern gesprochen, doch keiner von ihnen will seinen Namen in Zusammenhang mit dem Abschuss von Wölfen hören oder lesen.

Der Schütze muss kein Jäger sein

Die Entnahme eines Wolfes ist nach Ansicht der Behörden keine Jagd, nur müssen die betroffenen Jagdpächter gemäß der Sächsischen Wolfsmanagementverordnung dazu gefragt werden. Deshalb muss der Schütze keinen Jagdschein besitzen. Auch Polizisten oder Angehörige der Bundeswehr könnten demnach den Problemwolf von Krappe abschießen. Idealerweise würde man dann aber auf einen Polizisten zurückgreifen, der auch Jäger ist, erklärte vor einigen Tagen der Görlitzer Landrat Stephan Meyer. Der Landrat muss nunmehr schnell den Schießbefehl vollstrecken lassen, denn für den Abschuss gibt es ein befristetes Zeitfenster.

Wie und woran erkenne ich einen Wolf?

Auf die Ferne ist es meist sehr schwer, einen Wolf von einem Hund zu unterschieden, beispielsweise von Schäfer- oder Wolfshund. Auch mancher Mischling ähnelt einem Wolf, wenn dieser auf Brautschau in Wald und Feld von Dorf zu Dorf zieht. Am leichtesten unterscheidet man den Wolf vom Hund über den Schwanz. Hunde zeigen mit ihrer Rute ihre Stimmung an. Sie ist variabel: gestreckt, steil, eingeklemmt und meist in Bewegung. Wölfe haben eine gestreckte, meist gerade oder leicht gesenkte Rute. Auch die Ohren bieten einen wichtigen Hinweis: Es gibt beim Wolf keine eingeklappten Spitzen oder Schlappohren. Vielmehr gleichen die Ohren einem kleinen Dreieck und sind aufgerichtet.

Wann wird ein Wolf zum "Problemwolf"?

Zum Problem wird ein Wolf, wenn er sich nicht mehr artgerecht verhält, beispielsweise seine natürliche Scheu gegenüber Menschen ablegt - auch wenn er innerhalb von Siedlungen auf Futtersuche oder Jagd geht. Wenn er Nutztiere als Nahrungsquelle bevorzugt und dafür Sicherungsmaßnahmen überwindet, wird das Tier ebenfalls problematisch. Zum Problemwolf kann auch ein Tier werden, dass sich immer wieder mit Hunden paart.

Können Wölfe klettern?

MDR SACHSEN hat mit einigen Jägern gesprochen. "Wölfe können klettern, um Zäune zu überwinden. Selbst Stacheldraht hält sie nicht auf. Es gibt Videos davon", weiß einer der Jäger zu berichten. Ein anderer Jäger macht die Schutzzäune verantwortlich, die zur Abwehr der Afrikanischen Schweinpest (ASP) im Landkreis aufgestellt worden sind. "Um diese ASP-Zäune zu überwinden, muss der Wolfsnachwuchs das Klettern lernen." Wölfe können demnach aus dem Stand mehr als zwei Meter hoch springen.

Warum findet sich kein Schütze unter den Jägern?

Jäger befürchten Auseinandersetzungen, sowohl im Revier als auch Anfeindungen in den sozialen Medien. In einem anderen Fall seien jagdliche Einrichtungen wie Ansitze zerstört worden, hieß es aus der Jägerschaft. Weiterhin sei das Wild durch Tierschützer im Revier beunruhigt worden. Zudem gab und gibt es auch in der Jägerschaft unterschiedliche Auffassung zur Bejagung von Wölfen.

Was passiert, wenn nicht der sogenannte Problemwolf, sondern ein anderer Wolf abgeschossen wird?

Dann hat der Problemwolf laut Görlitzer Landrat Meyer Glück. Möglicherweise müssen danach die Behörden erneut über eine weitere Entnahme entscheiden und diese beantragen, weil die zeitliche Frist für den Abschuss abgelaufen ist.

Wie lange dauert es, bis ein Wolf erlegt ist?

Es gibt für die Entnahmen einen vorgegebenen Zeitraum von mehreren Wochen. Einzelheiten dazu wollten die Behörden nicht bekannt geben. Bei einem ähnlichen Fall wurde der Wolf nicht erlegt, sondern er war verschwunden. Möglicherweise hat das Tier sein Revier gewechselt, ist verstorben oder wurde illegal erlegt.

MDR

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 09. Februar 2023 | 05:30 Uhr