Eine junge Frau lacht
Mal abschalten und sich nicht von den Weltnachrichten verrückt machen lassen, empfiehlt Glückswissenschaftlerin Saskia Rudolph. Bildrechte: imago images/deandrobot

Interview Zufrieden und stressfrei trotz Dauerkrise? Das rät eine Glücksforscherin

08. Oktober 2022, 06:00 Uhr

Im Landkreis Görlitz hat die Woche der seelischen Gesundheit begonnen – mit einem Glückskongress. Wie sich das Wohlbefinden in Krisenzeiten stärken lässt, hat MDR SACHSEN die Glückforscherin Saskia Rudolph gefragt. Ihr Hauptanliegen: Die Menschen sollten sich in Krisenzeiten stärker bewusst machen, was das eigene Leben tatsächlich beeinflusst.

Frage: Frau Rudolph, Sie sind Glückswissenschaftlerin. Wie zufrieden sind die Sachsen?

Saskia Rudolph: Im Glücksatlas, den die Deutsche Post jährlich heraus gibt, belegen die neuen Bundesländer wie auch Sachsen immer die letzten Plätze.

Woran liegt das?

Ich will da jetzt gar nicht in irgendwelche Gemengelagen reingehen. Aber wenn Menschen das Gefühl haben, sie sind über Jahre hinweg in verschiedenen Bereichen benachteiligt worden, dann ist das immer ein Garant dafür, dass sie sich unzufriedener fühlen. Wenn man das Gefühl hat, es werden Entscheidungen an mir vorbei getroffen… Wenn ich viele Umbrüche in meiner Biografie erlebt habe, die dazu geführt haben, dass Dinge passiert sind, für die ich nicht so richtig dafür konnte. Das alles schmälert unser Glücksempfinden.

Aktuell gehen wieder mehr Menschen auf die Straße. Welche Rolle spielt es für das Wohlbefinden, gut in die Gesellschaft eingebunden zu sein?

Es spielt tatsächlich die Rolle. Bei allen Studien zum Thema 'Was ist ausschlaggebend für die Lebenszufriedenheit?' kommt immer wieder heraus: Was uns am längsten glücklich und zufrieden hält, ist das Eingebundensein in gute soziale Netzwerke, in starke Verbindungen zu anderen Menschen. Wenn uns das abhanden gerät, wenn wir das Gefühl haben, wir gehören nirgendwo mehr so richtig hin, desto schlechter geht es uns. Viele Menschen suchen deshalb auch Zuflucht bei Gemeinschaften, die nicht so positiv besetzt sind. Für sie ist das der einzige Punkt, an dem sie sich zugehörig fühlen.

Die Ergebnisse des Glücksatlasses stammen von Ende 2021. Zur Pandemie kamen neue Krisen hinzu. Wie stark beeinträchtigt das die Lebenszufriedenheit der Sachsen?

Sehr. Die Wissenschaft sagt, wir leben in einer Zeit der Stapelkrisen. Wenn eine Krise im Griff scheint, kommt eine neue dazu. Die Corona-Krise haben Wissenschaftler ganz gut durchmessen. Dort ist es belegbar, dass die mentale Gesundheit extrem gelitten hat – gerade bei Kindern und Jugendlichen. Aber auch Frauen sind die großen Glückseinbüßer der Coronakrise, weil sie leider wieder in Rollen zurückgefallen sind, die sie schon lange hinter sich gelassen hatten. Es ist ausschlaggebend, wie gut man für solche Krisenzustände gewappnet ist. Menschen, die sehr resilient sind – also sehr stark und psychisch stabil, die kommen damit sehr viel besser klar als Menschen, die dazu neigen, Angst zu haben.

Wie kann man sich mental für einen dauerhaften Krisenzustand wappnen?

Das Wichtige ist zu erkennen: Auf was kann ich Einfluss nehmen und da zu gucken: Achte ich gut auf mich? Achte ich gut auf die Menschen, die ich besonders mag, mit denen ich zusammenlebe? Achte ich auf Menschen, von denen ich weiß, dass sie öfter alleine sind, denen es nicht so gut geht, die aber in meinem erreichbaren Kreis sind? Das hilft tatsächlich am meisten: Selbst darauf zu achten, stark zu bleiben, gesund zu bleiben, durchzuatmen. Man sollte nicht den ganzen Tag Nachrichten konsumieren, sondern bewusst auch Pausen einlegen und sich sagen: Ich schaue auf mein Leben ohne den Rest zu ignorieren.

Gibt es ein Rezept wie sich die Lebenszufriedenheit trotz wachsender Sorgen steigern lässt?

Wir empfehlen da, sich einen Kassettenrecorder mit seinen Tasten vorzustellen. Ich fange mal mit Rückspulen an: Hat man in der letzten Zeit Dinge gemacht, die man als Kind gern getan hat? Verbringt man Zeit mit Menschen, die in der Vergangenheit sehr wichtig für mich waren? All das Gute aus der Vergangenheit bewusst wieder in die Gegenwart und Zukunft zu holen, das hilft. Auf der anderen Seite gilt es aber auch zu gucken – da sind wir bei der Vorspulen-Taste – wo will ich eigentlich hin? Was ist mir persönlich wichtig? Gehe ich Schritte in eine Zukunft, die mir gut tut oder bin ich zum Beispiel im Arbeitsleben in einem Hamsterrad gefangen?

Die Pause bedeutet das bewusste Nutzen von Auszeiten, von Rausgehen, von Abschalten. Die Aufnahme-Taste steht für die Leute, mit denen ich mich umgebe. Dass man guckt: Mit wem verbringe ich meine Zeit? Tun mir diese Menschen gut? Sind das Leute, die mich stark machen oder sind das Leute, die noch mehr Energie ziehen? Das ganze Thema Medien - wem höre ich zu? Wo drücke ich die Aufnahme-Taste und wo sage ich bewusst: 'Das ist keine gute Quelle für mich.' Und die Play-Taste bedeutet zu schauen: Welche Dinge treiben mich an, die mich in Schwung bringen, die mich in Zustände versetzen, in denen es mir gut geht. Wenn man das immer mal wieder mit diesen Tasten macht, sind das schon die besten Dinge für ein zufriedenes Leben.

Suchen Menschen in diesen Zeiten bewusster nach ihrem Glück?

Ja, das ist so. Aber in den vergangenen zehn Jahren gab es ständig neue Glücksratgeber. Die Buchhandlungen waren voll davon. Das wurde sehr reduziert auf dieses 'Du musst dich nur genug anstrengen, dann kannst du total glücklich werden.' Psychologen und Psychotherapeuten sehen das sehr kritisch. Man muss aufpassen, dass man dem Einzelnen nicht zu viel zumutet.

MDR (mk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 07. Oktober 2022 | 14:30 Uhr

3 Kommentare

wo geht es hin am 08.10.2022

Womit man so alles Geld verdienen kann....
"Die Menschen sollten sich in Krisenzeiten stärker bewusst machen, was das eigene Leben tatsächlich beeinflusst."
Und daraus aber auch die richtigen Schlüsse ziehen.
"Viele Menschen suchen deshalb auch Zuflucht bei Gemeinschaften, die nicht so positiv besetzt sind."
Ach? Und was "positiv" ist, entscheidet eine Glücksforscherin? Na dann viel Glück!
"Für sie ist das der einzige Punkt, an dem sie sich zugehörig fühlen."
Wenn sich niemand sonst für die Sorgen und Nöte dieser Menschen interessiert - ja wo sollen die sonst hin?
"All das Gute aus der Vergangenheit bewusst wieder in die Gegenwart und Zukunft zu holen, das hilft."
Das sollte sie mal den Grünen erzählen - ob die das guddi finden?
"Was ist mir persönlich wichtig? Gehe ich Schritte in eine Zukunft, die mir gut tut oder bin ich zum Beispiel im Arbeitsleben in einem Hamsterrad gefangen?"
Was wäre die Alternative? Bürgergeld? Und wer erarbeitet dann den Lohn für die "Glückswissenschaft"?

hinter-dem-Regenbogen am 08.10.2022

# "All das Gute aus der Vergangenheit bewusst wieder in die Gegenwart "

Der Mensch ist keine Maschine. Er ist somit auch nicht mit Tastendruck bedienbar.
Auch wenn derweil eine Kleine Minderheit glaubt, dass mit Umerziehung die Probleme dieser Welt lösbar wären. Stichwort, Minimalismus oder Sparen oder veganes bzw. koscher Leben . . . "Schuld am Allen sei das Klima"

Kein Wort darüber, über den Geifer nach globaler Macht, nach WeltOrdnung und dem Geld, bzw. dem Fluß des Geldes. Und zu diesem Zweck hat sich eigens eine Geldindustrie etabliert, welche das Leben der Menschen schwer macht.

> Wer ist denn wirklich an dem Glück der Menschen, ausser dem Eigenen interessiert ?

Als Glücksforscherin, das muß ich eingestehen, bezieht man ein Alleinstellungsmerkmal. Es gehört aber schon ein ganz dickes Fell dazu, den Menschen deartiges zu verkaufen.

Bummi am 08.10.2022

Bei der Realität drücken wir einfach die Stopptaste an unserem virtuellen Rekorder und schon sind wir glücklich.

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