Zwischenbilanz Benzinpreise: Wirkt der Tankrabatt in Sachsen?

17. Juni 2022, 13:50 Uhr

Die aktuell niedrigere Energiesteuer auf Kraftstoffe sollte Menschen oder Unternehmen, die auf das Auto angewiesen sind, von den hohen Kosten an den Tankstellen entlasten. Kritik gab es bereits vor der Steuersenkung auf Zeit: Die Sorge kam auf, dass die Mineralölkonzerne den Tankrabatt nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Doch stimmt das? Eine Zwischenbilanz nach gut zwei Wochen Spritpreisbremse.

Seit dem 1. Juni gilt in Deutschland der sogenannte Tankrabatt. Und obwohl Experten vorausgesagt hatten, dass wohl erst Tage später die Steuererleichterungen auch bei den Kundinnen und Kunden ankommen würde, kam es ganz anders: Direkt am ersten Tag sanken zumindest kurzzeitig die Preise. Das zeigen Daten der Markttransparenzstelle, die das datenjournalistische Team SWRdata ausgewertet hat.

Deutliche Preissenkungen - allerdings nur für kurze Zeit

Am 31. Mai betrug der durchschnittliche Superbenzinpreis pro Liter in Sachsen noch 2,22 Euro, waren es am 1. Juni noch 1,93 Euro pro Liter. Im Tagesdurchschnitt sank der Preis also um rund 29 Cent pro Liter.

Nicht ganz so extrem waren die Preisänderungen beim Diesel: Am 31. Mai lag der durchschnittliche Literpreis noch bei 2,02 Euro, am Folgetag noch bei 1,91 Euro. Hier konnten Autofahrerinnen und Autofahrer also im Schnitt elf Cent pro Liter sparen. Doch der Effekt hielt insgesamt nur kurz an. Bereits seit zwei Wochen steigen die Preise wieder an.

Aktuell liegen in Sachsen die Preise für E5-Benzin bei durchschnittlich 1,98 Euro pro Liter (Stand: 14.06.2022). Damit ist etwa das Preisniveau von Anfang März erreicht. Seither hatten die Mineralölkonzerne sowohl die Diesel- als auch die Benzinpreise deutlich erhöht. Für Dieselkraftstoff müssen Kundinnen und Kunden in Sachsen derzeit einen Durchschnittspreis von 2,05 Euro pro Liter zahlen (Stand: 14.06.2022). Damit liegt der Dieselpreis inzwischen höher als vor dem Tankrabatt.

Warum sind Preise für Benzin und Diesel so sehr gestiegen?

Seit Ende Februar sind die Preise für Diesel und Benzin stark gestiegen. So lässt sich beispielsweise am Dieselpreis ablesen, dass es zwischen dem 24. Februar und 10. März dieses Jahres eine durchschnittliche Preissteigerung von mehr als 39 Prozent gegeben hat.

Als einen Anlass dafür sehen Experten den Beginn des Kriegs in der Ukraine. Die Rohölpreise waren in diesem Zusammenhang extrem gestiegen.

Wie setzen sich Benzin- und Dieselpreis zusammen?

Die Preise für Kraftstoffe setzen sich aus vielen unterschiedlichen Komponenten zusammen. Zum einen ist der Rohölpreis Grundlage für die Berechnung. Hinzu kommen verschiedene nationale Steuern, wie die aktuell gesenkte Energiesteuer, die CO2- und Mehrwertsteuer (19 Prozent), aber auch die Erdölbevorratungsabgabe. Die Steuerabgaben gehören zu den größten Posten. Doch auch Verarbeitungskosten, Transport sowie Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Außerdem unterliegt der Kraftstoffpreis den Schwankungen des Dollarkurses. Ist der Dollar stark, steigt auch der Kraftstoffpreis.

Woher stammen die aktuellen Daten? Datenjournalisten des Südwestrundfunks (SWR) haben den SWR-Tank-Monitor ins Leben gerufen. Beobachtet wird, wie sich die Preise an den 15.000 Zapfsäulen in Deutschland entwickeln. SWRdata bezieht die Daten über den bei der Markttransparenzstelle zugelassenen Verbraucherinformationsdienst 123tanken. Für die Berechnung fließen alle Preisänderungen der aktiven und gemeldeten Tankstellen ein. Das Datenteam des MDR hat die Zahlen für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ausgewertet.

Kommt der Tankrabatt bei den Autofahrern an?

Eine der wohl am heftigsten diskutierten Fragen der vergangenen Tage lautet: Kommt die Spritpreisbremse bei den Verbrauchern an oder bereichern sich aktuell vor allem Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber? Zunächst lässt der Anstieg der Preise in den vergangenen zwei Wochen vermuten, dass die niedrigeren Energiesteuern auf Kraftstoffe nicht oder nur eingeschränkt an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden.

Entsprechend äußerte sich auch Christian Laberer vom Automobilclub ADAC: "Die Preise sind nach wie vor stark überhöht. Das Kartellamt muss als neutrale Stelle feststellen, dass der Rabatt nicht ankommt, und die Politik sollte handeln. Denn im Moment fördert der Steuerzahler die Gewinne der Mineralölindustrie, die die Krisensituation offenbar auf Kosten der Verbraucher zur Gewinnmaximierung nutzt."

ifo-Institut: Tankrabatt wird an Konsumenten weitergegeben

Der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest, hingegen meint, der Tankrabatt sei sehr wohl spürbar. Im Interview mit dem MDR AKTUELL sagte er: "Wir haben die Preisentwicklung in Frankreich und Deutschland vor und nach dem 1. Juni verglichen. In Frankreich sind die Steuern nicht gesenkt worden. Die Kostenentwicklung, was auf dem Weltmarkt passiert, die Weiterverarbeitung von Rohöl - das ist für beide Länder ungefähr ähnlich." So seien in Deutschland die Preis zum 1. Juni gefallen, dann aber in beiden Ländern angestiegen. Das wiederum habe mit den Bedingungen auf den Weltmärkten zu tun, nicht aber mit dem Tankrabatt.

Fest stellt aber auch klar: "Es mag durchaus sein, dass die Mineralölkonzerne Kartelle bilden und zu viel Geld verlangen. Aber das hat nichts mit dem Tankrabatt zu tun. Der Tankrabatt ist weitergegeben worden - jedenfalls größtenteils."

Mineralölverband: Tankrabatt wirkt

Unterdessen hat sich auch der deutsche Mineralölverband en2x zu den Vorwürfen geäußert. Hauptgeschäftsführer Adrian Willig teilte mit: "Uns ist bewusst, dass die gestiegenen Kraftstoffpreise für viele Autofahrerinnen und Autofahrer eine erhebliche Belastung darstellen. Entgegen zahlreichen Darstellungen in Politik und Medien haben die Tankstellengesellschaften die Energiesteuersenkung weitergegeben." Allerdings würden die Beschaffungspreise für Benzin und Diesel weltweit steigen. "Die Energiesteuersenkung kommt deshalb nur auf den ersten Blick nicht beim Kunden an", erklärte Willig.

Nach Angaben des Mineralölverbands hat die gestiegene Nachfrage nach Benzin und Diesel sowie Heizöl zu steigenden Preisen geführt. In den vergangenen Wochen habe sich dieser Trend noch verstärkt. Grund sei die höhere Nachfrage, die sich auf die bevorstehenden Sommerfahrsaison in den USA zurückführen lasse. Diese treffe auf niedrige Bestände in Raffinerien und Tanklagern. "Gestiegene Benzinpreise sind also kein rein deutsches Phänomen, sondern auch in Europa und weltweit zu beobachten. Mit der Energiesteuersenkung in Deutschland haben sie nichts zu tun", so Willig.

Wann tanken Autofahrer besonders günstig?

Die Markttransparenzstelle beobachtet die Kraftstoffpreise, die von 15.000 deutschen Tankstellen täglich gemeldet werden. Daraus lässt sich ablesen, dass der Preis für Kraftstoff um mehrere Cent am Tag schwankt. Grob lässt sich aus den Daten ableiten, dass der Kraftstoffpreis morgens im Schnitt höher liegt als am Abend. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass es an allen Tankstellen im Bundesgebiet oder in Sachsen zu einer bestimmtem Uhrzeit grundsätzlich am günstigsten ist.

Wie funktioniert der Tankrabatt?

Beim sogenannten Tankrabatt handelt es sich um eine kurzzeitige Energiesteuersenkung auf Kraftstoffe. Konkret bedeutet der Tankrabatt, dass der Steuersatz für Benzin, Diesel, Erdgas und Flüssiggas so weit gesenkt wird, wie es nach Europarecht erlaubt ist.

Wie stark wurden die Steuern gesenkt?

Die Energiesteuern für Benzin und Diesel wurden unterschiedlich stark gesenkt: Bei Benzin sind es 29,55 Cent pro Liter, bei Dieselkraftstoffen 14,04 Cent pro Liter. Der Unterschied ergibt sich aus der unterschiedlichen Höhe des Energiesteuersatzes für die beiden Kraftstoffe: Während er für Benzin normalerweise bei 65,45 Cent pro Liter liegt, werden für Diesel 47,04 Cent pro Liter berechnet. Die Europäische Union (EU) hat Mindeststeuersätze für ihre Mitgliedsstaaten festgelegt. Diese betragen für Benzin 35,9 Cent pro Liter, für Diesel 33 Cent pro Liter. Die Bundesregierung senkt nun die Steuer vom 1. Juni bis 31. August auf diese Mindeststeuer. Dadurch, dass die reguläre deutsche Steuer auf Diesel im Vergleich zu Benzin fast 20 Cent pro Liter günstiger ist, fällt die Ersparnis beim Tankrabatt geringer aus.

Wie lange gilt die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe?

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Energiesteuer auf Benzin, Diesel und weitere Kraftstoffe bis zum 31. August zu senken. Danach soll wieder der reguläre Steuersatz gelten.

MDR (kp)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 17. Juni 2022 | 06:00 Uhr

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