Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts: Rhona Fetzer, Christine Langenfeld, Peter Müller, Doris König (Vorsitzende), Sibylle Kessal-Wulf, Astrid Wallrabenstein und Thomas Offenloch
Laut Bundesverfassungsgericht stellten die sächsischen Kirchengeldregelungen 2014 und 2015 eine "Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar". (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Uli Deck

Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kirchensteuerregelung in Sachsen war verfassungswidrig

14. November 2024, 05:00 Uhr

Eine sächsische Kirchensteuerregelung hat laut Bundesverfassungsgericht heterosexuelle Ehepartner gegenüber homosexuellen Lebenspartnern benachteiligt. Bis 2016 mussten Männer oder Frauen in eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht das "besondere Kirchgeld" zahlen, Eheleute schon. Dies stelle eine "mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar". Der Freistaat muss rückwirkend nachbessern.

  • Was ist das "besondere Kirchgeld"?
  • Inwiefern wurden Eheleute und Personen in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ungleich behandelt?
  • Können Eheleute, die 2014 und 2015 Kirchgeld gezahlt haben, mit einer Rückzahlung rechnen?

Das von den Kirchen erhobene "besondere Kirchgeld" muss auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gelten - nicht nur für Ehepaare, wie 2014 und 2015 in Sachsen. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.

Was ist das "besondere Kirchgeld"? Das besondere Kirchgeld ist eine besondere Form der Kirchensteuer. Es wird bei der gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer von Paaren erhoben, bei denen nur ein Partner einer Kirche angehört und weniger verdient als der Partner, der keiner Kirche angehört.

Angenommen, ein fiktiver Herr Schmidt verdient 100.000 Euro im Jahr, seine Frau nur 20.000. Sie ist Kirchenmitglied, er nicht. Die beiden werden steuerlich zusammen veranlagt. Die Höhe des Kirchgeldes, das sie zahlen muss, berechnet sich aus der Höhe der gemeinsamen Einkommenssteuer. Es ist also deutlich höher als die Kirchensteuer, die sie nur auf ihr eigenes, relativ geringes Einkommen zahlen müsste.

2014 und 2015 habe Sachsen mit der Gesetzgebung zum Kirchgeld gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Begründung: Die Kirchen konnten die Steuer damals von Ehepaaren verlangen, nicht aber von Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaften. Die Karlsruher Richter erklärten damit die früheren sächsischen Regelungen für verfassungswidrig. Sachsen hatte seine Gesetzgebung erst 2016 für eingetragene Lebenspartnerschaften angeglichen und sie ebenfalls zur Zahlung des Kirchgeldes verpflichtet.

Verfassungsgericht: "Ungleichbehandlung wegen sexueller Orientierung"

Es gebe keinen sachlichen Grund, warum Ehegatten zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden können, eingetragene Lebenspartner aber nicht, hieß es in der Urteilsbegründung. Dies stelle eine "mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar". Der Gesetzgeber habe nun bis zum 30. Juni 2025 Zeit, für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 den Verfassungsverstoß rückwirkend zu beseitigen.

Geldsegen für Kirchgeldzahler?

Wie das Land Sachsen den Verfassungsverstoß beseitigt, ist offen. Denkbar wäre, dass Ehepartner, die Kirchgeld gezahlt haben, für den Zeitraum 2014 und 2015 einen Teil der Steuer zurückerstattet bekommen. Über einen Geldsegen können sich aber wohl nur die wenigsten Kirchgeldzahler freuen – eine solche Rückerstattung beträfe nur Steuerbescheide, die noch nicht bestandskräftig sind, gegen die also fristgerecht Einspruch eingelegt worden ist.

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MDR (jwi/epd)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 13. November 2024 | 13:00 Uhr

8 Kommentare

astrodon vor 3 Wochen

@Gerald: Bitte etwas mehr Nachsicht: Im Mathematikunterricht nennt man so etwas wohl "Folgefehler". Konkret gab es ein konformes Gesetzt zur Kirchensteuer, dann später erst das Lebenpartnerschaftsgesetz. Ich möchte mir den Aufwand nicht ausmalen, jedes neue Gesetz auf alle(!) möglichen Konsequenzen im verhältnis zu bestehenden vor der Ratifizierung zu überprüfen - vermutlich wären neue Gesetze dann eher die Ausnahme.

astrodon vor 3 Wochen

@zenkimaus: Die "von der Kirche geführten Kitas, Schulen und Krankenhäuser" sind für den Staat aber ein gutes Geschäft. Die Refinanzierunge liegen regelmäßig unter den Beträgen, die der Staat für eigene Einrichtungen aufbringen muss. In dieser Hinsicht unterscheidet sich aber keine der Kirchen wesentlich von den anderen "freien Anbietern".
Beim Arbeitsrecht bin ich allerdings voll auf Ihrer Seite.

fritz deutsch vor 3 Wochen

Der Staat treibt nicht nur die Kirchensteuer ein (erhält kleinen Obolus) sondern bezahlt auch Bischöfe und Kardinäle bis zu ihren Tod .Ein neuer Reformator nicht in Sicht .Bei Ungleichbehandlung ,wegen sexueller Orientierung ,kennt der Staat aber kein Pardon .Hier hört nicht beim Geld ,sondern beim Sexualleben ,die Freundschaft auf .

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