Abschiebestreit Abschiebung von Vietnamesen in Chemnitz: Innenminister verweist aufs Recht

24. August 2022, 17:12 Uhr

Auf dem Tisch von Sachsens Innenminister Armin Schuster landen wöchentlich Bittbriefe von Menschen, die ihre Abschiebung abwenden wollen. Die Entscheidung sei immer schwierig, sagte Schuster. Im Fall der seit 35 Jahren in Sachsen lebenden vietnamesischen Familie fehle Schuster die Rechtsgrundlage zum Eingreifen. Er könne den Fall nicht einfach an sich reißen, sagte er und verwies auf zwei ablehnende Gerichtsurteile.

Sachsens Innenminister Armin Schuster will sich in den Fall des ehemaligen DDR-Vertragsarbeiters Pham Phi Son nicht einmischen. "Die Erwartung, die an mich geäußert wird, ist, dass ich quasi den Fall an mich reiße und entscheide. Da fehlt mir jetzt irgendwie die Rechtsgrundlage", sagte der CDU-Minister. Schuster verwies auf mehrere Ablehnungen durch Gerichte und die Härtefallkommission des Landes-Ausländerbeauftragten.

Innenminister sieht keine Fehler der Ämter

Die Rechtslage sei laut Schuster "supereindeutig". Denn Fehlentscheidungen einer Behörde, bei denen er eingreifen könne, seien hier "nicht erkennbar".

Ich muss mich an die Rechtslage halten und die ist supereindeutig, solange ich keine neue Vorlage habe.

Armin Schuster (CDU) Sächischer Innenminister

Ausländerbehörde will Duldung erst einmal verlängern

Der seit 1987 in Chemnitz lebende Pham verlor nach längerem Aufenthalt in Vietnam 2016 seine Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Zwischenzeitlich tauchte die Familie in die Illegalität ab, erklärte Schuster, und meldete sich erneut bei der Stadt Chemnitz. Immerhin teilte Innenminister Schuster mit, dass die Ausländerbehörde Chemnitz "nach jetzigem Stand" eine erneute Verlängerung der bis September 2022 laufenden Duldung beabsichtige.

Warum droht der Familie die Abschiebung?

  • Pham verpasste 2016 die fristgemäße Verlängerung seiner Niederlassungserlaubnis, weil er mehrere Monate in Vietnam war. Dadurch erlosch die Erlaubnis. Phams gab an, dass er in Vietnam eine alte Kriegsverletzung behandeln ließ – das Innenministerium bestreitet dies jedoch.
  • Die Ausländerbehörde erließ nach Wiedereinreise des Vietnamesen eine Ausreisepflicht, die die Polizei jederzeit vollziehen kann.
  • Dagegen klagte Pham zuletzt 2017 vor dem Oberverwaltungsgericht in Bautzen und scheiterte.
  • Ein Antrag an die Härtefallkommission des Sächsischen Ausländerbeauftragten wurde 2019 abgelehnt.

Bisher 70.000 Unterstützer einer Online-Petition

Inzwischen haben mehr als 70.600 Menschen (Stand: 24. August, 17:30 Uhr) eine Petition gegen die Abschiebung von Pham Phi Son, seiner Frau und ihrer fünfjährigen Tochter Emilia unterschrieben. Laut Schuster wäre es besser, mit neuen Bewertungen und Stellungnahmen die jetzige Aktenlage zu verändern. Das sei die Voraussetzung dafür, dass sich die Härtefallkommission noch einmal mit dem Fall beschäftigt. Bei einer positiven Entscheidung dieses Gremiums lande der Fall dann auf dem Innenminister-Tisch. Wie MDR SACHSEN erfuhr, will sich inzwischen der Chemnitzer Stadtrat mit dem Fall beschäftigen.

Keine Chance mit dem "Chancen-Bleiberecht"

Schuster lehnt auch Forderungen aus der sächsischen Regierungskoalition ab, der Bundesregierung vorzugreifen und nach dessen "Chancen-Bleiberecht" zu entscheiden. "Ich weiß noch nicht einmal, was der Bundestag mit diesem Kabinettsentwurf macht", begründete Schuster seine Haltung.

MDR (wim)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 24. August 2022 | 19:00 Uhr

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