Ältestes Volksfest im Erzgebirge Die Karusselle drehen sich wieder - Annaberger KÄT öffnet ihre Pforten

17. Juni 2022, 08:00 Uhr

Zwei Jahre musste das traditionsreiche Volksfest im Erzgebirge coronabedingt ausfallen. In diesem Jahr dürfen sich nicht nur die Annaberger wieder auf ihre KÄT freuen. Doch in der über 500-jährigen Geschichte des Festes gab es schon eine viel längere Unterbrechung.

Eigentlich ist Annaberg-Buchholz bekannt für seinen Weihnachtstrubel. Doch auch im Frühsommer gibt es einen Höhepunkt, den kaum ein Erzgebirger versäumen will. Zwei Wochen nach Pfingsten startet das größte und älteste Volksfest im Erzgebirge, das mehr ist, als nur ein einfacher Rummel.

Die Rede ist von der KÄT, die vor mehr als 500 Jahren sozusagen als "PR-Maßnahme" ins Leben gerufen wurde und seither - trotz Unterbrechungen - mit dem Erzgebirge ebenso verbunden ist wie Pyramiden, Schwibbogen und Räuchermännlein.

Bis heute erinnert sich der Heimat-Historiker Helmut Brückner an die skurrilen Höhepunkte in den 1960er-Jahren, als eine Dame ohne Unterleib ihn verzauberte oder sich die Annaberger einer Massenhypnose stellten. Solche Attraktionen gibt es heute nicht mehr.

Doch das Fest fasziniert ihn bis heute. Jahrelang hat er dazu akribisch recherchiert. Das Ergebnis ist ein Buch zur Geschichte der KÄT. In der Publikation geht es auch um einen ehrgeizigen Mann, der seine Stadt - über Glaubensfragen und Pestzeiten hinweg - bekannt machen sollte.

Buchtipp

Helmut Brückner
Wallfahrt zum Volksfest
Die lange Geschichte der "Annaberger KÄT"
Verlag: Telescope, April 2020
ISBN-13: 9783959150644
ISBN-10: 3959150644

Annaberg wächst und wird Wallfahrtsort

Der Fürstenzug in Dresden (Ausschnitt)
Herzog Georg der Bärtige im Dresdner Fürstenzug Bildrechte: imago/Becker&Bredel

Georg der Bärtige, Herzog von Sachsen, gründet im Jahr 1497 Annaberg. Die reiche Ausbeute des Silberbergbaus führt zu einem starken Zuzug von Bergleuten und einer raschen Vergrößerung der Einwohnerzahl. So entwickelt sich Annaberg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur zweitgrößten Stadt Sachsens.

Nach 1510 versucht der ehrgeizige Herzog Georg noch mehr Menschen in sein Annaberg zu locken, um der noch jungen Stadt weitere Einnahmen zu sichern. Ein Ratsmitglied hat eine zündende Idee: Wenn es gelänge, Annaberg zu einem Wallfahrtsort zu machen, würde die Stadt durch die Versorgung der Wallfahrer zusätzlich Geld einnehmen können.

Doch der clevere Einfall erweist sich als schwierig in seiner Umsetzung.

Vermutlich waren 1516 zwei Beamte des Herzogs in Rom unterwegs. Die versuchten, den Papst auf ihre Seite zu ziehen, dass er ihnen eine Bulle ausstellt, um vor dem Wolkensteiner Tor einen Wallfahrtsort zu etablieren.

Heimat-Historiker Helmut Brückner

Doch ein päpstliches Zertifikat allein reicht nicht. Etwas wirklich Besonderes muss her, um Menschen ins ferne Erzgebirge zur Wallfahrt zu locken.

So versuchen die herzoglichen Beamten, an heilige Erde aus Rom zu kommen. Nach Zahlung von ein paar Dukaten Bestechungsgeld kann sie vom Campo Santo - dem Heiligen Feld in Rom - geschürft und nach Annaberg gebracht werden.

Am 27. und 28. Oktober 1519 wird auf dem Annaberger Gottesacker mit der heiligen Erde aus Rom durch Bischof Johann VII. von Meißen in einer feierlichen Zermonie die Weihe zum "heiligen Feld" vollzogen. Damals ahnt niemand in Annaberg, dass sich daraus eine 500-jährige Tradition entwickeln sollte. Dennoch ist diese Weihe der Beginn einer Wallfahrt, die ab 1520 jährlich viele Pilger in die Erzgebirgsstadt lockt. Sie alle wollen beim Trinitatisfest um Sündenvergebung bitten, um so dem gefürchteten Fegefeuer zu entrinnen.

Woher der Name "KÄT" wahrscheinlich stammt Das Trinitatisfest könnte auch der Ursprung des Namens "KÄT" sein: Trinitatis ist auch als Dreieinigkeitfest bekannt. So könnte aus Dreieinigkeit aufgrund des Dialektes "Dreiaanigkät“ - kurz KÄT geworden sein. Doch das ist nur eine mögliche Version.

200 Jahre Unterbrechung der KÄT

Es sind nur 20 Jahre – bis zum Tod Georg des Bärtigen im Jahr 1539 - in denen die katholische Wallfahrt floriert. Mit der Reformation gerät das Fest in Vergessenheit: Über 200 Jahre existieren keinerlei Aufzeichnungen zu einer Feierlichkeit um Trinitatis.

Außerdem setzen Pest-Epidemien, Stadtbrände und der Dreißigjährige Krieg dem Ort zu. Erst im 18. Jahrhundert erwacht das Fest zu neuem Leben.

1746 ist auch ganz klar die Rede davon, dass am Rande ein kleines weltliches Fest stattfindet, wo die Bäcker ihre Süßigkeiten feilboten.

Heimat-Historiker Helmut Brückner

Die Verpflegung der Besucher auf der KÄT spielt bis heute eine wichtige Rolle. Karl Heinz Buschmann, legendärer Gastronom aus Annaberg-Buchholz kann sich noch gut erinnern, wie sich zu DDR-Zeiten eine Spezilität für die KÄT etabliert, die heute weder auf dem Fest, noch auf dem Annaberger Weihnachtsmarkt fehlen darf:

"In den 1980er-Jahren war Wurstmangel. Da gab es nicht genug Bratwürste und da hat der Rat des Kreises festgelegt, dass jeder Handelsbetrieb eine Klitscher-Bude zu machen hat, die Kartoffelpuffer-Bude genannt wurde. Und da mussten die HO und der Konsum ganz einfache Buden zimmern – mit Holz und ein paar Brätern drinnen."

Die KÄT: Ein Volksfest für jedermann

Doch nicht nur mit Kulinarischem lockt die KÄT: Generationen von Kindern erleben auf den Karussellen der Schausteller in Annaberg ihre ersten Rummeleindrücke. Seit den 1960er-Jahren kommt auch die Schaustellerfamilie Katzschmann zur KÄT.

Hier ist es anders als in anderen Städten: ein Volksfest im besten Sinne, ein Treffpunkt für jedermann, durch alle Generationen und alle gesellschaftlichen Schichten.

Heute betreibt die Schausteller-Familie Katzschmann zwei Fahrgeschäfte, eine Schießbude und Imbissstände. Sie bauen auf, kassieren ab, sorgen für die Sicherheit der Technik. Die Zeiten haben sich geändert – ihr Enthusiasmus ist geblieben. Auch wenn in diesem Jahr der drohende Ausfall des legendären KÄT-Feuerwerkes nicht nur unter den Schaustellern für Unruhe sorgte.

Doch die Finanzierung steht, das Feuerwerk findet statt. Am 25. Juni wird es den Annaberger Himmel erleuchten, wie es auf der Stadtseite des Erzgebirgsortes heißt.

Pandemiebedingt keine Jubiläumsfeier der KÄT

Zwei Jahre lang mussten alle auf ihre KÄT verzichten. Ein harter Schlag, denn das Jubiläum "500 Jahre KÄT" sollte 2020 groß gefeiert werden. Mit einem Brief an den Papst, einer Jubiläumsbriefmarke, einem Theaterstück, einem langen Festumzug, riesigem Feuerwerk und noch mehr Fahrgeschäften sollte 2020 unvergesslich werden.

Doch daraus wurde nichts, die Corona-Epidemie verhinderte jegliche Art von Volksfesten. Auch im vergangenen Jahr gab es keine Chance, das lustige Treiben von tausenden Einheimischen und Besuchern zu gestatten.

Doch jetzt - 2022 – ist es endlich soweit: Es darf wieder gefeiert werden. "De KÄT" wird Menschen wieder zusammenbringen und Kindern können erleben, wovon ihre Eltern und Großeltern noch immer schwärmen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke, wo du lebst | 21. Juni 2022 | 21:00 Uhr

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