Freilufttheater Die Unterschätzten: Ohne Statisten geht auch auf den Greifensteinen nichts

24. Juli 2022, 21:41 Uhr

Bei jeder Theaterinszenierung gibt es eine feste Applausordnung: erst die Hauptdarstelleller, dann die Statisten. Das ist auf der Naturbühne Greifensteine nicht anders. Doch alle wissen: Ohne Statisten keine Inszenierung. Und so ist es an der Zeit, auch ihre (Lebens-)Geschichten zu erzählen. Wir haben einige "Kleindarsteller" vor der Premiere von "Robin Hood" begleitet.

Es ist kurz vor 14 Uhr. In einer Stunde beginnt auf der Naturbühne an den Greifensteinen die Premiere von "Robin Hood". Lange bevor die Zuschauer eingelassen werden, herrscht hinter den natürlichen Kulissen bereits reges Treiben. Die Darstellerinnen und Darsteller müssen in die Maske, werden angekleidet und warten auf den Soundcheck. Benjamin Muth, der später als Robin Hood die Reichen bestiehlt, um die Armen zu beschenken, übt noch einmal die Kampfszenen. Ein Besenstiel reicht backstage auch als Waffe...

Auch die 14 Statistinnen und Statisten, die auf der Besetzungsliste von Robin Hood stehen, müssen sich vorbereiten. Sie werden auch als "Kleindarsteller" bezeichnet, obwohl ihre Rolle gar nicht so klein ist. Sie sind mal Volk, mal Soldaten, je nachdem, was die Inszenierung verlangt.

Statistinnen und Statisten Statistinnen und Statisten sind das Salz in der Suppe des Theaters. Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Regie Darstellerinnen oder Darsteller einsetzen möchte, die keine Hauptrolle haben oder im Opernchor mitsingen. Die Rollen, die von der Statisterie übernommen werden, sind sehr vielfältig und reichen zum Beispiel von Dorfbewohnern über Soldaten zu Bühnenarbeitern. Letztlich sind der Fantasie hier keine Grenzen gesetzt. Eines haben alle diese Rollen gemeinsam: in der Regel haben sie keinen Sprechtext. Theater Dortmund

Anne Wolff: Ich brauche eine Aufgabe

Anne Wolff kann man mit Fug und Recht als Theater-Urgestein bezeichnen. Bei Damen, insbesondere am Theater, verrät man eigentlich das Alter nicht. In diesem Fall ist die Ausnahme erlaubt: Sie hat 30 Jahre Bühnenerfahrung und steht mit 78 (!) Jahren immer noch auf der Bühne. "Mit 48 Jahren habe ich angefangen in einer Laienspielgruppe. Der Weg zum Eduard-von-Winterstein-Theater war dann gar nicht so weit", lacht sie.

"Aber auf der Naturbühne an den Greifensteinen stehe ich in diesem Jahr zum ersten Mal." Das sei gerade bei den hochsommerlichen Temperaturen eine gewaltige Anstrengung. Anders als im Theater seien die Wege hinter der Bühne lang und steil. "Von einem Auftritt zum nächsten muss man hier eine Wanderung durch den halben Wald unternehmen, nur um an der anderen Seite der Bühne aufzutauchen", sagt Wolff. Aber das nehme sie gern auf sich. "Erstens ist es schön, eine Aufgabe zu haben. Zweitens bewegt nicht nur das Theater mich. Ich denke auch, mit Theater kann man etwas bewegen."

Emil Kaden: Ich will Schauspieler werden

Eigentlich wohnt Emil Kaden in der Nähe von Berlin. Sein Vater Olaf Kaden, der Lehrer und Schauspieler ist, spielt aber in jeder Sommersaison bei den Greifenstein-Festspielen. "Ich bin jetzt 16", sagt Emil, "und seit 16 Jahren immer im Sommer hier. Ich habe hier an den Greifensteinen das Laufen gelernt," lacht er.

Und die Liebe zur Schauspielerei. Seit zwei Jahren ist er als Kleindarsteller bei einigen Inszenierungen dabei, im vergangenen Jahr bei "Herr der Diebe" und "Jedermann". "Noch bin ich Schüler, aber nach dem Abitur werde ich mich an der Schauspielschule bewerben." Allerdings will Emil später eher zum Film als zum Theater. Für die Aufnahmeprüfung wünsche ich ihm "Toi, toi,toi!"

Toi, toi, toi! "Toi, toi, toi!" ist heute nur noch ein Ausspruch, früher war es aber ein wirkliches Ausspucken. Nach einem Glückwunsch wurde früher dreimal geklopft oder ausgespuckt. Sprachforscher vermuten, dass es von "Teu Teu Teu" kommt und damit der Teufel abgehalten wurde.
Schauspieler wünschen sich so gegenseitig Glück. Traditionell wird das Spucken über die linke Schulter angedeutet und dabei "Toi, toi toi!" gewünscht. Man darf sich nicht dafür bedanken, denn das würde Unglück bringen. Der Theaterverlag – Friedrich Berlin GmbH

Frank Hübner: Ich wollte unbedingt mal dabei sein

Frank Hübner ist eigentlich auch "vom Fach", denn er hat in Gelenau ein eigenes Marionettentheater. Doch das Familienunternehmen funktioniert anders als das Theater hier auf den Greifensteinen. "Ich spiele hier gar nicht, ich lenke nur die Ziegen", sagt er ganz bescheiden. Denn wegen seiner zwei Thüringer Waldziegen - Ferdinand und Picasso - wurde er für "Robin Hood" engagiert.

"Das ist schon eine Umgewöhnung", sagt er. "Gerade bei den Proben ist jede Menge Geduld gefragt." Aber das habe ihn nicht gestört. "Ich wollte unbedingt bei einer solchen Inszenierung dabei sein und das Theater von Innen erleben." Dabei habe er nicht nur viel über die Abläufe und das Zusammenspiel von Darstellern und Technik erfahren. "Mir als 'Außenstehendem' ist noch etwas anderes aufgefallen: Im Ensemble gibt es eine große Solidarität, ein großes Miteinander." Das sei ein sehr schönes Gefühl.

Genau 15 Uhr sind alle "Toi, toi, tois" gewünscht, das Ensemble, die Technik und das Publikum bereit. Die Premiere von"Robin Hood" beginnt. Knapp zwei Stunden später gibt es den "Lohn" für die schweißtreibende Anstrengung aller Beteiligten: einen langen Applaus von den Rängen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 27. Juli 2022 | 19:00 Uhr

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