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Der Marienberger Bürgermeister hat am Mittwochabend auf einer Veranstaltung gesprochen, die unter anderem von den Freien Sachsen beworben wurde. Nun bezieht er Stellung dazu. Bildrechte: Foto Oestreich Lengefeld

Nach Rede bei DemoMarienberger Oberbürgermeister distanziert sich von Freien Sachsen

22. September 2022, 16:12 Uhr

Darf der das? Bürgermeister sind in ihrem Amt zu Neutralität verpflichtet. Dennoch meldete sich der Marienberger Oberbürgermeister auf einer Demonstration zu Wort, in der Vertreter des politisch rechten Spektrums sowie der Querdenker-Szene stark präsent waren. Auch wenn der Rechtsrahmen ihm Recht gibt, will der Bürgermeister nicht erneut auf einer solchen Veranstaltung sprechen.

Der Redebeitrag des Marienberger Bürgermeisters André Heinrich (parteilos) am Rande einer Demonstration sorgt in Sozialen Medien für Diskussionen. Die Veranstaltung hatte am Mittwochabend unter dem Motto "Nein zum BRD-Gefängnis. Regierung vereint zum Rücktritt zwingen!" statt. Aufgerufen dazu hatte eine Bürgerinitiative in Marienberg. Die vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Kleinstpartei Freie Sachsen hatte diesen Aufruf aber in den Sozialen Medien geteilt und war vor Ort sichtbar präsent. Und daran entspinnt sich die Kritik am Marienberger OB.

Warum der Bürgermeister zum Mikrofon griff

Mit den Teilnehmenden und ihren Äußerungen gemein machen will André Heinrich sich nach eigener Aussage nicht. "Ich distanziere mich von den Inhalten, die bei der Veranstaltung nach außen getragen wurden. Ich bin ein freier Bürgermeister und habe mich schon gestern konkret von den Freien Sachsen und den Bewegungen, die noch da waren, abgegrenzt", sagt der Parteilose Heinrich.

Er sei im Vorfeld von der Bürgerinitiative Marienberg, die zur Demonstration aufgerufen hatte, eingeladen worden und sagte nach einiger Überlegung zu. Am Mittwoch habe er weder die Kundgebung vor der Erzgebirgskaserne verfolgt, noch den Demonstrationsmarsch hin zum Marktplatz. Er sei nur ans offene Mikrofon auf dem Marktplatz getreten und im Anschluss wieder gegangen.

Ich bin ein freier Bürgermeister und habe mich schon gestern konkret von den Freien Sachsen und den Bewegungen, die noch da waren, abgegrenzt.

André Heinrich | Bürgermeister von Marienberg

"Ich habe gleich als erstes gesagt, dass ich ein Neutralitätsgebot einzuhalten habe und dann habe ich mich ausschließlich zur Energie geäußert", sagt er. Über dieses Thema habe er auch sprechen wollen, weil es vielen Privatpersonen und Gewerbetreibenden derzeit unter den Nägeln brenne. "Ich teile die Angst der Familien, die dort aus diesem Grund hingegangen sind. Man muss diesen Leuten auch zeigen, dass wir sie sehen", sagt er. Die Frage, ob er sich künftig vorstellen könnte, erneut auf derartigen Veranstaltungen zu sprechen, verneinte der Bürgermeister.

Professor sieht keinen Rechtsbruch

Laut Prof. Dr. Jochen Rozek bewegt sich der Marienberger Oberbürgermeister in seinem Tun auf rechtlich sicherem Terrain. "Es gibt keinen Maulkorb für Bürgermeister. Sie dürfen sich zu aktuellen Fragen äußern, sie müssen dabei nur vermeiden, sich zugunsten einer bestimmten politischen Partei auszusprechen. Außerdem sollten die Äußerungen sachlich sein", sagt Rozek.

Bildrechte: MDR/Sabine Cygan

Es gibt keinen Maulkorb für Bürgermeister. Sie dürfen sich zu aktuellen Fragen äußern, sie müssen dabei nur vermeiden, sich zugunsten einer bestimmten politischen Partei auszusprechen.

Jochen Rozek | Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Verfassungsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Leipzig

Für das Neutralitätsgebot falle weiterhin ins Gewicht, wer die Veranstaltung, zu der sich André Heinrich äußerte, anmeldete und organisierte. Da diese nicht direkt von den Freien Sachsen als Partei organisiert wurde, sondern von der Bürgerinitiative, würde das Neutralitätsgebot nicht verletzt. Da es sich bei Demonstrationen um öffentliche Veranstaltungen handele, könne man vorab nicht genau planen, wer genau sie besuche – daher gilt rechtlich der Name der Person oder der Organisation, die die Veranstaltung anmeldet.

Schätzungsweise 1.000 Menschen kamen zur Demo

Bei der Kundgebung am Mittwochabend sprach unter anderem Marcus Fuchs, einschlägig bekannt aus der Querdenker-Szene. Stefan Hartung, ehemaliger NPD-Funktionär und nun aktiv bei den Freien Sachsen, trat auf der Demonstration in Marienberg beispielsweise als Ordner auf, Freie Sachsen-Mitglied Ulrike Böhlke sprach auf der Veranstaltung. Medienberichten zufolge sollen schätzungsweise 1.000 Menschen die Demonstration besucht haben, viele von ihnen mit Fahnen, etwa der Freien Sachsen, der sogenannten Wirmer-Fahne (die häufig im Pegida- und Querdenkerumfeld anstelle der Deutschland-Fahne genutzt wird) aber auch Fahnen mit Friedenstauben und Symbolen. Zu den Kundgebungen an der Erzgebirgskaserne sowie am freien Mikrofon auf dem Marienberger Marktplatz äußerten sich die Rednerinnen und Redner oft kritisch zur Regierung und mit klarer politischer Tendenz zum Krieg in der Ukraine, der Rolle der deutschen Armee und Waffenlieferungen.

Laut Jana Ulbricht, Pressesprecherin der Polizeidirektion Chemnitz, sei die Demonstration insgesamt friedlich verlaufen. Die mehr als 40 Beamten vor Ort haben weder Straftaten noch Ordnungswidrigkeiten feststellen können.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass sich hinter der Anmelderin der Demonstration ein Mitglied der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen verbirgt. Gegenüber MDR SACHSEN bestreitet die Anmelderin, Parteimitglied der Freien Sachsen zu sein und von der Partei unterstützt zu werden.

MDR (sho)

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 22. September 2022 | 07:30 Uhr