Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Tiere erlebenStressabbau im Wanderschritt: Mit Alpakas durchs Chemnitztal

19. Juli 2022, 18:00 Uhr

Alle lieben Alpakas. Aber warum gerade diese Tiere? Das fragte sich MDR SACHSEN-Reporterin Kathrin König schon länger. An einem Sommertag ist sie mit Alpakahengst Emilio an der Leine durchs Chemnitztal gewandert. Zumindest hat sie das versucht.

Was finden alle nur an Alpakas? Das frage ich mich schon länger. In sozialen Netzwerken gibt es abermillionen Fotos dieser Kamelart. Sobald ein Alpaka in einer Nachricht auftaucht, juchzt die halbe Redaktion. Mich erinnert die Mimik der Tiere ein wenig an den Politiker Otto Schily.

Neuerdings gehen Singles zum Date mit Alkapas spazieren, andere wandern mit ihnen durch die Berge, Alpakas helfen Suchtkranken, psychisch Kranken und Senioren bei Therapien, die Tiere sind sogar Corona-Forschern mit irgendwelchen Nano-Partikeln nützlich. Aber wissen die Leute denn nicht, dass Alpakas eklig spucken?

Kurze Leine, entschlossener Gang - schön wär's

Höchste Zeit, ein paar Vorurteile abzubauen. Deshalb stehe ich nun auf Marco Schönherrs Wiese in Köthensdorf im Chemnitztal. Mit ihm blicke ich auf ein Dutzend Alpaka-Weibchen, das vor sich hin grast und käut. Als wir näher kommen, laufen sie auf uns zu. Was machen sie für eigenartige Töne, denke ich. "Das Geräusch klingt für mich wie das Nörgeln von kleinen Kindern", sagt Marco Schönherr und lacht. Seine Tiere wollen von der Weide zurück in den Stall. Darauf müssen die Stuten noch warten.

Die Alpaka-Wanderung steht an. Die bestreiten drei der vier Hengste aus einem anderen Gatter, etwas entfernt von den Weibchen. Die Stuten sind teilweise trächtig und haben Schonzeit. Ich darf zwei Freundinnen aus Chemnitz begleiten, die eine Alpaka-Wanderung gebucht haben.

Zum Geburtstag habe ich drei Themengutscheine zur Auswahl bekommen: Therme, Wellness oder Alpakawanderung. Ich habe mich für die Alpakas entscheiden. Mal gucken.

Beatrice aus Chemnitz | Erklärt, weshalb sie mit Alpakas wandern geht

Marco Schönherr stellt uns die drei Wanderbegleiter vor: die Alpakas Antonio, Emilio und Aladin. Ich bekomme die Leine für Antonio, das Alpaka mit der dunkelsten Wolle. Emilio ist mittelbraun, Aladin fast weiß. Weil "mein" Hengst im Trio das ranghöchste Tier ist, soll er vorne weg laufen, erklärt Schönherr. Wir sollen die Leine kurz halten und einfach losgehen. Alpakas als Herdentiere würden automatisch folgen. Ganz einfach.

Jede Chance auf eine Rast genutzt

Ganz einfach? Antonio hat andere Pläne. Er bewegt sich nicht. Ich locke ihn. Er guckt stumm aus tiefbraunen Augen. Ich rufe und gehe drei Schritte. Antonio bleibt regungslos. Ich traue mich nicht, am Seil fest zu ruckeln. Das Maul des Tieres sieht so flauschig aus. Marco Schönherr nimmt mir das Seil ab und geht los. Und Antonio? Läuft sofort hinterher. Toll, der Ranghöchste lässt sich nur vom Chef führen, oder was?

Wir laufen im Spazierschritt ein Stück Straße entlang und biegen auf einen Feldweg ab. Den Wiesenrain säumen Eichen, Ahornbäume und allerlei Krautpflanzen. Die drei Alpakas wenden sich von uns ab und streben neugierig Richtung Grünzeug. Wählerisch gehen sie dann beim Knabbern nicht vor, selbst Brennnesseln zermalmen sie ungerührt. Marco Schönherr schüttelt lachend den Kopf, denn auf der Weide am Hof würden sie im großen Bogen um jede Brennnessel fressen. Hier am Weg, der auch zu seinem Grundstück gehört, gefällt das Grün den dreien.

Wanderung mit Wissensgewinn

Gute Gelegenheit, den Tourenführer über Alpakas auszufragen. Was sie fressen, sehen wir: als Veganer nur Grünzeug. Wie alt die Tiere werden: 20 bis 25 Jahre. Wieviel sie wiegen: 50 bis 80 Kilogramm. Und wie lange die Weibchen trächtig sind: Krass! Länger als ein Jahr?

Geduldig nennt Schönherr Zahlen, erzählt aus 7.000 Jahren Zuchtgeschichte und nennt liebevoll Details aus dem Hof-Alltag. Der Gärtnermeister hat seinen gelernten Beruf aufgegeben und züchtet mit seiner Ehefrau seit 2018 Alpakas. Bislang haben sie 16 Tiere. Die seien "gute Landschaftspfleger für die Wiesen und meckern nicht", nennt er einen Vorzug gegenüber Schafen. Das ist auch das Stichwort für die Alpakas. Weiter geht's.

Antonios Atem streift warm meinen rechten Oberarm. Er läuft entspannt neben mir, scannt mit seine Augen aber weiterhin den Wegrand nach Grünzeug. Etwa 300 Meter später die nächste Fresspause. Insgeheim denke ich, dass wir Wanderinnen die Leinen zu lasch führen. "Ich hätte ja nicht gedacht, dass das Fressen so ein Riesending für sie ist", amüsiert sich Beatrice, die mit Emilio hinter mir läuft. Wenn wir laufen. Jetzt steht sie hinter dem Alpaka, das auf ein schattiges Wiesenplätzchen abgebogen ist. Antonio mümmelt sich stattdessen immer weiter in die pralle Sonne vor. Ihn stört nichts dabei. Alle lachen über mein Hitze-Gejammer.

Alpaka-Facts: Die wechselvolle Geschichte einer Tierart

  • Seit mindestens 7.000 Jahren züchteten Menschen in Südamerika Alpakas.
  • Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Alpaka wiederentdeckt und erlebt heute eine Rennaissance.
  • Schätzungsweis 3,5 Millionen Alpakas gibt es weltweit. Die Zahl ist leicht rückläufig.
  • In den Ursprungsländern wie Peru und Bolivien gibt es immer weniger Alpakas, weil die Lebensbedingungen immer härter werden und die Landbevölkerung in Städte abwandert. Zurückgelassene Herden verwildern oder sterben.
  • In Deutschland leben rund 7.000 bis 8.000 Alpakas. Genaue Zahlen erfasst das Bundeslandwirtschaftsministerium erst noch bis 2023.
  • Alpakas sollten niemals allein und im Stall gehalten werden, denn sie sind Herdentiere. Sie brauchen eine Herde für die Hierarchiebildung, Auslauf und Weideflächen.


Quelle: Alpakazuchtverein Deutschland e.V.

Passanten reagieren fröhlich auf Alpakas

Ein Stück der Tour führt auch auf dem Chemnitztalradweg entlang. Immer wieder fahren Radfahrer staunend an uns vorbei. Eine Inlineskaterin unterbricht ihr Handygespräch: "Du glaubst nicht, was ich gerade für eine Gassi-Tour sehe. Das muss ich Dir fotografieren", sagt sie ins Telefon und tippt auf ihr Display für Fotos. Alle Menschen unterwegs reagieren fröhlich auf uns. Doch Marco Schönherr erzählt, dass es auch Neider im Dorf gebe, die etwas gegen Alpakas und die geführten Wanderungen hätten. Dabei seien Alpakas so friedlich. Der 43 Jahre alte Züchter und seine Frau bemühten sich um artgerechte Haltung auf dem Hof.

Nach einem weiteren Fress-Stopp und kurzer Gelegenheit für uns Menschen, durchzuatmen, laufen wir an Häusern und Wiesen vorbei zu einem Feld. Die Chemnitzerinnen und ich löchern den Tourguide weiter mit Fragen. Die Wolle soll ja echt wertvoll sein. Nehmen Designer die nicht auch gerne? Wie die Schönherrs das mit der Schur machen und was aus der Wolle alles entsteht?

Da dreht sich Marco Schönherr um und sagt im gelassenen Bariton: "Wenn man mal läuft und schweigt, merkt man die Entspannung, die von den freundlichen Tieren ausgeht." Okay, wir Städterinnen sollten eventuell weniger quasseln. Bleibt Zeit für Blicke auf die herrlichen Weiten und Schmetterlingswiesen rechts und links. Wie schön es nur wenige Kilometer hinter Chemnitz ist! Wie im Urlaub, denke ich.

Fazit

Nach zwei Stunden und gut 5,5 Kilometern Wegstrecke biegen wir auf den Alpakahof ein. Die beiden Freundinnen sind sich einig: "Hat Spaß gemacht. Das ruhige Gehen an der frischen Luft war sehr entspannend. Mal etwas anderes."

Die Ruhe, die die Tiere ausstrahlen, ist sehr wohltuend. Man kann die Natur genießen und kommt einfach mal runter, kann seinen Stress abbauen.

Marco Schönherr | Alpaka-Halter und Züchter

Bevor uns der Besitzer sein Hoflädchen mit Produkten aus Alpaka-Wolle zeigt, bringen wir die Wanderbegleiter zurück zum Gatter. Dort steht ihr "Anführer" Ikarus am Zaun. Er hat die drei jüngeren Hengste fest im Blick. Und da passiert es: Ikarus spuckt Antonio kräftig an. Blitzschnell dreht sich Marco Schönherr zur Seite. Er kennt das schon. Die beiden Hengste klären die Rangordnung auf Alpaka-Art. Ein paar Tropfen sind auch auf meinen Unterarm gelandet. Aber was soll's. Ich war ja nicht gemeint.

Adresse und Anreise

  • Köthensdorfer Hauptstraße 122a, 09249 Taura / OT.Köthensdorf
  • Vom Bahnhof Chemnitz-Glösa fahren die Buslinien 637 (bis Auerswalde, Unterdorf, zwei Kilometer zu Fuß) oder die 639 (Ausstieg Köthendorf-Reitzenhain, Doppelmoppel)

Öffnungszeiten während der Ferien

  • Wanderungen und Hofbesuche nur nach vorheriger Anmeldung.

Kosten

  • Eine Wanderung mit bis zu zwei Alpakas und vier Personen pauschal 100 Euro.
  • Wanderung mit bis zu vier Alpakas und acht Personen pauschal 150 Euro.
  • Kostenfrei für Kleinkinder bis zum 4. Lebensjahr.

Geeignet für

  • Familien, Einzelpersonen, kleinere Gruppen, auch Tierhaarallergiker und Menschen, die nicht zum Abhaken ihrer Event-Listen unterwegs sind, sondern sich auf Tier und Natur einlassen wollen.

Barrierefreiheit

  • Barrerefreie Wanderungen sind möglich.
  • Zugang zum Alpakahof wird bis Ende des Sommers barrierefrei ausgebaut.

Verpflegung

  • Trinkwasser für unterwegs sollte man einpacken, denn ein Biergarten entlang der Wanderstrecke hat nur unregelmäßige Öffnungszeiten.
  • Gegen Aufpreis kann man auf dem Alpakahof nach der Wanderung picknicken oder eine Kaffeetafel auf der Weide buchen.
  • Toiletten auf dem Hof vorhanden.

Daran sollte man denken

  • Zeit und Ruhe mitbringen.
  • Trittfeste Schuhe oder Wanderschuhe anziehen, im Sommer Sonnenschutz nicht vergessen.

Wenn man schon mal da ist ...

  • ...kann man entspannt den Chemnitztalweg entlang radeln oder wandern und über die Hängebrücke in Auerswalde laufen.
  • Ein Besuch des Museumsbahnhofs Markersdorf-Taura, Hauptstraße 100, 09236 Claußnitz OT Markersdorf lohnt sich besonders am 20. und 21. August zu den Zuckertütenfahrten.

Weitere Ausflugsziele für den Sommer im Test

Mehr zum Thema

MDR (kk)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Tag | 19. Juli 2022 | 12:19 Uhr