Bei Schnee und Eis Herausforderung oder Spaß? Radfahren in Chemnitz im Winter

23. Januar 2023, 06:00 Uhr

Viele deutsche Städte setzen in den Verkehrskonzepten zunehmend auf das Fahrrad. Im Sommer ist das mehr oder weniger angenehm für die Radler, im Winter kann es eine Herausforderung sein. In Chemnitz funktioniert das Winterradeln im Test ganz gut.

Ich gebe zu, ein Freund der weißen Pracht draußen bin ich nicht. Aber ich bin überzeugter Radfahrer. Getreu dem Motto "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur unangemessene Kleidung" schwinge ich mich auch im Winter auf mein Fahrrad, um zur Arbeit zu kommen.

Pullover, Weste, dicke Jacke und Handschuhe gehören dazu. Die hätte ich aber auch gebraucht, um mein Auto freizukratzen. Etwas Mut braucht es nach dem Start auf den leicht vereisten Nebenstraßen. Ich lasse die Finger lieber von der Vorderradbremse und merke schnell: Mein Rad rollt gut und rutscht nur ein bisschen beim schärferen Bremsen.

Chemnitzer ADFC-Chef: Winter ist keine Ausrede

Einen Verbündeten für das Radfahren im Winter habe ich mit dem Chemnitzer Chef des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Ralph Sontag, gefunden. Es sagt mir, dass in anderen Ländern wie Dänemark das Rad einen ganz anderen Stellenwert habe und es daher auch möglichst an 365 Tagen im Jahr genutzt werde. "Die Ausrede, im Winter sei Radfahren unmöglich, ist einfach falsch", sagt Sontag.

"Hier in Chemnitz gibt es eher Probleme mit der Infrastruktur." Enge Kurvenradien und Kanten oder schräge Auffahrten zu Radwegen machten das Radfahren bei schlechten Witterungsbedingungen gefährlich. "Auch beim Schneeräumen der Straßen werden Radstreifen oft einfach zugeschoben.

Die Ausrede, im Winter sei Radfahren unmöglich, ist einfach falsch.

Ralph Sontag Vorsitzender des Kreisverbandes ADFC Chemnitz e.V.

Der ADFC hat auf seiner Webseite Tipps für die winterharten Radler zusammengestellt. Die Experten raten zu vorsichtiger Fahrweise gerade in Kurven, zum dosierten Bremsen möglichst ohne Vorderradbremse und zum Fahren mit etwas niedrigerem Luftdruck.

Hauptstraßen problemlos befahrbar

Zurück zu meiner Testfahrt. Mit den Warnungen von Ralph Sontag im Ohr nutze ich auf meinem Weg ins Zentrum keinen Radweg, sondern bleibe auf Hauptstraßen. Hier hat der Winterdienst ganze Arbeit geleistet. Kein Schnee und kein Matsch erschweren das Fahren.

Ich trete fester in die Pedale und hole eine ganze Menge Zeit auf. Auch dazu hatte der Chemnitzer ADFC-Chef eine klare Forderung: "Bei mehr Tempo-30-Strecken in den Innenstädten wäre ein Miteinander von Rad und Auto leichter möglich." Dann wäre seiner Meinung nach auch das "Revierverhalten" von Auto- und Radfahreren weniger ausgeprägt.

Übrigens sind in der Radverkehrskonzeption für die Stadt Chemnitz seit Juni 2013 zwei Radwege definiert, die auch im Winter geräumt werden sollen. Einerseits ist das die Verbindung zwischen Hauptbahnhof und der so genannten Kappler Drehe, andererseits die Route vom Zentrum bis zur Technischen Universität an der Reichenhainer Straße. Das nutzt mir aber wenig, da sie nicht an meiner Strecke liegen. Auf den anderen Radwegen besteht keine Räumpflicht.

Grünen-Stadtrat: Radwege müssten privilegiert werden

Volkmar Zschocke, der für die Grünen im Stadtrat und im Landtag sitzt, hat mit seiner Fraktion dafür gesorgt, dass zumindest die beiden Chemnitzer Radwege im Winter geräumt werden. Er findet, dass der Radverkehr in der Stadt weiterhin stiefmütterlich behandelt wird. "Das Rad ist nahezu klimaneutral, benötigt den wenigsten Platz und verursacht für die Kommune die geringsten Kosten." Er verstehe nicht, warum der Rad-, Bus- und Bahnverkehr nicht privilegiert werde.

Letzte Etappe: Innenstadt von Chemnitz

Noch einmal zurück aufs Rad. Ich nehme das letzte Stück meiner Fahrt zur Arbeit im Chemnitzer Zentrum unter die Räder. Hier sind fast alle Bereiche als Fußgängerzone ausgeschildert, in der Rad fahren erlaubt ist. Ich kann hier über freigeschobene und gestreute Wege radeln, ohne Angst zu haben, dass ich unsanft auf dem Boden landen könnte. Nur an den Ampelkreuzungen hat man beim Schneeräumen die Radstreifen vergessen. Hier heißt es: Augen auf und durch!

Mein Fazit: Ich erreiche nur wenig später als bei "normalem" Wetter mein Ziel, habe aber aus dem Augenwinkel auch verständnisloses Kopfschütteln bei Passanten und Autofahrern registriert. Trotzdem ist Radfahren im Winter kein Problem, wenn man vorausschauend fährt und an schwierigen Stellen auch einmal schiebt.

Gerade auf den ungeräumten Nebenstraßen bin ich besonders vorsichtig in den Spuren der Autos unterwegs gewesen. Ich fahre viel langsamer als bei gutem Wetter und komme trotzdem schneller voran als zu Fuß.

Trotzdem freue ich mich auf den Frühling, wenn mit der wärmenden Sonne wieder der richtige Spaß am Radfahren zurückkommen wird.

Ein Fahrrad steht auf dem Radweg an einem Fluss.
Im Sommer macht das Radfahren zugegebenermaßen mehr Spaß. Bildrechte: MDR/Robin Hartmann

MDR (tfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 18. Januar 2023 | 16:00 Uhr

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