Menschen stehen vor einem Porträt von Justin Sonder
Die Stadt Chemnitz soll ein Denkmal für den Auschwitz-Überlebenden Justin Sonder bekommen. Christoph Heubner, Vizepräsident des internationalen Auschwitz-Komitees und Kerstin Claus, Tochter von Justin Sonder, haben am Montag gemeinsam mit der Stadt das Projekt vorgestellt. Bildrechte: MDR/Anett

Zeitzeuge Auschwitz-Überlebender Justin Sonder soll Denkmal in Chemnitz erhalten

30. Januar 2023, 17:36 Uhr

Der Chemnitzer Ehrenbürger Justin Sonder hat Auschwitz überlebt. Bis zu seinem Tod Ende 2020 war er als unermüdlicher Zeitzeuge unterwegs, der sogar mit über 90 Jahren noch in die Klassenzimmer ging und von seinen Erinnerungen berichtet hat. Das internationale Auschwitz-Komitee will ihm nun in seiner Heimatstadt ein Denkmal setzen.

In Chemnitz soll künftig ein Denkmal an den Holocaust-Überlebenden Justin Sonder erinnern. Die Planungen dafür wurden am Montag in Chemnitz vorgestellt. Das Datum wurde ganz bewusst gewählt, denn am 30. Januar 1930 fand die Machtergreifung der Nationalsozialisten statt. "Für viele jüdische Menschen war dieser Tag der Anfang vom Ende", so Christoph Heubner, Vizepräsident des internationalen Auschwitz-Komitees, bei der Projektvorstellung am Montag.

Skulptur soll Gesprächsangebot darstellen

Justin Sonder kehrte nach der Befreiung des Konzentrationslagers in seine Heimatstadt Chemnitz zurück. Oft stand er vor Chemnitzer Schülern, berichtete und mahnte. "Was ihn besonders auszeichnete, war seine Gesprächsfähigkeit", sagt Heubner. Deswegen soll das geplante Denkmal genau an diese Eigenschaft anknüpfen und eine Art Gesprächsangebot sein. "Justin Sonder war besonders in den letzten Jahrzehnten seines Lebens an Gesprächen, vor allem mit jungen Leuten, sehr interessiert", so Heubner. "Er wollte zuhören und er wollte erzählen, damit das nicht wieder passiert, was ihm als junger Mensch passiert ist. Das war seine Absicht und das wollen wir mit dieser Bank auch vermitteln."

Ort des Denkmals steht noch nicht fest

Geplant ist eine Bank mit einer Skulptur von Justin Sonder, die darauf in einer dem Gesprächspartner zugewandten Haltung sitzen soll. Wo genau diese Bank in Chemnitz ihren Platz finden soll, ist aber noch unklar. "Sie soll an einem Ort stehen, der mit dem Leben von Justin Sonder in Verbindung steht", sagt der Oberbürgermeister von Chemnitz, Sven Schulze (SPD). Dazu sollen nun verschiedene Orte geprüft werden.

Familie von Sonder begeistert über Ehrung

Kerstin Claus, die Tochter von Justin Sonder, könnte sich einen Standort auf dem Kaßberg vorstellen, da die Familie dort gewohnt hat. Aber auch die Schule auf dem Brühl käme für sie in Frage, da es die letzte Schule war, die ihr Vater besuchte. Insgesamt steht die ganze Familie der Idee eines Denkmals sehr positiv gegenüber. "Wir waren gleich begeistert", sagt Claus. Vor allem sei es toll, dass ihr Vater nicht auf einen Sockel gestellt werden soll, sondern sitzend und den Menschen zugewandt. "Auch Vater hätte sich darüber gefreut."

Finanzierung soll durch Spenden erfolgen

Finanziert werden soll das Projekt allein durch Spenden. Das Auschwitz-Komitee richtet dafür ein Konto ein. "Das Geld soll von Spendern kommen, die sich für diese Art der Erinnerung engagieren", sagt Heubner. "Und die wollen, dass der öffentliche Raum in Deutschland und in Chemnitz von Erinnerungen solcher Art geprägt sind, damit nicht die anderen die lautere Stimme haben."

Installation und Pflege der Skulptur werden von der Stadt Chemnitz übernommen. Spätestens 2025 sollen die Chemnitzerinnen und Chemnitzer neben Justin Sonder Platz nehmen können, um mit ihm gedanklich ins Gespräch zu kommen. Die Initiatoren denken außerdem darüber nach, über Apps Daten über Sonders Leben zugänglich zu machen.

Leben von Justin Sonder Justin Sonder wurde am 18. Oktober 1925 in Chemnitz geboren. Bereits in seiner Kindheit war er mit wachsendem Antisemitismus konfrontiert, erlebte in Chemnitz die Pogromnacht am 9. November 1938.

Später erlernte er den Beruf des Kochs und musste von Herbst 1941 bis Februar 1943 Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb in Chemnitz leisten.

Am 27. Februar 1943 wurde Justin Sonder verhaftet und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dort überlebte er unvorstellbare Zustände: Hunger, Schläge, Zwangsarbeit und insgesamt 17 Selektionen.

In mehreren Todesmärschen gelangte Justin Sonder schließlich im April 1945 ins fränkische Wetterfeld, wo er am 23. April 1945 durch die amerikanische Armee befreit wurde. Am 19. Juni 1945 kehrte Justin Sonder gemeinsam mit seinem Vater in seine Heimatstadt zurück, wo er seitdem lebte.

Seit 1997 sprach Justin Sonder insgesamt bei mehr als 500 Veranstaltungen mit Tausenden Schülerinnen und Schülern.

Die Stadt Chemnitz verlieh ihm am 21. April 2017 im Rahmen eines Festaktes die Ehrenbürgerschaft.

Justin Sonder verstarb am 3. November 2020 im Alter von 95 Jahren. Quelle: Stadt Chemnitz

MDR (ali)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 30. Januar 2023 | 16:30 Uhr

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