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Der Lehrermangel führt an der Annenschule in Chemnitz zu dauerhaftem Ausfall von naturwissenschaftlichen Fächern. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

PersonalnotChemnitzer Schule mit massivem Lehrermangel und Unterrichtsausfall

08. September 2022, 13:04 Uhr

Das neue Schuljahr läuft erst eineinhalb Wochen und der Lehrermangel zeigt jetzt schon dramatische Auswirkungen: An der Annenschule, einer Oberschule im Zentrum von Chemnitz, fallen vor allem naturwissenschaftliche Fächer dauerhaft für fast alle Schülerinnen und Schüler aus.

Kein Chemie und Physik, Mathe nur einmal in der Woche. Dieser Stundenplan ließ einen Vater in Chemnitz aus allen Wolken fallen. Sein Sohn besucht die 8. Klasse der Annenschule, eine Oberschule im Zentrum von Chemnitz. "So wie sich das darstellt zurzeit, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Bildungsauftrag erfüllt wird", sagt der besorgte Vater.

In der Pandemie hätten die Kinder fast keine Schule gehabt und seien beschäftigt worden. "Die zwei Jahre fehlen sowieso schon. Jetzt fangen wir an, in der 8. Klasse nur einen Behelfsunterricht zu machen", sagt er. "Wie sollen die Kinder irgendwann ihre Prüfungen bestehen, im weiteren Leben bestehen, im Studium oder in der Berufsausbildung?"

Fünf Lehrer fehlen allein für Pflichtfächer an der Annenschule

Insgesamt fünf Lehrer fehlen an der Annenschule, um die Pflichtfächer für die rund 300 Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten, teilt Schulleiterin Ulrike Schulz mit. Sie ist über diese Situation genauso bestürzt wie die Eltern. "Sogar die Schüler waren bei mir und haben sich über den Unterrichtsausfall beschwert", erzählt sie. "Sie fühlen sich ungerecht behandelt."

Ich bin sprachlos, dass es soweit gekommen ist.

Ulrike Schulz | Schulleiterin der Annenschule, Oberschule in Chemnitz

Die 7. und 8. Klassen hätten besonders viel Ausfall, so Schulz. Keine Klassenstufe hat Kunst oder Chemie an der Annenschule. Mathe findet für alle, außer die Abschlussklassen, nur verkürzt statt. In der 7., 8. und 9. Klasse gibt es zudem keinen Physikunterricht. In der 8. Klasse wären vier Stunden Mathe und jeweils zwei Stunden Chemie und Physik pro Woche laut Rahmenplan vorgesehen. "Ich bin sprachlos, dass es soweit gekommen ist", sagt Schulz.

Lehrermangel an vielen Schulen in Sachsen zu spüren

Die Annenschule in Chemnitz ist kein Einzelfall. Der Lehrermangel ist in ganz Sachsen an vielen Schulen zu spüren. Bereits zum Schuljahresbeginn sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU), dass es Schulen in Sachsen geben werde, "die einen erheblichen planmäßigen Unterrichtsausfall haben". Trotz Neueinstellungen bleibe die Unterrichtslage angespannt. Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlen in Sachsen 3.000 Lehrerinnen und Lehrer.

Ministerium: "In den Schulen ist Kreativität gefragt"

Wie viele Lehrkräfte fehlen und in welchen Bereichen könne das Landesamt für Schule und Bildung nicht zeitnah beantworten. Aber die Schulen hätten gesagt bekommen, so der Sprecher des Landesamtes, dass Kreativität gefragt ist und dann eben Klassen zusammengelegt werden müssten.

Die Kreativität von Schulleiterin Ulrike Schulz ist aber am Ende. Sie hat schlichtweg einfach keinen Chemielehrer. Viele Lehrer würden schon seit Jahren auch andere Fächer als ihre ursprünglichen mit unterrichten. Doch auch das sei jetzt ausgeschöpft.

Mir wird Angst, mit welchem Wissensstand wir die Schüler entlassen werden.

Ulrike Schulz | Schulleiterin an der Annenschule

Schwerfällige Verwaltung und veraltete Technik an der Schule

Und selbst wenn sie Seiteneinsteiger hat, bleiben die nicht lang, weil es in Schulen in anderen Kommunen bessere Arbeitsbedingungen gibt. "Die Verwaltung hier ist so schwerfällig. Wenn da eine Augendusche im Chemiezimmer kaputt ist, darf der Lehrer gar keine Experimente machen und dann dauert das Wochen bis Monate bis da eine Lösung da ist", erklärt sie. Auch die IT-Technik werde nicht gewartet und sei laufend kaputt. "Also mach' ich zwei Unterrichtsvorbereitungen, eine mit und eine ohne Technik", sagt Schulz.

Schulleiterin und Eltern in Sorge

Schulz ist wenig optimistisch, dass sich die Personalsituation bessert. "Es wird eher schlimmer, wenn ich mir die Altersstruktur anschaue", sagt sie. Sie wisse nicht, wie es weitergeht. "Mir wird Angst, mit welchem Wissensstand wir die Schüler entlassen werden." So geht es auch dem Vater des Achtklässlers. "Das holen die Schüler nicht auf - den Stoff, den sie jetzt verpassen", sagt er.

MDR (ali/mdc)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 07. September 2022 | 17:50 Uhr