Kreistagswahl Die "Freien Sachsen" ließen einen Toten zur Wahl antreten

20. September 2024, 09:14 Uhr

Bei der Kreistagswahl in Mittelsachsen stand für die rechtsextremen "Freien Sachsen" ein Kandidat auf der Liste, der bereits Monate zuvor gestorben war. Die Partei hat es offenbar nicht an die Wahl-Behörden gemeldet.

Bei der Kreistagswahl in Mittelsachsen stand für die rechtsextremen "Freien Sachsen" ein Toter auf der Liste. Die Kommunalwahlen hatten Anfang Juni parallel zur Europawahl stattgefunden. Dabei trat für die "Freien Sachsen" der Döbelner Erik E. als Kandidat für den Kreistag an – und erhielt 57 Stimmen. E. war allerdings bereits im Februar 2024 gestorben.

Ein Mann mit Mikrfon
Stefan Trautmann in seiner Heimatstadt Döbeln. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wie konnte es dazu kommen? Einer der aktivsten Provokateure der "Freien Sachsen" im Freistaat ist Stefan Trautmann. Der war lange ein NPD-Kader und E. über viele Jahre sein enger Vertrauter. Hinzu kommt: E. war lange mit Trautmanns Schwester liiert. Inzwischen ist Trautmann für die "Freien Sachsen" Stadtrat in seiner Heimatstadt Döbeln. Der Politiker soll sich bis zuletzt um den pflegebedürftigen E. gekümmert haben.

Die Recherche von MDR Investigativ ergab eine auffällige Zeitleiste:

  • November 2023: Die Stadt Döbeln stellt die Wählbarkeitsbescheinigung für Erik E. aus.
  • Ende Januar 2024: Die "Freien Sachsen" reichen ihre Bewerber inklusive Erik E. für die Kreistagswahl ein.
  • Im Februar 2024 stirbt Erik E..
  • 11. April 2024: Der Kreiswahlausschuss wird von den "Freien Sachsen" nicht über den Tod von Erik E. informiert und lässt ihn als Bewerber zu.

Warum blieb der Gestorbene auf der Liste?

Doch warum haben die "Freien Sachsen Mittelsachsen" den Verstorbenen auf der Liste gelassen, obwohl sie ihn hätten runternehmen können? Stefan Trautmann antwortet darauf nur schriftlich: "Der Kandidat Erik E. wurde aus dem Wahlvorschlag für die Stadtratswahl in Döbeln gestrichen, nachdem sein Tod bekanntgeworden ist […] Genau dies wäre aus meiner Sicht auch durch das Landratsamt zu tun gewesen - weshalb die Behörden nicht im Austausch stehen [...], kann ich Ihnen jedoch nicht beantworten."

Doch was Trautmann nicht sagt: Als aufstellende Partei wäre es Sache der "Freien Sachsen" gewesen, die gesonderten Wahlausschüsse für den Stadtrat Döbeln und den Kreistag Mittelsachsen über aktuelle Änderungen bei den Kandidaten zu informieren.

Trautmann hat auch geschrieben, dass nach Einreichen des Wahlvorschlags das Streichen einer Person unmöglich sei, man könnte dann nur alle Bewerber zurückziehen.

Ein Mitglied der freien Sachsen spricht auf einer Veranstaltung auf einem Marktplatz. 15 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Was rechtlich zulässig ist

Doch das stimmt nicht, erklärt der Experte für Kommunalwahlrecht, Ralf Lunau. Der Professor an der Hochschule in Meißen sagt: "Wenn […] ein Bewerber verstirbt, bevor der Wahlausschuss endgültig die Bewerber bestimmt hat, die dann auf den Wahlzettel gedruckt werden, kann die Partei oder Wählervereinigung durch ihre Vertrauenspersonen den verstorbenen Kandidaten durch einen anderen Kandidaten ersetzen." Das Gesetz legt auch fest, dass die betroffene Partei für eine "Nachnominierung" dieser Art weder eine neue Aufstellungsversammlung abhalten noch Unterstützungsunterschriften sammeln muss.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Kandidaten von der Liste zu streichen. Von beiden Varianten haben die "Freien Sachsen" keinen Gebrauch gemacht, sondern mit einem Toten Stimmen gesammelt. Rechtlich ist das zulässig, doch insgesamt fragwürdig. Das Gesetz zwingt eine Partei nicht dazu, einen Bewerber von der Liste zu nehmen, wenn er zwischen der Einreichung des Wahlvorschlags und der Zulassung durch den Wahlausschuss stirbt. Damit wird möglichen Fällen Rechnung getragen, in denen die aufstellende Partei nicht beziehungsweise nicht rechtzeitig vom Tod ihres Bewerbers erfährt.

Wahlmanipulation der "Freien Sachsen" bei Briefwahl

Ebenfalls am 9. Juni bei den Kommunalwahlen sowie bei den Landtagswahlen am 1. September sind Briefwahlscheine zugunsten der "Freien Sachsen" manipuliert worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen einen 44-jährigen Mann aus Dresden-Langebrück wegen des Verdachts der Wahlfälschung.

Nach Informationen von MDR Investigativ ist der Verdächtige im Juni in den Ortschaftsrat von Langebrück gewählt worden. Die "Freien Sachsen" erreichten dort in einigen Wahlbezirken auffallend hohe Ergebnisse bei den Stadtrats- und Ortschaftsratswahlen im Vergleich zu anderen Dresdner Wahlbezirken. Wie die Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage von MDR Investigativ mitteilte, wurden bei der Ortschaftsratswahl mindestens 212 manipulierte Briefwahltimmen für den Kandidaten der "Freien Sachsen" abgegeben - und machten damit fast die Hälfte seines Gesamtergebnisses aus.

Mehr zu den "Freien Sachsen"

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 18. September 2024 | 20:15 Uhr

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