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KinoFilme mit historischer Technik: Verein betreibt Liebhaberkino "Welt-Theater Frankenberg"

26. Dezember 2022, 11:41 Uhr

Neun Jahre stand das Kino in Frankenberg leer, bevor sich im Jahr 2009 der Verein "Welt-Theater Frankenberg" gründete. Das Kino sollte wieder in seinem historischen Glanz erstrahlen und die Liebe zum Film ausdrücken. MDR SACHSEN-Reporterin Anett Linke hat einen Blick hinter die Kulissen geworfen und dabei nicht nur alte Filmprojektoren aus dem Jahr 1937 entdeckt.

Thomas Zschemisch nimmt mich mit auf eine Zeitreise. Er und der Verein "Welt-Theater Frankenberg" haben das alte Kino seit 2009 in liebevoller Kleinarbeit selbst restauriert und ihm sein historisches Gewand zurückgegeben. Und auch die Technik wurde nicht modernisiert. "Dieses Rauschen und das Flimmern gehört einfach auf die Leinwand. Das ist Kino", versucht Zschemisch die Begeisterung in Worte zu fassen.

Filmpremiere eines Defa-Märchens in Frankenberg

Zuerst nimmt er mich mit auf die große Bühne, von der wir einen guten Blick in den Zuschauersaal haben. "Als wir anfingen, gab es nicht einen Sitzplatz", erzählt Zschemisch. "Der Boden war mit einer zentimeterhohen Staubschicht bedeckt und die Leinwand war kaputt." Zuerst haben die Engagierten die Leinwand ein gutes Stück nach hinten versetzt. Zu DDR-Zeiten sei die Leinwand nach vorn versetzt worden, um die Entfernung zu den Filmprojektoren zu verringern.

Auf der Bühne steht ein Klavier und Zschemisch erzählt mir lebhaft, wie es einmal zu einem Stummfilmabend zur Untermalung des Films genutzt wurde. Außerdem habe an diesem Ort 1969 die Filmpremiere des Defa-Märchenfilms "Wie heiratet man einen König" stattgefunden. "Da waren der Regisseur und ein paar Schauspieler hier", erzählt Zschemisch.

Historische Filmtechnik zum Anfassen

Nach der Besichtigung der Bühne führt er mich auf eine Empore über dem Zuschauerbereich. Hier steht alte Kinotechnik, die die Vereinsmitglieder nach und nach zusammengetragen haben. Unter anderem steht hier auch eine Art Heimkinoanlage aus den 1920er-Jahren. "Damit der Film lief, musste die ganze Zeit in der gleichen Geschwindigkeit gekurbelt werden", sagt Zschemisch. Gemeinsam probieren wir es aus und ich bin froh, dass ich für meinen Filmgenuss nicht mehr kurbeln muss.

Projektorenraum mit Technik von 1937

Nun gehen wir ins Herzstück des Kinos, das Zuschauer normalerweise nicht zu sehen bekommen: den Projektorenraum. Stolz zeigt mir Zschemisch die beiden großen Geräte aus dem Jahr 1937. "Sie sind noch genau wie damals im Einsatz", erzählt er. "Nur die Glühstäbe, mit denen sie früher betrieben wurden, mussten wir wegen der Brandgefahr ersetzen."

Der ganze Projektorenraum ist als technisches Denkmal eingestuft worden. Für das Abspielen der Filme werden beide Projektoren gebraucht. Die 35-Millimeter-Filmrollen beinhalten jeweils rund 20 Minuten Film. Danach müssen sie gewechselt werden. Damit es keine Unterbrechung im Film gibt, wird zwischen den beiden Projektoren hin- und hergeschaltet. "Im besten Fall hat man ein durchgehendes Bild und keiner merkt etwas", sagt Zschemisch.

Wir hatten einen Filmriss und da ist der Film stehen geblieben und durch die Temperatur ist der Film vor der Linse geschmolzen. Und genau dieses Schmelzen hat man auf der Leinwand gesehen. Das Publikum hat applaudiert und sagt seitdem immer wieder: 'Wir wollen einen Filmriss.'

Thomas Zschemisch | Fimvorführer im Welt-Theater Frankenberg

Schon beim Einlegen der Filmrolle zeigt sich, dass das Filmvorführen im Welt-Theater gar nicht so einfach ist. Thomas Zschemisch hat die Handhabung von einem ausgebildeten Filmvorführer gelernt. Trotzdem sind auch ihm schon Fehler passiert. "Wir hatten einen Filmriss und da ist der Film stehen geblieben und durch die Temperatur ist der Film vor der Linse geschmolzen", erzählt er. "Und genau dieses Schmelzen hat man auf der Leinwand gesehen." Das Publikum habe applaudiert und würde seitdem immer wieder nach einem Filmriss fragen.

Die Filme selbst bekommt der Verein vom Bundesfilmarchiv oder den Archiven der großen Filmverleiher zur Verfügung gestellt. "Die 35-Millimeter-Filme sind ja nicht mehr normal im Verleih zu haben", sagt Zschemisch. "Aber inzwischen haben wir gute Kontakte und können viele Filme bekommen."

Historische Notstromanlage mit Säurebehältern

Nach dem Vorführraum zeigt mir Zschemisch den dritten Grund, nach historischer Bühne und dem Projektorenraum, warum das Welt-Theater unter Denkmalschutz steht: die Notstromanlage. Auch diese Anlage ist noch original aus dem Jahr 1937. Er öffnet eine Holztür und zeigt mir eine kleine Kammer, in der lauter Glasbehälter mit einer Flüssigkeit stehen. "Darin befindet sich ein Gemisch aus Säure und destilliertem Wasser", erklärt er. Außerdem seien Bleiplatten drin, die mittels Holzplättchen getrennt sind. "Man kann sich das eigentlich vorstellen wie eine Autobatterie, nur dass das Ganze offen ist", sagt Zschemisch.

Diese Anlage wird laut Zschemisch alle zwei Jahre getestet. "Wie lange sie Strom erzeugen kann, wissen wir gar nicht", sagt er. "Bislang haben wir die Tests immer nach drei Stunden abgebrochen und da lief sie noch ohne Probleme."

Kino bietet Filmabende, Lesungen und Schulprojekte

Nach der Führung finden wir uns im gemütlichen Foyer ein. Hier treffe ich auch weitere Mitglieder des Vereins. Insgesamt engagieren sich 35 Personen rein ehrenamtlich für das Kino. Etwa alle zwei Monate findet ein Filmabend statt. Außerdem gibt es Lesungen und Konzerte. Und auch Schulen können ihren Unterricht im Kino abhalten: "Zum Beispiel Physik an den Projektoren oder Chemie an der Notstromanlage", sagt Zschemisch,

Da einige Mitglieder hauptberuflich im sozialen Bereich tätig sind, hat sich eine Kooperation mit der Sächsischen Sozialakademie (SSA) entwickelt. "Zum Beispiel haben uns angehende Erzieher an unserem Advents-Kinotag unterstützt", erzählt Burkhard Werner. Das sei für beide Seiten eine gute Lösung. Die Schüler der SSA könnten ihr theoretisches Wissen am "echten Menschen" erproben und das Kino könnte neben dem Film weitere Angebote, wie zum Beispiel eine Bastelstraße, realisieren.

Breakdance Crew rettet Kino vor dem Aus

Die Bühne stellt der Verein außerdem zweimal in der Woche der hauseigenen Breakdance Crew aus rund 60 Kindern zum Üben zur Verfügung. Als die Corona-Pandemie fast das Aus für das Kino bedeutete, starteten die Tänzer eine Rettungsaktion. "Wir standen vor der Entscheidung den Verein auflösen zu müssen, weil wir finanziell am Ende waren", sagt Zschemisch. Der Online-Spendenaufruf der Breakdance Crew brachte genug Geld ein, um die laufenden Kosten zu decken und das gemeinsame Zuhause zu erhalten.

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 03. Januar 2023 | 14:30 Uhr