Erzgebirgstradition Schwibbögen reisen aus Niedersachsen nach Oederan

25. November 2022, 05:10 Uhr

Im Museum "Die Weberei" in Oederan wird am Sonnabend eine Schwibbogenausstellung eröffnet. Im Advent im Erzgebirge nichts Besonderes, aber die dort gezeigten Exemplare sind allesamt Miniaturausgaben erzgebirgischer Ortsschwibbögen, die oft auf den Marktplätzen erzgebirgischer Städte und Gemeinden stehen. Hergestellt hat die Mini-Schwibbögen in Handarbeit ein Ehepaar fernab des Weihnachtswunderlandes Erzgebirge.

Wer Heike und Wolfgang Lorentz auf ihre Schwibbögen anspricht, kann nicht entkommen. Stundenlang kann das Ehepaar aus Wedemark in Niedersachsen erzählen. Zu jedem Schwibbogen gibt es gleich mehrere Storys. Wie die zwei Niedersachsen, die beide einen Beruf in der Metallbranche erlernt haben, zur erzgebirgischen Handwerkskunst gekommen sind, verrät Heike Lorentz. "Ich wollte einen Schwibbogen haben und habe meine Mann gefragt, ob er so etwas bauen kann."

Er habe geantwortet, was er mit so etwas anfangen solle. "Ich habe damals gesagt, das meinst du jetzt nicht ernst. Ich bin ein erwachsener Mann und jetzt fange ich an und mache hier diese Holzfummelei? Das konnte ich mir nicht vorstellen."

Aus Ablehnung wurde Leidenschaft

Das hat sich vor 20 Jahren in Niedersachsen zugetragen. Mittlerweile föhnt Wolfgang Lorentz seine Säge im Winter sogar warm, damit er im unbeheizten Schuppen weiter an den Schwibbögen arbeiten kann. Seine Frau Heike hat sich Klöppeln und Schnitzen beigebracht.

Seit 2016 legen die beiden Niedersachsen ihr Augenmerk auf den erzgebirgischen Ortsschwibbögen, die als übergroße Arbeiten an markanten Stellen vieler Gemeinden stehen. Etwa 100 Stück haben sie schon in verkleinerter Form nachgebaut.

Auch die Geschichte der Bögen haben sie erforscht, sagt Heike Lorentz. "Das waren doch Menschen, die das gebaut haben, genauso Verrückte wie wir jetzt auch." Die Leute hätten etwas für ihren Ort tun wollen und seien engagiert gewesen.

Das ganze Wissen darüber sei verlorengegangen. "Da gibt es doch den Paul und den Fritz. Einer war Dachdecker, der andere dieses oder jenes." Jeder habe so ein bisschen dazu beigetragen, den Ort zu verschönern. "So sind wir auch. Man muss die Namen nennen, so gibt man den Bögen Gesichter."

Zweite Heimat Erzgebirge

Mittlerweile ist das Erzgebirge für die beiden zu einer zweiten Heimat geworden. Fünf Mal im Jahr kommen sie in die Region und haben viele Freunde gefunden. Sogar die Materialien für ihre Bögen kaufen sie hier, sagt Wolfgang Lorentz.

"Wir bringen immer schon unser Sperrholz, die Farbe und die Sägeblätter aus dem Erzgebirge mit." Nur die kleine Dekupiersäge, die sie für 59 D-Mark vor mehr als 20 Jahren im Baumarkt gekauft hätten, sei aus Niedersachsen. "Mit dieser Säge haben wir bisher alles gemacht, wir haben auch keine andere Säge", sagt Lorentz.

Sohn: Wenn ein Schwibbogen auf dem Klodeckel steht, komme ich nicht mehr

Dass die Schwibbögen nicht nur in ihrem Dreiseithof in Wedemark zu sehen sind, sondern jetzt auch im Oederaner Museum "Die Weberei", hat Heike Lorentz ihrem Sohn zu verdanken. "Wir hatten die Schwibbögen sogar auf der Waschmaschine vor der Toilette aufgestellt." Ihr Sohn habe gesagt, das sei ja wie im Museum. Sie sollten die Schwibbögen in einer Ausstellung zeigen. "Er hat gesagt, wenn auf dem Klodeckel noch einer steht, komme er nicht mehr zu Besuch."

Die Sonderausstellung Schwibbogen trifft Schnitzerei ist ab Sonnabend geöffnet. Bis zum 26. Februar kann sie besichtigt werden. Wer die Ausstellung in diesem Jahr nicht besuchen kann, sollte sich den 1. Advent 2023 im Kalender ankreuzen. Dann sind die Miniatur-Schwibbögen in Dippoldiswalde zu sehen.

MDR (trf/mdc)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 24. November 2022 | 16:30 Uhr

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