Denkmalschutz Früheres KZ Sachsenburg: Abriss von Kommandantur löst Empörung aus

15. Oktober 2022, 16:06 Uhr

In Frankenberg soll eine neu geplante Gedenkstätte an das frühere KZ Sachsenburg erinnern. Dafür hat der Stadtrat ein Konzept beschlossen. Aus Fördertöpfen der Bundesregierung und Sachsens sollen dafür bis zu fünf Millionen Euro fließen. Doch seit Mittwoch wird die vollständig erhaltene Kommandantenvilla abgerissen. Die Stadt Frankenberg hat den umstrittenen Abriss in Auftrag gegeben. Das löst unter Fachleuten und Ehrenamtlichen Empörung aus.

Auf dieser Seite:

Der Abriss der früheren Kommandantenvilla im einstigen Konzentrationslager Sachsenburg sorgt bei Denkmalschutz-Experten für Empörung. Denkmalschützer, Künstler und Historiker wollen nach der Nachricht vom begonnenen Abriss wenigstens Reste des Gebäudes erhalten und fachgerecht sichern lassen.

Eine baufällige Villa ist mit Bäumen überwuchert und von einem Bauzaun umgeben.
Die frühere Kommandantenvilla im KZ Sachsenburg galt vor dem Abriss laut Denkmalbehörde als nicht mehr vollständig sanierbar. Das Gebäude sei baufällig und vom Hausschwamm befallen. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Täterspuren könnten vernichtet werden

Bereits vor dem Anrollen der Bagger hat eine Gruppe international annerkannter Denkmalpfleger von verschiedenen deutschen Universitäten mit einer Petition vergeblich versucht, den Abriss der Villa zu verhindern. Ihr Vorwurf: die Bagger würden "Spuren der Täter" vernichten. Laut Petition wird die vollständig erhaltene Villa bis zur "Oberkante Kellerdecke" abgebrochen. Die Stadt Frankenberg habe das Gebäude 2015 von einem Investor übernommen und den Abriss beschlossen. Laut von der Stadt beauftragten Gutachtern sei das Kommandantenhaus baufällig und vom Hausschwamm befallen.

Nachdem die Bagger bereits ihre Arbeit begonnen haben, fordern die Denkmalpfleger einen Abrissstopp oder zumindest eine Unterbrechung, um historische Beweise durch einen "unabhängigen Denkmalpfleger mit KZ-Expertise" zu sichern, auch um Verbrechen aus dieser Zeit nachzuweisen. Erreichen wollen sie das beispielsweise mit einer einstweiligen Verfügung, wie am Sonnabend ein ehrenamtlicher Denkmalpfleger MDR SACHSEN sagte.

Geschichte wird durch originale Orte erhalten und vorgehalten. Deren Material ist ein Wissensspeicher. Ohne es kann ich keine Geschichten erzählen.

Professor Thomas Danzl Denkmalpfleger und Konservator

Als "Vandalismus" hat der Denkmalpfleger und Unesco-Berater Professor Thomas Danzl den Abriss bezeichnet. "Geschichte wird durch originale Orte erhalten und vorgehalten. Das originale Material ist dafür ein Wissensspeicher", begründet er seine Haltung. Die Kommandantenvilla habe im Zentrum des Geschehens im Lager gestanden, sagte er im Gespräch mit MDR SACHSEN. Der Münchner Professor fordert die fachgerechte Bergung historischer Bestandteile und die Sicherung der Ruine. Dafür sei es noch nicht zu spät, sagte er am Sonnabend.

"Sowohl finanziell als auch technisch ist der Umgang mit Hausschwamm in Ostdeutschland erfolgreich belegt. Ohne das wären in Quedlinburg oder Meißen viele historische Gebäude nach der Wiedervereinigung nicht erhalten worden." Danzl hat zehn Jahre in Dresden an der Hochschule für Bildende Künste gelehrt und das Wandgemälde am Kulturpalast "Der Weg der Roten Fahne" mit vor dem Abriss bewahrt.

Verein sieht Zukunft der Gedenkstätte in Gefahr

"Empört" über den Abriss zeigte sich Gisela Heiden. Die Vorsitzende des Gedenkvereins "Lagerarbeitsgemeinschaft KZ Sachsenburg", sprach in einer Mitteilung am Freitag von einem "totalen Versagen der politischen Verantwortlichen". Namentlich wurde Frankenbergs Bürgermeister Thomas Firmenich (parteilos) genannt. Heiden sei besorgt, "als Nachkomme eines ehemaligen Häftlings" über die Zukunft der Gedenkstätte. Die Vereinsvorsitzende sieht nun auch das Gebäude mit den Haftzellen und der Wäschemangel vom Abriss bedroht.

Am Mittwoch hatte eine Recyclingfirma mit dem von der Stadt Frankenberg beauftragten Abriss begonnen. Am Freitag stand nach Informationen von MDR SACHSEN nur noch die Hälfte des Gebäudes. Der Abriss war zuvor von der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landkreis Mittelsachsen genehmigt worden.

Sendungsbild
Thomas Firmenich ist Bürgermeister Stadt Frankenberg Bildrechte: MDR/Ben Arnold, honorarfrei

Kulturministerin hält an demokratischen Verfahren fest

Die Stadt Frankenberg erhielt Unterstützung vom Land. Die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) hatte im Sommer bei MDR SACHSEN von einem "demokratischen und fachlichen Verfahren" gesprochen, dessen Ergebnis man respektieren müsse. Die von Bund und Land in Aussicht gestellten Fördermittel von bis zu fünf Millionen Euro würden demnach nur fließen, wenn das von Stadtrat und Bund genehmigte Konzept beibehalten würde.

Für die Gestaltung der geplanten Gedenkstätte war bei der Stadt Frankenberg 2020 ein Architektenwettbewerb durchgeführt worden, über den der Rat entschieden hatte. Das Konzept wurde laut Klepsch auch von der obersten Bundesbehörde für Kultur akzeptiert. Laut einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" soll die Stadt den Abriss mit 30.000 Euro aus genehmigten Corona-Mitteln des Freistaates Sachsen bezahlen. Frankenbergs Bürgermeister Firmenich war am Sonnabend für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

KZ war auch Ausbildungsstätte für SS-Truppen

Das Konzentrationslager Sachsenburg wurde laut der Petition im Jahr 1933 eingerichtet und war ab 1934 das einzige KZ in Sachsen. Es war Ausbildungsstätte für die SS-Wachtruppen, aus denen später die SS-Totenkopfverbände hervorgingen, eine der Keimzellen der späteren Waffen-SS. Damit stelle das KZ Sachsenburg eine "Brücke" dar zu den nach 1936 errichteten Großlagern wie Buchenwald und Sachsenhausen, heißt es in der Petition weiter. 

MDR (wim, tfr)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 27. Juli 2022 | 08:00 Uhr

Mehr aus Freiberg

Mehr aus Sachsen