Asylunterkunft Wohnraum für Geflüchtete: Landkreis Mittelsachsen plant Neubauten

15. Februar 2023, 16:51 Uhr

Die Landkreise haben immer mehr Mühe, Wohnraum für Geflüchtete zu finden. Über fehlende Kapazitäten zur Aufnahme will auch der Flüchtlingsgipfel am Donnerstag in Berlin beraten. Allerdings gibt es bereits Initiativen einzelner Landkreise - so auch in Mittelsachsen.

Der Landkreis Mittelsachsen will für die Unterbringung von Geflüchteten neue Wege gehen und eigene Unterkünfte errichten. Laut Landratsamt wird es immer schwieriger und teurer, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Durch eigene Kapazitäten könne der Landkreis unabhängiger werden und die Asylbewerber fairer verteilen. Bislang seien die Städte Freiberg und Hainichen überproportional belastet, so das Landratsamt. Vor allem in den Städten käme es zu Problemen, besonders mit Blick auf Schulen und Kindergärten. Diese ließen sich mit dem Bau eigener Unterkünfte vermeiden, hieß es.

Mittelsachsen Vorreiter in Deutschland

Mit dem Ansinnen ist der Landkreis in Sachsen Vorreiter. Ihr seien keine weiteren Landkreise bekannt, die selbst Wohnungen bauen wollen, sagte Veronika Müller, stellvertretende Geschäftsführerin des Sächsischen Landkreistages. Die Kreise stünden bei der Unterbringung vor einer großen Herausforderung. Angesichts einer enormen Zahl Geflüchteter sei diese kaum noch zu bewältigen. "Es wird immer schwieriger, akzeptierte und überhaupt geeignete Unterkünfte zu finden", erklärte Müller.

Am Donnerstag sollen die steigende Zahl von Schutzsuchenden und die damit einhergehenden Herausforderungen in den Landkreisen Thema bei einem Flüchtlingsgipfel in Berlin sein. Diesen hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einberufen. Die Landkreise fordern bereits im Vorfeld mehr Unterstützung vom Bund. Allein in Mittelsachsen wurden im vergangenen Jahr 726 Personen zugewiesen. 2021 waren es 493 Menschen gewesen.

Neubau bringt keine sofortige Entlastung

Schnelle Entlastung könnten Neubau oder Sanierung aber nicht bringen, so das Landratsamt Mittelsachsen. Allein von der Genehmigung bis zur Fertigstellung brauche es 16 bis 18 Monate, hieß es. Ziel sei es, die Wohnungen über ein Tochterunternehmen zu schaffen und das Ganze durch Landeszuweisungen für belegte Plätze zu refinanzieren. Für den 1. März hat der Landkreis nach eigenen Angaben alle großen Vermieter zu einem regionalen Gipfel geladen, um die aktuelle Lage besser einschätzen zu können. Die aktuellen Kapazitäten seien sehr ausgelastet.

Die Herausforderung liegt auch darin, geeigneten Wohnraum mit entsprechender Infrastruktur und der nötigen Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden.

Veronika Müller Sächsischer Landkreistag

Alle Landkreise eine das Ziel, auf Notlösungen so lange es geht zu verzichten, heißt es beim Landkreistag. Vor allem Turnhallen sollten möglichst nicht belegt werden. "Die Herausforderung liegt auch darin, nicht nur einen Wohnraum zu finden, sondern geeigneten Wohnraum, mit entsprechender Infrastruktur und der auch die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung findet", betonte Müller. Es sei nicht immer einfach, hier verschiedene Interessen in Einklang zu bringen. Seit längerem wiesen die Landräte darauf hin, dass sich die Lage bei der Unterbringung zuspitze, erklärte Müller.

Forderungen an die Bundesregierung

Der Landkreistag fordert nun eine "Wohnraumoffensive" aus Liegenschaften des Bundes und eine komplette Erstattung der Unterbringungskosten durch den Bund, da er Einfluss auf die Zahl und Aufenthaltsdauer Geflüchteter habe, so Müller. Zudem brauchten die Landkreise einen finanziellen Ausgleich für erforderliches Personal. Darüber hinaus brauche es stärkere Grenzkontrollen, beschleunigte Asylverfahren und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Der Bund sei spät dran, habe aber die Problemlage der Kommunen jetzt offenbar erkannt, sagte Müller der "Sächsischen Zeitung".

Lob aus dem Sächsischen Landtag

Bei Linken, Grünen und SPD im Landtag stößt der Vorschlag für den Bau eigener Unterkünfte auf Zustimmung. Der Staat müsse handlungsfähig bleiben, statt sich von privaten Vermietern mit ihren teils horrenden Mietforderungen abhängig zu machen, sagte Juliane Nagel von der Linken. Das Vorhaben in Mittelsachsen müsse vom Land unterstützt werden und könne ein Beispiel für andere Landkreise sein. "Auf diese Weise können die Landkreise und Kommunen langfristig eine gute Verteilung und humane Unterbringung der Geflüchteten gewährleisten", sagte auch Petra Cagalj Sejdi, Sprecherin für Asyl, Migration und Integration bei den Grünen.

Der Schwerpunkt dezentraler Unterbringung und die dauerhafte Schaffung bezahlbarer Wohnangebote fördern die Integration.

Albrecht Pallas SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag

SPD-Politiker Albrecht Pallas lobte den Vorstoß von Landrat Dirk Neubauer (parteilos). Statt wie andere "Das Boot ist voll" zu rufen, würden in Mittelsachsen nachhaltige Lösungen geschaffen. "Der Schwerpunkt dezentraler Unterbringung und die dauerhafte Schaffung bezahlbarer Wohnangebote fördern die Integration", so Pallas. Bund und Land müssten solche Initiativen unterstützen, indem sie geeignete Grundstücke zur Verfügung stellen.

CDU und AfD zurückhaltend

Die CDU-Fraktion verwies auf die Zuständigkeit der kommunalen Ebene für die Unterbringung von Flüchtlingen und wollte den Vorstoß deswegen nicht bewerten. AfD-Partei- und Fraktionschef Jörg Urban äußerte allgemein zum Umgang mit Geflüchteten. Er forderte einen "sofortigen Aufnahme-Stopp, Grenzkontrollen und eine Abschiebe-Offensive." Die Asylkapazitäten auszuweiten führe zum "finanziellen Kollaps der Kommunen und belastet den sozialen Frieden in Sachsen", so Urban. Richtig wäre es, außerhalb Europas Zentren zu betreiben, in denen die Schutzbedürftigkeit geprüft wird. Nur anerkannte Flüchtlinge würden dann die Erlaubnis zur Einreise nach Deutschland erhalten.

MDR (ben)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 15. Februar 2023 | 07:30 Uhr

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