Eine Justitia Figur.
Die rechtliche Beurteilung des "Hängt-die Grünen-Plakats" der rechtsextremen Partei "Dritter Weg" ist nicht so einfach. Die Macher scheinen die Rechtsprechung gut zu kennen. Bildrechte: MDR/Silke Wild/ Panthermedia

Justiz "Hängt die Grünen"-Plakate könnten Fall fürs Bundesverfassungsgericht werden

04. November 2022, 19:56 Uhr

Seit im Bundestagswahlkampf 2021 in Zwickau Plakate der rechtsextremen Partei "Dritter Weg" mit dem Slogan "Hängt die Grünen" auftauchten, sind diese ein Fall für die Justiz. Obwohl in München nun zwei Parteimitglieder wegen Volksverhetzung verurteilt wurden, will das Amtsgericht Zwickau kein Hauptverfahren gegen zwei weitere Mitglieder der Partei eröffnen. Ein Leipziger Verfassungsrechtler hält das für vertretbar. Er erwartet, dass letztendlich erst das Bundesverfassungsgericht für Klarheit sorgen kann.

Der Streit um den Umgang mit Hetzplakaten der rechtsextremen Partei "Dritter Weg" mit dem Slogan "Hängt die Grünen" geht in die nächste Runde. Während das Amtsgericht München jüngst zwei Männer verurteilt und die Plakate als Volksverhetzung und Aufruf zum Totschlag gewertet hat, hat es das Amtsgericht Zwickau abgelehnt, ein Hauptverfahren zu eröffnen, wie am Donnerstag die "Freie Presse" berichtete.

Staatsanwaltschaft reicht Beschwerde ein

Hintergrund der Ablehnung seien demnach "rechtliche Gründe". Was das genau bedeutet, erläuterte der Sprecher des Amtsgerichts Zwickau, Frank Hoffmann, auf Anfrage von MDR SACHSEN nicht. Außerdem liege der Fall durch die inzwischen erfolgte Beschwerde der Staatsanwaltschaft nun beim Landgericht. Daher könne er nicht mehr auf die Datei zugreifen, sagte der Sprecher.

Das Amtsgericht hat es abgelehnt, das Hauptverfahren zu eröffnen, da aus Sicht des Gerichts nicht klar abgrenzbar sei, wer mit 'Grüne' auf dem Plakat gemeint sei.

Ines Leonhardt Sprecherin der Staatsanwaltschaft Zwickau

Anders die Staatsanwaltschaft Zwickau. Sie teilte die Gründe im Gespräch mit MDR SACHSEN mit: "Das Amtsgericht hat es abgelehnt, das Hauptverfahren zu eröffnen, da aus Sicht des Gerichts nicht klar abgrenzbar sei, wer mit 'Grüne' auf dem Plakat gemeint sei. Es könnten demnach Politiker, grüne Parteimitglieder oder auch alle Personen mit einer grünen Einstellung sein“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Zwickau, Ines Leonhardt.

Landgericht entscheidet, ob noch verhandelt wird

Leonhardt fügte an: "Wir als Staatsanwaltschaft teilen diese Einschätzung nicht. Jeder unvoreingenommene Betrachter kommt zu dem Schluss, dass es auf dem Plakat um die Mitglieder der Partei 'Die Grünen' geht." Ähnlich wie das Amtsgericht München sehe man daher den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt an, sagte die Staatsanwältin.

Ähnlich wie das Amtsgericht in München sehen wir den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt an.

Ines Leonhardt Sprecherin der Staatsanwaltschaft Zwickau

Das Landgericht in Zwickau muss nun den Angaben zufolge entscheiden, ob es am Amtsgericht doch noch zu einer Verhandlung kommt und wann diese stattfindet. Wie schnell die Entscheidung fällt, ist derzeit nicht absehbar. "Das ist ganz schwer zu sagen. Das kann von vier Wochen bis zu einem halben Jahr dauern", sagte Ines Leonhardt.

Verfassungsrechtler: Plakat könnte von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Wie kompliziert die Beurteilung des Falls ist, beschreibt der Leipziger Verfassungsrechtler Prof. Jochen Rozek im Gespräch mit MDR SACHSEN: "Das hat mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu tun. Es verlangt bei seiner berühmten 'Soldaten-sind-Mörder-Entscheidung', dass bei mehrdeutigen Äußerungen alternative Deutungen, die nicht zu einer Strafbarkeit führen, mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden müssen."

Das sei im vorliegenden Fall aber gerade der zentrale Punkt, weil dort nicht nur "Hängt die Grünen" stehe, sondern es noch einen kleingedruckten Zusatztext gebe und die Plakate zudem in grüner Farbe gehalten seien.

Prof. Dr. Jochen Rozek hält vor einem Bücherregal das Gesetzbuch über Ausländerrecht in Händen.
Bildrechte: MDR/Sabine Cygan

Ich nehme an, dass der Partei oder ihrem Rechtsberater die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertraut gewesen ist und daher das Plakat durchaus absichtsvoll so konzipiert worden ist.

Prof. Jochen Rozek Verfassungsrechtler an der Uni Leipzig

Äußerung darf nicht aus Kontext gerissen werden

"Ich nehme an, dass der Partei oder ihrem Rechtsberater die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertraut gewesen ist und daher das Plakat durchaus absichtsvoll so konzipiert worden ist", sagte Rozek und ergänzte: "Wenn mehrere Äußerungen zusammenfallen, wie auf dem Plakat, dann darf prinzipiell nicht eine Äußerung aus dem Kontext herausgezogen und isoliert betrachtet werden. Das ist das Problem. Es muss der gesamte Kontext berücksichtigt werden." Die bloße Möglichkeit einer Volksverhetzung reiche nicht aus, um die Meinungsfreiheit einzuschränken, so der Verfassungsrechtler.

OVG-Eilentscheidung mit "heiklem Punkt"

Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Bautzen, das 2021 in einer Eilentscheidung festlegte, dass die Plakate volksverhetzend sind und daher abgehängt werden müssen, bezeichnet der Jurist als "robuste Argumentation". "Das OVG war der Ansicht, man brauche den Zusatztext wegen der kleineren Schriftgröße im Vergleich zur Erstaussage 'Hängt die Grünen' nicht zu berücksichtigen. Er sei aus der Entfernung ohnehin nicht wahrnehmbar." Diese Begründung halte er für einen heiklen Punkt. "Letztlich wird das nur das Bundesverfassungsgericht verbindlich entscheiden können", sagte Rozek.

Bisherige juristische Einordnungen & gerichtliche Entscheidungen Die Plakate hatten voriges Jahr im Bundestagswahlkampf für Wirbel gesorgt. Nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz durften sie in Zwickau zunächst hängen bleiben. Nach einer Beschwerde der Stadt entschied das Oberverwaltungsgericht jedoch, dass sie abgehängt werden müssen. Sie erfüllten den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung, befanden die Richter in Bautzen. Daher seien sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Auch die Staatsanwaltschaft Zwickau hatte damals zunächst Ermittlungen abgelehnt, sodass die Generalstaatsanwaltschaft intervenierte. Im Frühjahr hatte die Staatsanwaltschaft Zwickau dann laut einer Sprecherin Anklage beim Amtsgericht gegen zwei Männer, darunter den Landesvorsitzenden des "Dritten Weges", wegen gemeinschaftlicher Volksverhetzung erhoben.

MDR (ben/sth)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 03. November 2022 | 12:00 Uhr

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