Unvergessen Wilkau-Haßlau: Eine ganze Region feiert einstige Schmalspurbahn
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03. Juni 2023, 17:14 Uhr
Das gab es zuletzt vor 50 Jahren: Eine Schmalspurbahn-Lok macht am Bahnhof Wilkau-Haßlau Dampf. An diesem Wochenende ist sie allerdings nur auf einer knapp 80 Meter langen Strecke unterwegs und erinnert an die Stilllegung von Sachsens erster und steilster Schmalspurbahn, die bis zum Abend des 2. Juni 1973 knapp 92 Jahre lang von Wilkau-Haßlau bis Kirchberg und auch einst hinauf nach Carlsfeld im Erzgebirge schnaufte. Ältere Menschen aus der Region erinnern sich noch an diese Zeit.
- Senioren erinnern sich an Holzbänke und Kohleöfen in den Waggons.
- Die Preßnitztalbahn aus dem Erzgebirge schafft Dampflok per Tieflader nach Wilkau-Haßlau.
- Ersatzverkehr mit Bussen entlang der einstigen Bahnstrecke ist gut ausgelastet.
Eine ganze Region feiert an diesem Wochenende eine Schmalspurbahn, die schon seit 50 Jahren nicht mehr fährt. Am 2. Juni 1973 startete der letzte Zug in Wilkau-Haßlau Richtung Kirchberg - damals unter reger Anteilnahme der Menschen in den Ortschaften, die fortan den Bus nehmen mussten. Vergessen ist die Bimmelbahn, die einst bis hinauf nach Carlsfeld führte, Betriebe und Menschen an das Eisenbahnnetz anschloss, aber keineswegs. Zu verdanken ist das unter anderem dem Bürgermeister der Stadt Wilkau-Haßlau im Landkreis Zwickau. Auf Initiative von Stefan Feustel wurde das Fest entlang der einstigen Strecke auf die Beine gestellt, unterstützt vom Freistaat Sachsen, weiteren Kommunen und Eisenbahnvereinen.
Ansturm schon zum Festauftakt
Offenbar hat der Rathauschef den Nerv seiner Bürgerinnen und Bürger getroffen. Schon am Sonnabendvormittag herrschte Gedränge an dem zu einem Begegnungs- und Jugendzentrum umgebauten ehemaligen Bahnhof von Wilkau-Haßlau. Gekommen waren keineswegs nur eingefleischte Eisenbahnenthusiasten, sondern auch Menschen, die einst mit der Bimmelbahn zur Arbeit fuhren oder Ausflüge machten. Zu ihnen gehörten Margaretha und Bernhard Karger. Sie erinnern sich noch genau an das kleine Bahnel. "Wir haben mit der Schulklasse im Winter nach Carlsfeld zum Skifahren die Züge genommen", sagt der Senior. Auch seine Frau erinnert sich an ähnliche Zugfahrten, an die Holzbänke und die Kohleöfen in den einzelnen Waggons.
Dampflok wird per Tieflader herangeschafft
Einen Hauch dieser Zeit hat die Preßnitztalbahn für ein Wochenende zurück nach Wilkau-Haßlau gebracht. Per Tieflader wurde eine Lok der Baureihe IV K aus Jöhstadt herangeschafft - diese Lok soll auch bis 1973 mit anderen Maschinen die letzten Züge hinauf nach Kirchberg befördert haben. Auf einem erst kürzlich wiedererrichteten Museumsgleis hatte die Lok mit der Nummer 99 1594 - im Jahr 1914 in Chemnitz gebaut - zwar wenig Auslauf. Auf knapp 80 Metern hatten jetzt jedoch vor allem die Kinder viel Spaß an einer Mitfahrt im Führerstand. Für die Größeren gab es Fachkundiges vom Lokpersonal und schöne Fotomotive.
Familie lobt familiäre Atmosphäre
Ganz zufällig ist Henrik Flaegel mit seiner Frau und seinen zwei Kindern beim Schmalspurbahnfest gelandet. Der Wismarer berichtet, dass er derzeit wegen eines Familienfestes zu Besuch in Wilkau-Haßlau sei. Als sie die Dampflok entdeckten, ging es mit Sohn Matteo natürlich zum Bahnhof und hinauf auf die Lok. Der Dreijährige strahlte übers ganze Gesicht und winkte stolz seiner Mama aus dem Führerstand der fahrenden Lok zu. Henrik Flaegel lobte die entspannte Atmosphäre. "Es ist alles angenehm familiär hier."
Busse verbinden Orte entlang der einstigen Bahnstrecke
Ganz so entspannt war es für Bürgermeister Stefan Feustel nicht. Er war damit beschäftigt, einen weiteren Bus zu organisieren. Jede Stunde startete ein Bus quasi im Schienenersatzverkehr von Wilkau-Haßlau über Kirchberg hinauf nach Carlsfeld und in der Gegenrichtung. Allerdings sei schon der erste Bus so voll gewesen, dass Feustel noch ein Reservefahrzeug heranholte.
Ein älteres Ehepaar verzichtete indes auf die Busfahrt und startete mit dem Fahrrad entlang der ehemaligen Schmalspurbahn. "Wir probieren einfach aus, wie weit wir kommen", sagten sie und traten in die Pedale. In Kirchberg sollte es erst einmal Vesper geben. Durch Cunersdorf bis Kirchberg zeigten Schilder den ehemaligen Verlauf der Gleise. Das Stationsschild eines früheren Haltepunktes und das Andreaskreuz eines ehemaligen Bahnübergangs wurden dort extra fürs Festwochenende wieder aufgestellt.
Mehr Tourismus auf Spuren der Schmalspurbahn geplant
Wilkau-Haßlaus Bürgermeister Feustel blickt ob des Erfolgs bereits voraus. Er könne sich regelmäßige Veranstaltungen mit Bezug zu Bahn und Rad entlang von Sachsens einst längster, steilster und ältester Schmalspurbahn-Strecke vorstellen, sagt er. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen in den Rathäusern und Gemeindeämtern, mit der Museumsbahn Schönheide (Schönheide - Stützengrün Neulehn) sowie dem "Wernersgrüner Schienenexpress" (Schönheide Süd - Hammerbrücke) stehe er bereits in Kontakt.
Und auf dem Museumsgleis in Wilkau-Haßlau soll in den nächsten Jahren ein historischer Schmalspurwagen aufgestellt werden und dauerhaft die Erinnerung an die kleine Bahn durchs Rödelbachtal aufrecht erhalten. Eine Dampflok werde auf dem kurzen Schmalspurbahngleis aber so schnell wohl nicht wieder schnaufen, sagt der Kommunalpolitiker. Die Kosten seien einfach zu hoch für eine Kommune. Dieses Mal habe die Pressnitztalbahn das besondere Spektakel mit einem Freundschaftspreis ermöglicht, hieß es. Für das Unternehmen aus dem Erzgebirge sei die Dampflok auch ein wenig Werbung für eigene Sonderfahrten und für die Museumsbahn Jöhstadt - Steinbach.
Ehemalige Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau - Carlsfeld Die Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau - Carlsfeld mit der Spurweite 750 Millimeter wurde ab 1881 schrittweise in Betrieb genommen und ab 1965 wieder etappenweise stillgelegt. Sie bot in Wilkau-Haßlau Anschluss an die normalspurige (1.435 Millimeter Spurweite) Eisenbahnstrecke Zwickau - Schwarzenberg und in Schönheide Süd an die Linie Chemnitz - Adorf. Die Bimmelbahn überwand auf einer Streckenlänge von gut 41 Kilometern einen Höhenunterschied von 536 Metern. Viele Betriebe entlang der Strecke hatten eigene Gleisanschlüsse, über die sie beliefert wurden und ihre fertigen Erzeugnisse versandten. Zwischen Stützengrün und Schönheide wird ein vier Kilometer langer Abschnitt als Museumsbahn von einem Verein betrieben.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 02. Juni 2023 | 19:00 Uhr