Auf einem Krankenschein steht der Schriftzug Long Covid.
Die Diagnose Long-Covid haben manche Ärzte in Sachsen zuächst nur zückhaltend gestellt. Bildrechte: imago images/Steinach

Forschung Mediziner-Kongress in Dresden will Long-Covid-Patienten Mut machen

10. Dezember 2022, 07:00 Uhr

In Dresden haben sich Mediziner aus ganz Deutschland getroffen, um auf einem Kongress unter anderem über Long-Covid zu reden. Mit neuen Behandlungsansätzen wollen sie Betroffenen noch besser helfen. Bisher fühlten sich manche Long-Covid-Patienten in Sachsen alleingelassen.

Corona überstanden, aber trotzdem arbeitsunfähig. Auch in Sachsen hat Long-Covid schon so manchen aus der Bahn geworfen. Um den Betroffenen besser zu helfen, tauschen sich Mediziner aus ganz Deutschland noch bis Sonnabend in Dresden über aktuelle Forschungsergebnisse und neue Behandlungsansätze aus.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR), Prof. Thomas Platz, räumt dabei ein, dass auch Ärzte bei Long-Covid am Anfang im Dunkeln getappt sind. "Das Thema Post- und Long-Covid hat viele verunsichert. Es gab jede Menge Fragen. Auch für Ärztinnen und Ärzte sowie für Therapeutinnen und Therapeuten war diese komplexe Situation zunächst nicht ganz klar", sagt der Neurologe.

Wichtig ist zu erkennen, dass Post- und Long-Covid nicht eine Krankheit sind, sondern dahinter individuell sehr unterschiedliche Krankheitskonstellationen stehen.

Prof. Thomas Platz Neurologe und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation

Neurologe macht Covid-Patienten Hoffnung auf verbesserte Therapie

Doch trotz der schwierigen Lage macht der Mediziner den Menschen Hoffnung: "Es gibt zwar nicht den einen Bluttestwert, mit dem man Post- und Long-Covid untersuchen kann, dennoch zeigen Ergebnisse aus Dresden und der Post-Covid-Ambulanz in Berlin Wege auf, mit denen man im Bereich der Neurologie und Neurorehabilitation diesem Problem begegnen könnte."

Mit neuropsychologischen Tests könne man beispielsweise Konzentration, Gedächtnisleistung und planerisches Denken genau erfassen. "Auf diese Weise lässt sich feststellen: Aha, da gibt es tatsächlich objektiv Einschränkungen der Konzentration und der Merkfähigkeit. Indem man weiß, wo das Problem herrührt, welche Körperfunktionen betroffen sind, kann man dann eine Behandlung anbieten, die über die Zeit wieder zu einer Besserung führt", erklärt Platz.

Wichtig sei zu erkennen, dass Long- und Post-Covid keine einzelne Erkrankung sind, sondern dahinter immer sehr unterschliche Krankheitskonstellationen stünden. Man müsse jeweils aufgrund der Symptome gucken, welche Diagnostik einen weiterbringe, bevor es eine individuelle Behandlung gebe.

Ich hatte keine Ausdauer mehr und es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren.

Elke Langheinrich Long-Covid-Patientin

Long-Covid wegen Kopfverletzung zunächst nicht erkannt

Dass es mitunter sehr schwierig sein kann die eigene Long-Covid-Erkankung zu entdecken, beweist der Fall der 51 Jahre alten Heike Langheinrich aus Neukirchen im Zwickauer Land. "Ich hatte im November 2020 Corona. Im Januar 2021 habe ich mich dann am Kopf gestoßen. Kopfschmerzen und Schwindel habe ich daher erstmal auf diese Gehirnerschütterung geschoben", sagt die Erzieherin. Im April desselben Jahre seien dann die Kopfschmerzen besser geworden, allerdings sei sie weiterhin geschwächt gewesen. "Ich hatte keine Ausdauer mehr und es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren. Außerdem konnte ich nicht mehr schmecken und riechen", erinnert sich Langheinrich.

Ärzte wollen nicht von Long-Covid sprechen

Ihren behandelnden Ärzten reichten diese Anzeichen anscheinend noch nicht aus. Sie hätten gezögert, von Long-Covid zu sprechen. "Die haben immer versucht, das auf was anderes zu schieben. Es wurde einem das Gefühl vermittelt, dass man sich das nur einbildet." Erst in der Reha ändert sich das. Dort stellen Ärzte schließlich die Diagnose Long-Covid. Besser geht es Heike Langheinrich zu diesem Zeitpunkt nicht, stattdessen verschlimmert sich ihre Lage immer weiter.

"Die Reha war für mich zu anstrengend. Es gab zu viele Belastungen." Erst jetzt bei ihrer zweiten Reha in Pulsnitz fühle sie sich wohler und vor allem verstanden. Als Erzieherin wird die 51-Jährige nicht mehr arbeiten können: "Einen Geräuschpegel von 15 Kindern kann ich einfach nicht mehr ertragen. Mir ist es schon zu viel, wenn das Radio zu laut ist", sagt Langheinrich.

Blackout beim Autofahren

Eine ähnliche Odyssee wie Elke Langheinrich hat auch die 43 Jahre alte Beate Pietschmann aus Zittau hinter sich. "Ich hatte im Dezember 2020 meine erste Corona-Infektion. Bei meiner Arbeit für einen Pflegedienst habe ich einige Zeit später gemerkt, dass ich schnell außer Puste bin, wenn ich Treppen hochsteige, um Patienten zu besuchen. Außerdem hatte ich beim Autofahren so Blackouts. Ich wusste nicht mehr, wo ich hinfahren muss, denkt Pietschmann an die einschneidenden Momente zurück. Dennoch habe sie zunächst gedacht, dass alles eine Frage der Zeit sei und es schon wieder besser werde.

Die Ärzte halten sich mit der Diagnose Long-Covid immer sehr bedeckt.

Beate Pietschmann Long-Covid-Patientin

Nach zweiter Corona-Infektion nicht mehr auf die Beine gekommen

"Bis mir irgendwann dämmerte, dass das ja Folgen von Corona sein könnten", so die 43-Jährige. Trotzdem versuchte sie weiter ihren Alltag zu meistern und lange Zeit ging das auch gut, bis sie sich Ostern 2022 erneut mit Corona infizierte. "Seitdem bin ich so geschwächt, dass ich gar nicht mehr auf die Beine gekommen bin." Mit der Diagnose Long-Covid waren die Ärzte auch in ihrem Fall zurückhaltend. "Die halten sich immer alle sehr bedeckt mit dieser Diagnose, obwohl es ja nachvollziehbar ist, dass es mir so gegangen ist, seit ich Corona hatte."

Gehirnjogging und Reaktionsübungen bei Reha in Pulsnitz

Mittlerweile ist sie bei der Reha in Pulsnitz und versucht sich Stück für Stück in ihr altes Leben zurückzukämpfen. "Wir machen hier viel Gehirnjogging, um das Gedächtnis anzuregen. Auch Reaktionsübungen stehen auf dem Programm, damit man wieder schneller reagieren kann." Viel Unterstützung bekommt sie in ihrer Leidenszeit von ihrer Familie und ihren Arbeitskollegen.

"Im näheren Umfeld funktioniert das sehr gut, aber bei Menschen, die man nur einmal im Monat sieht, ist das teilweise anders. Die sehen zum Beispiel, dass ich einkaufe gehe und denken, dass alles in Ordnung ist. Sie wissen aber nicht, dass das große Warenangebot mein Gehirn bereits überfordert.

"Ob sie in absehbarer Zeit wieder arbeiten gehen kann, weiß Beate Pietschman noch nicht. "Wahrscheinlich werde ich in einem halben Jahr nochmal zur Reha kommen und dann wird geguckt, ob ich arbeitsfähig bin."

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 09. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

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