Courage zeigen Schulen gegen Rassismus: Vom Prinzenkonzert bis zum Naziproblem des CFC

14. Juni 2022, 17:41 Uhr

Ob Sport, Sprachen, Umwelt oder Gesellschaft - viele Schule zeichnen sich durch ein individuelles Profil aus. Das wird durch verschiedene Titel und Siegel hervorgehoben. So gibt es seit 25 Jahren in Sachsen den Titel "Schule ohne Rassismuss, Schule mit Courage". Doch was bedeutet das in der Praxis?

Zittau: Feierstimmung mit Popgruppe

Große Aufregung herrschte, als in Zittau 1997 Sachsens erste Schule den Titel "Schule ohne Rassismus" erhielt. Denn die total angesagte Popgruppe "Die Prinzen" gaben als Schirmherren in der Turnhalle ein Minikonzert. "Das war ein Erlebnis!", erinnert sich Veronika Kushmann, Leiterin der Richard-von-Schlieben-Oberschule, die damals vor 25 Jahren noch Mittelschule am Burgteich hieß.

Die Idee, sich als Schule gegen Rassismus zu engagieren, sei von einer Schülerinitiative gekommen, sagt Kushmann. Die Schulleiterin hatte anfangs ein bisschen Bauchschmerzen, die Tafel an der Eingangstür anzubringen. Wegen des weit verbreiteten rechten Gedankenguts befürchtete sie, dass die Tür beschädigt werde. Zu Unrecht, es passierte nichts.

Es bedeutet nicht, dass es in der Schule kein Mobbing oder Rassismus gibt. Es geht um den Weg, darum das zu thematisieren.

Veronika Kushmann Schulleiterin, Richard-von-Schlieben-Oberschule

Die Projekte, die unter den Schlagworten Courage und gegen Rassismus angeschoben werden, sind laut Kushmann vielfältig. Sie passen sich außerdem gut in das Profil der Schlieben-Oberschule als Unesco-Projektschule ein. Es geht um menschliches Miteinander, Verantwortung, Sensibilität für Kulturen. Auch der deutschen, wie die Schulleiterin einwirft.

Der Titel Schule ohne Rassismus bedeute aber nicht, dass im Haus mit rund 400 Schülerinnen und Schülern kein Mobbing oder Rassismus vorkomme. Sondern es gehe um den Weg, sich damit auseinanderzusetzen. Dafür werde beispielsweise die fächerverbindende Projektwoche genutzt.

Burgstädt: Schulpate mit Naziproblem

Seit 2011 trägt die Diesterwegschule in Burgstädt bei Chemnitz den Titel "Schule ohne Rassismus". Regelmäßig trifft sich eine Schülergruppe und plant dazu Aktionen. Paten sind hier nicht die Prinzen, sondern der Chemnitzer FC. Dadurch ging es auch mal mit dem Mannschaftsbus des Fußballclubs auf Bildungsfahrt und es gab gemeinsame Projekte, wie Christian Schlömann, Sozialarbeiter der Oberschule, berichtet.

Einen Bruch gab es, weil ausgerechnet der Pate seine eigenen Rassismusprobleme nicht in den Griff bekam. Am 9. März 2019 wurde bei einem CFC-Heimspiel offiziell eines verstorbenen Neonazis, dem Gründer der Hooligan-Gruppierung "Hooligans Nazis Rassisten", gedacht. Die Burgstädter ließen daraufhin die Patenschaft ruhen.

Ein Jahr später wurde sie erneuert und der CFC-Vorstand versicherte, sie fortan intensiver zu beleben. "Wir wollen damit den CFC bei den Bemühungen gegen Rassismus und Intoleranz unterstützen und stärken", sagte dazu damals der Lehrer der Diesterwegschule Axel Heinke. Für Außenstehende scheint sich in diesem Fall das Betreuungsverhältnis umgekehrt zu haben.

Hoyerswerda: Preisgekrönte Recherche

Einen wertvollen Geschichtsbeitrag über die Wendezeit haben Schüler und Schülerinnen des Léon-Foucault-Gymnasium in Hoyerswerda geleistet. Im jüngsten Schule-ohne-Rassismus-Projekt befassten sich die Jugendlichen mit den Ausschreitungen im Jahr 1991 in Hoyerswerda. Eine große Sache, denn "das Thema war noch nicht aufgearbeitet und man musste wirklich recherchieren, um Näheres zu erfahren", erklärt Ute Hoffmann, die Geschichte und Gemeinschaftskunde am Gymnasium lehrt.

Im Mai 2021 begaben sich die Jungen und Mädchen auf Zeitzeugensuche, führten Interviews und sammelten eine Fülle an Material. Ursprünglich war laut Hoffmann eine Wandzeitung angedacht, doch bald wurde klar, dass hier etwas Größeres entsteht. 17 Schülerinnen und Schüler habe bis zum Ende durchgehalten, sich durch Höhen und Tiefen gekämpft.

Entstanden ist eine Ausstellung mit dem Titel "Gegen das Vergessen - Hoyerswerda 91". Die Aufsteller sind mobil, sodass sie beispielsweise von anderen Schulen ausgeliehen werden können. Die Jugendlichen waren zum Schluss "megastolz", erinnert sich Hoffmann. Als Krönung räumt das Gymnasium an diesem und nächsten Wochenende zwei Preise für das Projekt ab.

Das Courage-Netzwerk * In Sachsen tragen 102 Bildungseinrichtungen den Titel "Schule ohne Rassismus", 38 befinden sich im Aufnahmeprozess.
* Der Titel bietet einen Rahmen der schulischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Ideologien der Ungleichwertigkeit, ohne dabei starre Vorgaben zu setzen.
* Courage-Schulen können auf ein Unterstützungs- und Beratungsnetzwerk zurückgreifen, sind in der Ausgestaltung ihrer Ideen und Projekte aber eigenständig.
* Die Selbstverpflichtung lautet:
1. Ich setze mich dafür ein, dass meine Schule nachhaltige Projekte, Aktionen und Veranstaltungen durchführt, um Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, zu überwinden.
2. Wenn an meiner Schule Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder Handlungen ausgeübt werden, dann wende ich mich dagegen, spreche dies an und unterstütze eine offene Auseinandersetzung, damit wir gemeinsam Wege finden, einander respektvoll zu begegnen.
3. Ich bin aktiv, damit meine Schule jedes Jahr Projekte gegen alle Formen von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, durchführt.
Courage - Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V.

MDR (ma)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 14. Juni 2022 | 19:00 Uhr

7 Kommentare

Lara_ am 16.06.2022

... zum Glück haben sich die Zeiten ja geändert. Ich kann Sie nur ermutigen, sich mit den Werten und den Arbeitsweiten der heutigen (Schul-)Sozialarbeit auseinanderzusetzen. Dann dürften Sie nicht mehr auf derartige Vergleiche kommen.

Lara_ am 16.06.2022

Was hat das denn mit dem Artikel zu tun? Hier geht es um junge Leute, die sich engagieren. Anstatt das zu wertschätzen, jammern Sie über fehlenden Nachwuchs im Handwerk und angeblich mangelnden Fleiß, Disziplin etc... "Früher war alles besser" oder wie jetzt?

sh. am 15.06.2022

In einem ähnlich gelagerten Beitrag der letzten Tage hieß es, Zitat: "Die Einstellung und Werte der Jugendlichen lassen hoffen". Ich habe sechzehn Jahre lang Bewerbungsgespräche mit Jugendlichen für einen Handwerksberuf geführt. Von Jahr zu Jahr konnte man feststellen, das Einstellung und Werte, wie wir sie kennen, Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit etc. sind wenig bis gar nicht vorhanden sind. Allerdings sind das die Werte, die den Lebensunterhalt und Wohlstand sichern sollen. Alles andere hatten wir schon in Pioniernachmittagen und FDJ-Gruppen, das Ergebnis ist bekannt. Wo sind sie denn, die Nachfolger in Handwerk, Pflege, Kraftfahrer, kurz gesagt, in Berufen wo hart gearbeitet wird. Das sind Themen der heutigen Zeit und nicht der Politunterricht.

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