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Zur 800-Jahrfeier von Langenwolmsdorf am Himmelfahrtswochenende wird Skulpturenkünstler Zsolt M. Toth mit dem Schwibbogen aus Sand fertig sein. Bildrechte: Katalin Valeš

800-Jahr-FeierLangenwolmsdorf gönnt sich einen Schwibbogen ganz aus Sand

07. Mai 2023, 19:19 Uhr

Zur 800-Jahrfeier von Langenwolmsdorf am Himmelfahrtswochenende lässt ein ansässiges Unternehmen einen Schwibbogen aus Sand von einem ungarischen Skulpturenkünstler anfertigen. Der Kosmopolit hat die ruhige Dorfidylle zwischen Oberlausitz, Osterzgebirge und der Sächsischen Schweiz mittlerweile zu schätzen gelernt. Warum das am Anfang anders war, erzählt er beim Vor-Ort-Besuch.

Schafe blöken, ein Hahn kräht in den trüben Sonntag hinein und skeptisch blickt eine Katze hinter einem Zaun hervor. Von den zahlreichen alten Bäumen und von den Hausdächern zwitschern Amseln, Spatzen, Meisen und andere Vögel. Menschen sind an diesem Sonntag in Langenwolmsdorf nicht viele unterwegs. Gelegentlich fährt jemand mit dem Rad die meist gehweglosen Straßen entlang. Einmal tuckert ein Traktor vorbei, der einen mit weißen Ballen beladenen Anhänger zieht.

In wenigen Tagen soll hier mehr los sein. Dann wird die 800 Jahre alte Geschichte des 1.400-Seelen-Dorfes gefeiert. Plakate im Ort machen Werbung dafür und eine eigens dafür eingerichtete Homepage liefert alle Infos zum Festprogramm. Im Jahr 1223 wurde das damals zum Königreich Böhmen gehörende Waldhufen- und Reihendorf zum ersten Mal in einer Grenzurkunde unter dem Namen "Volueramesdorf" erwähnt. Anlass dafür war wohl ein Streit um die Grenzziehung zwischen dem böhmischen König und dem Landes- und Kirchenherren Meißen, wie ein Blick in die Dorfchronik verrät.

Grobe Strukturen bearbeitet Zsolt M. Toth mit der Schaufel. Für feine Details greift er zu Spachtel und Pinsel. Bildrechte: Katalin Valeš

Sand-Schwibbogen: Sieben Meter lang, drei Meter hoch

An einem Ende des weitläufigen Ortes, bereitet "direkt hinter dem Märchenwald" ein ungarischer Künstler etwas ganz Besonderes für die 800-Jahr-Feier vor, wie Johannes Dose, Firmensprecher der Ratags-Erlebniswelt verrät.

Der Märchenwald gehört zu dem mittelständischen Kunsthandwerksunternehmen und zeigt verschiedene Märchenszenen mit lebensgroßen Holzfiguren. Hier formt Zsolt M. Toth mit konzentriertem Blick und ruhiger Hand mit einem kleinen Spachtel gerade eine Klöpplerin in den Sand. Die Konsistenz des Sandes sei wie harte Margarine aus dem Kühlschrank, beschreibt Zsolty, wie der Künstler gern genannt werden möchte. Die Figur der Klöpplerin ist Teil eines riesigen Sandskulptur-Schwibbogens: sieben Meter lang, drei Meter hoch wird er am Ende sein. 20 Tonnen Sand aus Putzkau wurden für die Skulptur angeliefert.

Bevor der Skulpturenkünstler loslegen konnte, wurde der Sand gewässert, in einem massiven Gestell etagenweise eingeschalt und wie im Straßenbau mit einer Rüttelplatte verdichtet. Nach mehreren Tagen Trocknung entstand ein stabiler Rohling, aus dem der Schwibbogen nun Stück für Stück herausgearbeitet werden kann.

In diese Schalungskonstruktion wurde der Sand hineingefüllt und verdichtet. Nach etwa drei Tagen wurde die Schalung entfernt. Ab dann konnte der Sandrohling bearbeitet werden. Bildrechte: Johannes Dose

Wie lange die Sandskulptur dem Regen standhält

Neugierig kommt ein älteres Paar vorbei und sieht Zsolty eine Weile zu. Dann fragt der Mann, der weder Namen noch Foto von sich in den Medien lesen möchte: "Und was ist, wenn es regnet?" Er macht ein skeptisches Gesicht. Doch Johannes Dose kann ihn beruhigen: "Die Sandskulptur wird imprägniert und kann dadurch bis zu einem Jahr halten". Wie das funktioniere, will der ältere Herr wissen. Künstler Zsolty erklärt: "Wie Haarspray. Ich sprüh da was drüber." Anerkennend nicken sich der Mann und die Frau zu und schlendern weiter. In der Erlebniswelt gibt es neben einem Restaurant und einer Schauwerkstatt auch einen kleinen Tierpark mit heimischen Tieren und kleine Geschäfte in denen Schwibbögen, Pyramiden, Räuchermännchen und vieles mehr verkauft werden.

Künstler Zsolty ist bei Ratags fest angestellt. Anfangs hat auch er kleines Kunsthandwerk angefertigt. Doch das wurde ihm schnell zu monoton: "Meine Seele geht kaputt, wenn ich meine Kreativität nicht ausleben kann! Dann sterbe ich." Sein Arbeitgeber hat sein Talent erkannt und gab ihm fortan Aufgaben, bei denen er sich kreativ austoben kann. Und gelegentlich gewährt er auch kleine Auszeiten - etwa, wenn Zsolty zum Sandskulpturen-Festival nach Travemünde oder Prora fährt. "Ich muss hin und wieder raus", sagt er. Wenn er spricht, gestikuliert der 59-Jährige wild mit den Händen. Immer wieder fällt dabei Sand von seinen Handschuhen irgendwo auf sein Gesicht oder auf die Jacke. Doch das stört ihn nicht.

Bevor er nach Langenwolmsdorf kam, hatte sich Zsolt M. Toth in der ungarischen Hauptstadt Budapest auf Eisskulpturen spezialisiert. Doch was seine Materialien angeht, ist er kreativ. Im Herbst hauchte er in der Ratag-Erlebniswelt Kürbissen ein neues Leben ein. Bildrechte: Johannes Dose

"In Langenwolmsdorf ist meine Seele wieder geheilt"

In Ungarn, wo Zsolty bis vor der Pandemie lebte, hatte er sich auf Eis-Skulpturen spezialisiert. Während er an der Sandskulptur für die 800-Jahrfeier arbeitet, erzählt er von seinem Leben in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Er sei viel unterwegs gewesen, unter anderen in Florida. Durch die Coronapandemie hat sich sein Leben schlagartig verändert: Seine Skulpturen aus Eis, die er für Hochzeiten oder Feiern anfertigte, waren plötzlich nicht mehr gefragt, seine Frau setzte ihn vor die Tür, weil die Gefühle weg waren, wie er erzählt. Vor drei Jahren ging Zsolty nach Deutschland. Zuerst an die Ostsee. Von dort gelangte er durch eine Bekannte nach Langenwolmsdorf, weil hier ein Mitarbeiter gesucht wurde.

Ich liebe es so, wenn ich die Vögel furzen höre. Das bedeutet: Ruhe.

Zsolt M. Toth | Skulpturenkünstler

Langenwolmsdorf ist das Kontrastprogramm zu seiner alten Heimat. Statt pulsierender Hauptstadt gibt es üppige Bauerngärten, weitläufige Drei- und Vierseitenhöfe und einige wenige Mehrfamilienhäuser. Auch in die Jahre gekommene Gebäude prägen das Ortsbild. Holprige Straßen ohne Gehweg schlängeln sich bergauf und bergab. In der Mitte des Ortes fließt ein kleiner Graben und wilde Wiesen voller Löwenzahn gibt es zuhauf. Das Dorfleben weiß Zsolty inzwischen zu schätzen: "Ich liebe die Natur und die Landschaft um mich herum. Und ich liebe es so, wenn ich die Vögel furzen höre. Das bedeutet: Ruhe." Seine Augen leuchten. Er lacht. In Langenwolmsdorf sei seine Seele wieder geheilt, sagt er. Wie lange er bleiben wird, weiß er noch nicht. Zurzeit wohnt Zsolty in einer kleinen Holzhütte, die ihm sein Arbeitgeber zur Verfügung stellt.

Wo Macherinnen, Anpacker und Glückssuchende zuhause sind

Neben Künstler Zsolt M. Toth leben in Langenwolmsdorf viele weitere Menschen mit Schaffenskraft und Einfallsreichtum. Es gibt etliche Selbstständige und Unternehmen: Autowerkstätten, ein Nagelstudio, Tischler, Gasthöfe, eine Alpaka-Farm, einen Orthopäden, Holz- und Metallbauunternehmen, einen Landschafts- und Gartenbau und Familien, die Ferienwohnungen anbieten. Außerdem engagieren sich die Langenwolmsdorfer neben der Freiwilligen Feuerwehr, die seit mehr als 100 Jahren besteht, in weiteren vier Vereinen. Eine ambitionierte Dorfchronistin arbeitet zurzeit an der Geschichte der Gasthäuser des Ortes.

Auch wenn an diesem Sonntag nicht viele Menschen im Ort zu sehen waren, am Himmelfahrtswochenende, wenn die Dorfgemeinschaft zur 800-Jahrfeier allerhand auf die Beine stellen wird, werden neben blökenden Schafen und zwitschernden Vögeln viele andere Geräusche zu hören sein.

MDR

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