Chancenaufenthalt in Sachsen Abschiebestopp für geduldete Ausländer mit Bleibeperspektive

10. Februar 2023, 06:00 Uhr

Am 31. Dezember 2022 trat das Gesetz zum sogenannten Chancenaufenthaltsrecht in Kraft. Damit soll seit vielen Jahren von Abschiebung bedrohten Ausländern ein langfristig gesicherter Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden, sobald sie als gut integriert gelten. Etliche Bundesländer hatten schon vor Inkrafttreten des Gesetzes Abschiebungen aus diesem Personenkreis gestoppt. Nun hat auch das sächsische Innenministerium reagiert und Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums konkretisiert.

Das sächsische Innenministerium hat am Donnerstag eigene Anwendungshinweise zum Chancen-Aufenthaltsrecht verschickt. Unter anderem haben die Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen die "elektronische Post" erhalten. Thema ist die Umsetzung des Chancen-Aufenthaltsrechts.

So werden die Behörden aufgefordert, potenzielle Kandidaten dieser Gesetzesänderung schnellstmöglich über ihre entsprechenden Rechte aufzuklären und von möglichen Abschiebungen beim theoretischen Wegfall ihrer individuellen Duldungsgründe abzusehen.

Innenminister äußert Vorbehalte

Was Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) trotz dieser Anwendungshinweise seines Ministeriums vom Chancen-Aufenthaltsrecht hält, daran hat er bis zuletzt beispielsweise in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung wohl wenig Zweifel gelassen: "Ich erlebe keine Bremsen beim Zugang von nicht-ukrainischen Flüchtlingen. Stattdessen kommen das Chancen-Aufenthaltsrecht, freiwillige Aufnahmeprogramme für Afghanistan und jetzt die erleichterten Regeln für die Einbürgerung. Von der angekündigten Rückführungsoffensive hört man dagegen gar nichts mehr."

Ich erlebe keine Bremsen beim Zugang von nicht ukrainischen Flüchtlingen. Stattdessen kommen das Chancen-Aufenthaltsrecht, freiwillige Aufnahmeprogramme für Afghanistan und jetzt die erleichterten Regeln für die Einbürgerung.

Armin Schuster Sachsens Innenminister am 25. Januar im Interview mit der SZ

Für wen das Chancen-Aufenthaltsrecht gilt

Das von der aktuellen Bundesregierung eingeführte Chancen-Aufenthaltsrecht soll sogenannte Kettenduldungen vermeiden bei Personen, die am Stichtag 31. Oktober 2022 seit mindestens fünf Jahren "geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen."

Dieser Personenkreis bekommt mit dem neuen Gesetz die Möglichkeit, in einer Art 18-monatiger "Bewährungszeit" seine Integration beispielsweise durch die eigene Sicherung des Lebensunterhalts und gute Deutschkenntnisse nachzuweisen und somit eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erlangen.

Bislang mussten die Betroffenen selbst nach mitunter jahrzehntelangem Aufenthalt inklusive Schulabschluss und Ausbildung oder Studium in Deutschland darauf hoffen, dass ihre regelmäßig zu überprüfenden Duldungsgründe nicht plötzlich widerrufen und sie deshalb abgeschoben werden.

Geduldete Ausländer sind nicht automatisch Geflüchtete

In Deutschland waren am Ende des ersten Halbjahres 2022 (neuere Daten werden in Kürze veröffentlicht) offiziell 301.524 ausreisepflichtige Ausländer registriert, davon 172.115 "Geduldete" mit abgelehnten Asylanträgen. Zu den "ausreisepflichtigen Ausländern" mit oder ohne Duldung gehören beispielsweise auch jene mit abgelaufenen Arbeitsvisa oder Geschiedene nach weniger als drei Jahren Ehe mit deutschen Ehepartnern oder Ehepartnerinnen.

Das Sächsische Innenministerium schätzt den Kreis der aus unterschiedlichen Gründen Geduldeten, die sich im Freistaat für das Chancen-Aufenthaltsrecht qualifizieren könnten, auf etwa 5.000 bis 7.000 Personen. Duldungen werden aus verschiedenen Gründen erteilt, unter anderem an ausreisepflichtige Eltern, deren minderjährige Kinder eine deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Abschiebungen sind weiterhin möglich

Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht werden Abschiebungen nicht generell unterbunden. Ausreisepflichtige Geduldete, die sich am 31. Oktober 2022 noch keine fünf Jahre lang in Deutschland aufhielten, fallen beispielsweise nicht unter diese Regelung und etwa 54.000 Ausreisepflichtigen wurden gar keine Duldungsgründe bescheinigt. Bei diesen ist allerdings weitgehend unklar, ob sie sich überhaupt noch in Deutschland aufhalten oder bereits freiwillig ausgereist sind. Zudem bleiben Straftäter und Gefährder vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 09. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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