Rechtsextremismus Leipziger Dienstgericht: AfD-Politiker Maier soll in Ruhestand versetzt werden

01. Dezember 2022, 16:17 Uhr

Der sächsische Verfassungsschutz stuft den AfD-Politiker Jens Maier als rechtsextrem ein. Darf er dennoch wieder als Richter in Sachsen arbeiten? Das Dienstgericht für Richter in Leipzig hatte Maier im März in einem Eilverfahren die Amtsgeschäfte zunächst untersagt. Zu seiner Zukunft als Richter in Sachsen gibt es jetzt eine Entscheidung - vorläufig.

Der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier soll in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Das hatte das sächsische Justizministerium beantragt. Das Dienstgericht für Richter in Leipzig erklärte den Antrag nun für zulässig. "Er ist nicht mehr tragbar", sagte der Vorsitzende Richter, Hanns-Christian John, in der Urteilsbegründungsagte. In Gerichtsverfahren könnten die Parteien nicht mehr darauf vertrauen, dass Maier verfassungstreu, unparteiisch und ohne Ansehen der Person urteile. Allerdings: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Maiers Anwalt Jochen Lober stellte eine Revision seines Mandanten in Aussicht. "Nach dem Urteil ist vor dem Urteil", sagte der Verteidiger. Er werde sich noch mit Maier besprechen, "aber Sie können davon ausgehen, dass wir dagegen vorgehen werden".

Justizministerin Meier: "Entscheidung bundesweit richtungsweisend"

Der 60 Jahre alte Maier will als Richter in die sächsische Justiz zurückkehren. Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte dagegen beantragt, den ehemaligen Richter am Landgericht Dresden in den Ruhestand zu versetzen, "zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtspflege". Meier begrüßte das Urteil erwartungsgemäß. "Die Entscheidung ist bundesweit richtungsweisend. Es ist klar, Verfassungsfeinde dürfen in diesem Land kein Recht sprechen", sagte die Grünen-Politikerin. Alle Richterinnen und Richter sowie Beamtinnen und Beamte müssten sich jederzeit zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung eintreten, betonte Meier.

Katja Meier, Staatsministerin der Justiz und fuer Demokratie, Europa und Gleichstellung von Sachsen, spricht zu den Medien im Rahmen der Sitzung des Bundesrates in Berlin.
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Es ist klar, Verfassungsfeinde dürfen in diesem Land kein Recht sprechen.

Katja Meier (Grüne) Justizministerin in Sachsen

Maier wehrt sich gegen Einstufung als Rechtsextremist

Jens Maier wehrt sich gegen den Vorwurf, ein Rechtsextremist zu sein. Deshalb hatte er verlangt, zunächst seine Einstufung als Rechtsextremist zu überprüfen, bevor seine Zukunft als Richter verhandelt wird. Anwalt Jochen Lober sagte vor dem Dienstgericht, sein Mandant habe gegen die Einstufung des Verfassungsschutzes Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden eingereicht. Lober beantragte, dass dieses Verfahren ausgesetzt wird, bis das Verwaltungsgericht entschieden hat. Das sei wichtig, weil sich das Justizministerium bei seinem Antrag maßgeblich auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes stütze. Das Justizministerium argumentierte dagegen, dass es nicht auf das Etikett Rechtsextremist ankomme, sondern darauf, was Maier als Richter repräsentiere.

Das Gericht wollte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht abwarten und setzte die Verhandlung fort. Die Einstufung Maiers durch den Verfassungsschutz und seine Eignung als Richter bewertete die Kammer als unterschiedliche Sachverhalte. Die Juristen gingen im vollbesetzten Gerichtssaal einzeln Äußerungen und Tweets Maiers durch. Das sächsische Justizministerium hatte diese vorgelegt, um zu beweisen, dass Maier eine Gefahr für die Rechtspflege sei.

Gericht berücksichtigt Äußerungen Maiers als Abgeordneter

Das Dienstgericht für Richter hat bei seiner Entscheidung auch Tatsachen berücksichtigt, die in die Zeit Maiers als Abgeordneter fallen. "Hierbei handelt es sich um Äußerungen und Verhaltensweisen von Herrn Maier, die außerhalb des Bundestags gefallen sind oder sich ereignet haben", sagte der Vorsitzende Richter des Dienstgerichts, Hanns-Christian John. Bei einer "Rückkehr in das Richteramt müsse nachgewiesen werden, dass der Richter jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik" eintrete.

Maier war bei einem AfD-Landesparteitag mit der Bemerkung aufgefallen: "Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt."

Dienstgericht: Vertrauen in unabhängige Justiz beschädigt

Im März 2022 hatte das Dienstgericht Maier vorläufig die Führung der Amtsgeschäfte untersagt. Zur Begründung verwies das Gericht vor allem auf Maiers Aktivitäten im Zusammenhang mit dem aufgelösten "Flügel" der AfD. Es sei zu befürchten, dass Maier aufgrund seiner exponierten damaligen Tätigkeit in dem rechtsnationalen Lager der AfD um Björn Höcke in der Öffentlichkeit als Rechtsextremist wahrgenommen werde. Dadurch könne das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige Justiz beschädigt werden.

Der gebürtige Bremer hatte sein Mandat bei der Bundestagswahl 2021 verloren und wollte danach in den Justizdienst zurückkehren. Im März dieses Jahres wies ihm die sächsische Justizministerin einen Posten als Amtsrichter am Amtsgericht Dippoldiswalde zu. Kurz danach untersagte ihm das Richterdienstgericht in Leipzig auf Antrag der Ministerin vorläufig seine Richter-Tätigkeit.

Richterdienstgericht Das Dienstgericht für Richter in Leipzig tagt äußerst selten - in diesem Jahr gibt es bislang nur zwei Aktenzeichen, beide gehören zur Causa Maier. Grundlage für das Verfahren ist Paragraf 31 des Richtergesetzes. Danach kann ein Richter auch in den Ruhestand versetzt werden, "wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden".
dpa/Justizministerium Sachsen

Disziplinarverfahren und mögliche Richteranklage gegen Maier

Selbst wenn das Gericht Maier erlaubt, in die Justiz zurückzukehren, sind die Rechtsmittel gegen ihn noch nicht ausgeschöpft. Parallel zu den Verfahren vor dem Dienstgericht hatte das Landgericht Dresden ein Disziplinarverfahren gegen den AfD-Politiker eingeleitet. SPD, Grüne und die oppositionellen Linken hatten sich zusätzlich zu den Verfahren für eine Richteranklage gegen Maier ausgesprochen.

Damit könnte der Sächsische Landtag das Bundesverfassungsgericht anrufen, um die Versetzung Maiers in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu erreichen oder auch seine Entlassung. Für diesen Schritt ist allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag erforderlich. Sachsens CDU steht der Richteranklage bislang skeptisch gegenüber.

Konsequenzen nach Causa Maier: Sachsen will Dienstrecht schärfen

Um Fälle wie die des früheren Richters Jens Maier künftig zu vermeiden, will Sachsen künftig gegen Extremisten im Staatsdienst härter vorgehen. Sachsen hat dazu einen Katalog mit acht Punkten erarbeitet. So will das sächsische Justizministerium Richtern künftig die Bezüge kürzen, wenn diesen nach dem Deutschen Richtergesetz die Amtsgeschäfte untersagt werden. Außerdem sind darin längere Fristen für die Ahndung von Dienstvergehen im Bundesdisziplinargesetz vorgesehen.

MDR (kbe)/epd/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 01. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

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