Dresden Saufen, Lärm und Müll: Schafft der "Neustadt-Kümmerer" das fast Unmögliche?

23. Juli 2022, 07:50 Uhr

Wenn das Partyvolk am Wochenende in den Dresdner Stadtteil Neustadt einfällt, wird es laut, voll, vielleicht auch inspirierend. Am Ende bleiben jedoch viel Müll und Urin - Woche für Woche. Der neue "Neustadt-Kümmerer" Thomas Mickan sucht jetzt neue Ideen, die Missstände zu ändern.

Die Dresdner Neustadt hat nach fünf Jahren einen neuen "Neustadtkümmerer". Thomas Mickan kümmert sich seit Monatsbeginn im Stadtteil für einen Interessenausgleich unterschiedlichster Akteure. Das wirkt wie eine Mammutaufgabe: In der Mehrheit alkoholisierte Menschen, die meist am Wochenende und in den Ferien abends durch die Neustadt ziehen, zu einem rationalen Handeln zu bewegen. "Natürlich haben Neustadt-Besucher manchmal etwas getrunken. Deswegen möchten wir sie langfristig und nachhaltig erreichen", sagt Thomas Mickan im Gespräch mit MDR SACHSEN.

Kiez-Manager als Ansprechpartner für alle

Der Kiez-Manager ist der neue "Neustadt-Kümmerer". Er soll Ansprechpartner für Anwohner, Vereine und Gewerbetreibende sein. Das Scharnier zwischen allem und jeden, besonders zur Verwaltung – und vielleicht, so die Hoffnung, auch die Lösung der Neustädter Partyprobleme. Denn neben inspirierenden Feiern regiert in der Nacht oft der Alkohol und mit ihm der Müll und urinale Dringlichkeiten, die dringend entsorgt werden müssen.

Neustadt bietet Perspektivwechsel

"Die Stelle ist breit gefächert. Man hat viele Möglichkeiten", erklärt Mickan, der guter Dinge ist, gute Ideen zu finden. "Es geht vor allem um den Umgang mit den Party-Gästen, um mehr Ordnung und weniger Lärm." Mickan ist Politikwissenschaftler und stammt aus Kleinröhrsdorf. In den vergangenen Jahren hat er in der Nähe von Stuttgart in einem interkulturellen Begegnungszentrum gearbeitet. "Früher haben wir selbst in der Neustadt gefeiert", erzählt er. Auch er habe schon in der Krawall-Ecke gesessen – wie sie das "Assi-Eck" damals genannt hätten. "Der Perspektiv-Wechsel ist natürlich spannend." Mickan möchte mit allen ins Gespräch kommen: vom Sprayer über Gewerbetreibende und Polizei bis zur Seniorin. Darin liege der Reiz seiner Arbeit.

Auch unscheinbare Stimmen hören

Mickan will besonders und gerade den Alten und Schwachen zuhören. "Mir ist es ein Anliegen, Stimmen hörbar zu machen, die sonst hinunter fallen." Und: "Ich möchte mit alten und bedürftigen Menschen reden sowie Menschen mit Inklusionsbedarf. Sie alle gehören zum Stadtviertel, nicht nur das Partyvolk."

Zukunftskonferenz geplant

Doch wie soll es für die Dresdner Neustadt weitergehen, nachdem das von der Stadt avisierte Alkoholverbot im Stadtrat scheiterte? Um Ideen zu sammeln, organisiert Mickan im November eine Zukunftskonferenz. "Alle sind eingeladen, ihre Ideen einzubringen", wirbt der Politikwissenschaftler. Dort könnten auch Vorschläge für mögliche Toilettenstandorte oder andere Ansätze diskutiert werden. Am Ende soll ein Konzept stehen. "Die Praxis muss es zeigen, man kann viel Papier entwickeln, doch irgendetwas muss rauskommen."

Prävention neu aufbauen

Künftig solle laut Mickan auch die Geisterkampagne evaluiert werden. "Wir wollen herausfinden, wie gut das Präventionsprogramm gelaufen ist und wie wir es in Zukunft gestalten können." Grundsätzlich könnten Lösungen nur in einem Mix aus verschiedenen Maßnahmen liegen. Es geht immer um eine gute Mischung aus Prävention, Agieren vor Ort und Nachlese. " Zum Beispiel könnten Pizza-Karton-Mülleimer wie in der Alaunstraße helfen.

Nachtschlichter arbeiten mit Mickan zusammen

Die Nachtschlichter werden auch in Zukunft auf den Straßen der Neustadt unterwegs sein und das Gespräch suchen. "Wir arbeiten eng und auf Augenhöhe zusammen", erklärt Mickan. "Es ist toll, in den vergangenen Jahren sind gute Netzwerke entstanden. Das erleichtert es, mit vielen Initiativen einen guten Draht zu finden." Die Kiezsprechstunde würde weiter als niedrigschwelliges Angebot jeden Mittwoch angeboten. Im Blechschloss-Container auf der Alaunstraße können "Neustadtflüsterer" und Nachtschlichter-Koordinator von 16 bis 18 Uhr besucht werden.

MDR (kt,kaw)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten aus dem Studio Dresden | 22. Juli 2022 | 16:30 Uhr

3 Kommentare

Maria A. am 24.07.2022

Begleiterscheinungen von städtischer Wohlstandsverwahrlosung.
Wird sich jedoch in Bälde alles verringern, denn das zukünftige Dasein wird uns allen teuer zu stehen kommen.
Zum jetzigen Zeitpunkt seufze ich, weil auch dieser Beitrag wohl wieder nicht freigeschalten wird, den Lieblingsausspruch meiner lebensweisen, leider (oder eher zum Glück angesichts der Zunahme dieser misslichen Zustände) verstorbenen Tante: "Nur noch Sodom und Gomorrha." Dann mal tschau!

Maria A. am 23.07.2022

Tja, das "Feiern bis in die Puppen" gehört auch zu den Problemen, die mit der Wohlstandsverwahrlosung entstanden sind. Gab es ja nicht so extrem in den Zeiten, wo die Mehrheit der Bevölkerung früh raus musste und somit regelmäßiger Nachtschlaf ein Bedürfnis der Masse war. Was nicht so leicht erklärbar ist, dürfte die Verringerung von Moral und Anstand sein... Da man als älteres Semester bei den geschilderten Auswüchsen und den kläglichen Versuchen, sie zu verringern, nicht weiß, ob man darüber lachen oder weinen soll, lasse ich heute kein Resignieren zu und verlinke mich geistig auf die humorigen Sprüche zu allen Lebenssituationen von Renate Bergmann, der ehemaligen "Online-Omi" (männlichen Ursprungs). Die ohne Scheu ihre Sicht der Dinge mittlerweile sehr erfolgreich in Buchform an die Öffentlichkeit bringt und darin mehr als genug Sprüche locker gemacht hat zum ihrer Meinung nach überbordenden Lotterleben heutiger Generationen. Kommt alles vom "zu leichten Leben"...

ConnieConnewitz am 24.07.2022

Blockwart-Unwesen, mit Steuergeldern finanziert. CDU/AfD-Sachsen halt.

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