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Bundesfreiwillige sind willkommene Helfer in Senioren- und Pflegeheimen. Doch ihre Anzahl ist in Sachsen deutlich zurückgegangen. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Michael Gstettenbauer

EhrenamtZahl der Bundesfreiwilligen sinkt in Sachsen seit Jahren

31. Januar 2023, 14:37 Uhr

Seit Jahren warten soziale Einrichtungen in Sachsen vergeblich auf Bewerberinnen und Bewerber aus dem Bundesfreiwilligendienst. Denn die Zahl der Teilnehmenden ist seit mehreren Jahren eingebrochen. Wohlfahrtsverbände sehen die Gründe für den Rückgang nicht nur in der Corona-Pandemie. Sie fordern, ältere Ehrenamtliche endlich wieder mehr in den Blick zu nehmen, sowie Image- und Werbekampagnen.

Kinder toben in der Kita "Kleiner Globus" in der Dresdner Südvorstadt die Flure entlang. Sie rufen mal was auf Deutsch, mal auf Arabisch oder Englisch. 20 verschiedene Sprachen werden hier gesprochen. Bundesfreiwillige sind als Hilfe für die Erzieher immer willkommen, sagt der stellvertretende Kita-Leiter Robert Zeißig. Doch oft seien die Plätze unbesetzt: "Wir können nicht sagen, dass wir eine große Bewerberzahl für den Bundesfreiwilligendienst haben – ganz im Gegenteil. Wir haben derzeit keine Bewerberinnen und Bewerber aus dem innerdeutschen Freiwilligendienst."

Was ist der Bundesfreiwilligendienst?Der Bundesfreiwilligendienst bietet Frauen und Männern jeden Alters seit 2011 an, sich außerhalb von Beruf und Schule im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich zu engagieren. Weitere Tätigkeitsbereiche sind der Sport sowie der Zivil- und Katastrophenschutz. In der Regel dauert der Dienst zwölf Monate. Ehrenamtliche erhalten ein monatliches Taschengeld von maximal 438 Euro.

Vereinzelt seien internationale Freiwillige durch das "Incoming-Programm" gekommen, das ein soziales Bildungs- und Orientierungsjahr in Deutschland ermöglicht, erklärt Zeißig. So unterstützte bis vergangenes Jahr eine Ukrainerin das Kita-Team. Sie habe den Kita-Alltag durch frühmusikalische Erziehung bereichert: "Das war ein wertvoller Schatz. Sie hat in den Morgenkreisen mit den Kindern Musik gemacht." Diese Hilfe und die Ideen durch Bundesfreiwillige fehlten aktuell, sagt Zeißig. Doch Unterstützung sei in Aussicht: Im März soll über das "Incoming-Programm" eine ehrenamtliche Helferin aus Kenia in die Kindertagesstätte "Kleiner Globus" kommen.

Wir können nicht sagen, dass wir eine große Bewerberzahl für den Bundesfreiwilligendienst haben – ganz im Gegenteil. Wir haben derzeit keine Bewerberinnen und Bewerber aus dem innerdeutschen Freiwilligendienst.

Robert Zeißig | Stellvertretender Kita-Leiter des Kindergartens "Kleiner Globus" in Dresden

Zahl Bundesfreiwilliger geht um ein Drittel zurück

Viele andere Schulen, Pflegeheime und Kindergärten suchen seit Jahren vergeblich nach den ehrenamtlichen Helfern. In Sachsen ist die Zahl der Personen im Bundesfreiwilligendienst seit 2016 um fast ein Drittel zurückgegangen. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums engagierten sich vor sechs Jahren sachsenweit noch rund 3.800 Freiwillige in dem einjährigen Ehrenamt. Danach kam der kontinuierliche Abwärtstrend. Vergangenes Jahr seien es noch etwa 2.700 gewesen. Die abnehmenden Teilnehmerzahlen sind ein bundesweiter Trend: Hatte es den Ministeriumsangaben zufolge im Rekordjahr 2014 bundesweit noch mehr als 42.700 Bundesfreiwillige gegeben, sind es 2022 nur noch rund 36.000 gewesen.

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Abwärtstrend durch Corona-Pandemie verstärkt

Mit dem Programmstart 2011 habe es in Sachsen noch sehr hohe Teilnehmerzahlen gegeben, sagt die Verantwortliche für Freiwilligendienste bei der AWO Sachsen, Martina Kunert: "Im Jahr 2019 begann dann der Abwärtstrend. Der hat sich durch die Corona-Krise noch verstärkt."

Im Jahr 2019 begann dann der Abwärtstrend. Der hat sich durch die Corona-Krise noch verstärkt.

Martina Kunert | Verantwortliche für Freiwilligendienste bei der AWO Sachsen

Die Sorge vor Corona habe viele Ältere vom Freiwilligendienst abgehalten, sagt Kunert. Für Jüngere sei der freie Arbeitsmarkt oder andere Ehrenämter mit flexibleren Arbeitszeiten zunehmend attraktiver. Was über Ländergrenzen hinaus fehle, seien Image- und Werbekampagnen wie beim Start des Programms, meint Kunert. Zu wenig bekannt außerdem: Auch Ältere ab 27 könnten den Bundesfreiwilligendienst leisten.

Großes Potenzial: Über 27-Jährige für Dienstjahr gewinnen

Dabei liege gerade bei den über 27-Jährigen großes Potential, sagt Katrin Bressel vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen. Gerade um diese sollte geworben werden: "Der Bundesfreiwilligendienst richtet sich nicht nur an junge Menschen. Da brauchen wir Unterstützung, dass das wieder gezeigt wird." Alle Altersgruppen sollten als potenzielle Bundesfreiwillige erreicht werden.

Anteil der Bundesfreiwilligen in Sachsen nach Altersgruppen (Stand: Dezember 2022)
AltersgruppeUnter 2727 bis 5051 bis 65Über 65
Zahl der Bundesfreiwilligen1.3187105182.703

Umständlich seien die langen Bewerbungsprozesse, weil zu bürokratisch, sagt Bressel: Bevor ein Vertrag abgeschlossen ist, hätten sich bei vielen Bewerbenden längst Alternativen ergeben. Wichtig für die Ehrenamtlichen sei auch, dass sie sich den Freiwilligendienst leisten könnten. Von dieser Aufwandsentschädigung sollte nicht noch etwas abgezogen werden, wenn sie beispielsweise mit dem Bürgergeld gegengerechnet wird. Die Freibetragsgrenzen sollen im Sommer dieses Jahres nochmals überprüft und gegebenenfalls erhöht werden, erklärt Bressel.

Auch ältere Menschen können im Bundesfreiwiligendienst anderen helfen. (Symbolbild) Bildrechte: BMFSFJ/Bertram Hoekstra

Jobmessen wollen Ehrenamt bewerben

Auf Anfrage von MDR SACHSEN will das zuständige Bundesfamilienministerium nach der Corona-Pandemie wieder verstärkt für das einjährige Ehrenamt beispielsweise auf Jobmessen werben, wie etwa der "Karriere Start" am vergangenen Wochenende in Dresden. Diese Messen mussten in den vergangenen Jahren pandemiebedingt ausfallen.

MDR

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 27. Januar 2023 | 13:00 Uhr