Demonstrationsgeschehen eskaliert "Querdenker" ziehen trotz Verbots durch Dresden - Entsetzen über Gewalt
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In Dresden ist der Polizeieinsatz gegen die von Gerichten verbotene "Querdenken"-Demonstration zwischenzeitlich außer Kontrolle geraten. Videos und Fotos dokumentieren, wie Polizeisperren durchbrochen sowie Polizeibedienstete zu Boden gerissen wurden. Hunderte Demonstranten zogen ungehindert durch die Stadt. Wasserwerfer wurden aufgefahren, um das örtliche Impfzentrum zu schützen. Parteiübergreifend wird die Gewalt der Demonstranten verurteilt. Vertreter von Linken und Grünen werfen der Polizei Versagen vor.
In Dresden ist die "Querdenken"-Demonstration am Sonnabend zwischenzeitlich außer Kontrolle geraten. Videos und Fotos im Internet dokumentieren, wie Polizeisperren durchbrochen sowie Polizeibedienstete zu Boden gerissen wurden. Einer der Demonstranten drohte sogar, das nächste Mal mit einer Waffe wiederzukommen und zu schießen. Ein Video dieser Szene sei inzwischen zur Prüfung weitergeleitet worden, teilte die Polizei mit.
Polizeisprecher: Mit Kommunikation nicht weit gekommen
In einer ersten Zwischenbilanz teilte die Polizei am Abend mit, dass 49 Platzverweise erteilt, rund 390 Ordnungswidrigkeiten wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutzverordnung angezeigt und 32 Straftaten festgestellt wurden. Vier Polizisten wurden verletzt.
Die Zahl [der Ordnungswidrigkeiten/Anm. d. Red.] wird sich noch deutlich erhöhen. So befinden sich aktuell noch mindestens 200 Personen in der polizeilichen Maßnahme an der Magdeburger Straße. Auch sie erwarten Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen des Verstoßes gegen die Sächsische Corona-Schutzverordnung.
Der Dresdner Polizeisprecher Thomas Geithner sagte am Abend MDR SACHSEN, im Gegensatz zur letzten "Querdenken"-Kundgebung am 12. Dezember habe das Verbot heute nicht so viele Menschen abgeschreckt, trotzdem anzureisen. Die Stimmung sei sehr gereizt gewesen und habe sich mehrfach entladen. Mit einem kommunikativen Ansatz sei man dieses Mal nicht weit gekommen, weshalb ein Stufenkonzept zum Einsatz kam, wonach man die Personalien der Teilnehmer aufnahm und Anzeigen fertigte. Gewalt sei aus Sicht der Polizei dennoch nicht "prägend" gewesen. Im Fall eines Angriffs auf einen Polizisten sei ein 41-jähriger als Tatverdächtiger identifiziert worden und sitze in Gewahrsam.
Teilnehmer kommen Polizeidurchsagen nicht nach
MDR-Reporter berichten, dass bereits zum Auftakt der von den Gerichten untersagten "Querdenken"-Demonstration Hunderte Teilnehmer anreisten und gegen die geltenden Corona-Schutzauflagen verstießen. Trotz mehrfacher Durchsagen der Polizei verließen sie nicht die Kundgebungsplätze und weigerten sich, Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen. Zuvor hatten sie sich in kleinen Gruppen an verschiedenen Orten in der sächsischen Landeshauptstadt versammelt. Dabei trugen einige von ihnen Buttons mit der Aufschrift "Umarmbar". Die Situation war zwischenzeitlich sehr unübersichtlich.
Wasserwerfer zum Schutz des Impfzentrums
Vor dem Kongresszentrum hatte kurzfristig die als rechts geltende Gruppierung "Heidenauer Wellenlänge" eine Kundgebung angemeldet. Es kamen laut Polizei aber weitaus mehr als die angemeldeten 150 Teilnehmer. Insgesamt, so schätzt die Polizei, waren 1.000 bis 2.000 Menschen den Protestaufrufen gefolgt. Immer wieder waren etwa Rufe zu hören wie "Die Pandemie ist vorbei".
Als sich mehrere hundert Menschen Richtung Impfzentrum an der Dresdner Masse in Bewegung setzten, brachte die Polizei mehrere Wasserwerfer in Stellung gebracht, um das Impfzentrum abzusichern. Dieses Mittel der Abschreckung sei erfolgreich gewesen, so Polizeisprecher Geithner. Die Beamten sperrten Straßen ab, um sowohl den Protestzug Richtung Messe als auch einen zweiten in Richtung Innenstadt zu stoppen. Dennoch bahnten sich die Demonstranten bei letzterem ihren Weg. Am späteren Nachmittag skandierten Hunderte vor einem Einkaufszentrum in der Innenstadt.
CDU-Generalsekretär: "Querdenker" zeigen ihr wahres Gesicht
Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks verurteilte die Gewalt der "Querdenker". Diese zeigten ihr wahres Gesicht, sie seien gewaltbereite Extremisten, so Dierks auf Twitter. Sachsens SPD-Chef und stellvertretender Regierungschef Martin Dulig zeigte sich angesichts der Bilder aus Dresden schockiert. "Polizisten werden brutal angegriffen. Jeder, der auf dieser verbotenen Demo mitläuft, macht sich gemein mit den verübten Straftaten", so Dulig auf Twitter. "Corona wird so nicht aufgehalten, im Gegenteil! Hier wird mit unser aller Gesundheit gespielt."
Oberverwaltungsgericht bestätigt Demonstrationsverbot
Die Polizei hatte im Vorfeld angekündigt, auf alles vorbereitet zu sein, um das Versammlungsverbot für die Gegner der Corona-Maßnahmen konsequent durchzusetzen. Unterstützt wird die sächsische Polizei von der Bundespolizei und Beamtinnen und Beamten aus Nordrhein-Westfalen. Seit den Morgenstunden zeigte sie an zahlreichen Stellen in der Stadt Präsenz, unter anderem am Landtag und im Umfeld der Cockerwiese.
Dass es ihnen dennoch nicht gelungen ist, die Proteste der "Querdenker" zu unterbinden, sorgt inzwischen für heftige Kritik. Mehrere Landes- und Kommunalpolitiker, unter anderem von Linken und Grünen, warfen dem sächsischen Innenministerium als Dienstherr der Polizei Versagen vor.
Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hatte in der Nacht das Verbot der am Sonnabend geplanten Querdenker-Demo in Dresden bestätigt. Die Stadt Dresden hatte sich bei ihrem Verbot des Protests unter anderem auf Erfahrungen einer ähnlichen Demo im vergangenen Oktober gestützt. Damals hatten die Teilnehmer die Hygieneauflagen weitgehend missachtet. Das Verwaltungsgericht Dresden bestätigte am Freitag das Verbot.
Quelle: MDR/sth/dk/dpa
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN
MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 13.03.2021 | 11:00 Uhr in den Nachrichten
MDR SACHSENSPIEGEL | 13.03.2021 | 19:00 Uhr