13. Februar Menschenkette in Dresden sendet Friedensbotschaft in die Welt
Hauptinhalt
In Dresden haben die Gedenkveranstaltungen zum 13. Februar ihren Höhepunkt erreicht. 3.000 Menschen bildeten am Abend eine Menschenkette. Die Friedensbotschaft, die davon ausgesendet werden soll, geht in diesem Jahr in die Ukraine. Zuvor erinnerten die Dresdnerinnen und Dresdner mit Kranzniederlegungen und dem Mahngang Täterspuren an das Leid, dass die Nationalsozialisten auslösten. Überschattet wurde das Gedenken von einem Aufmarsch hunderter Rechtsextremer, bei dem vor allem ein Transparent für große Diskussionen sorgt. Es gab einen lautstarken Gegenprotest.

Auf dieser Seite:
- Friedensbotschaft von Dresden Richtung Ukraine
- Kretschmer angesichts der Lage in der Ukraine "in höchstem Maße besorgt"
- Hilbert: Umdeutung der Geschichte nicht zulassen
- Transparent rechter Demo nicht strafrechtlich relevant
- Polizei bislang zufrieden mit Einsatzkonzept
- Kranzniederlegung auf dem Nordfriedhof
- OB-Kandidaten führen "Mahngang Täterspuren" an
Mit der symbolischen Menschenkette haben die Gedenkveranstaltungen in Dresden am Sonntagabend ihren Höhepunkt erreicht. Rund 3.000 Menschen versammelten sich in der Innenstadt, um einen symbolischen Schutzring zu bilden.
Friedensbotschaft von Dresden Richtung Ukraine
Die Menschenkette zum 77. Jahrestag der Zerstörung Dresdens im Februar 1945 durch Luftangriffe der Alliierten soll eine Friedensbotschaft in die Welt senden. "Nie wieder Krieg" solle von denen gehört werden, "die in diesen Tagen die Macht haben über Soldaten und Waffen", sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) zum Auftakt am Sonntag in der Kreuzkirche. "Frieden ist nicht selbstverständlich, sondern allzu oft zerbrechlich", verwies er auf die Kriegsgefahr in der Ukraine. "Auch in unserer von Wohlstand geprägten Gesellschaft gibt es Konflikte, die den Frieden immer wieder in Frage stellen."
Kretschmer angesichts der Lage in der Ukraine "in höchstem Maße besorgt"
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ging beim Dresden-Gedenken auf die Lage in der Ukraine ein. Er sei angesichts des großen Truppenaufmarschs in Russland an den Grenzen zum Baltikum und der Ukraine "in höchstem Maße besorgt". "Wir wollen, dass alles unternommen wird, dass es nicht zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt", so Kretschmer in Dresden. "Wir wissen hier in Dresden, wie furchtbar Folgen eines solchen Krieges sind." Krieg fordere immer nur Opfer.
Hilbert: Umdeutung der Geschichte nicht zulassen
Oberbürgermeister Hilbert sagte weiter, wie wichtig es sei, sich zu erinnern, zeigten erschreckend die neuesten Entwicklungen in der Pandemie, wenn Menschen fast täglich gegen Corona-Politik und Impfpflicht demonstrierten. Er sei klar für freie Meinungsäußerung und so manche sachliche Kritik an staatlichen Maßnahmen sei berechtigt. Aber:
Es ist für mich aber absolut nicht zu akzeptieren, wenn dabei der gelbe Judenstern mit dem Wort 'ungeimpft' getragen oder wenn auf Fotomontagen die Torinschrift des Konzentrationslagers Auschwitz durch 'Impfen macht frei!' ersetzt wird.
Diese Beispiele zeigten nur zu deutlich, dass Erinnerung missbraucht und instrumentalisiert werden könne. "Wir dürfen diese Umdeutung der Geschichte nicht zulassen", appellierte er. "Als sich am 13. Februar 2010 erstmalig die Menschen die Hände reichten, um den Jahrestag der Zerstörung Dresdens nicht länger den Rechtsextremen und ihrer menschenverachtenden Ideologie zu überlassen, haben wir gemeinsam ein starkes Band geschaffen", sagte Hilbert. "Für mich ist dieser Ring um die Innenstadt weit mehr als nur der Schutz vor nationalistischen Fanatikern."
Die Menschenkette sei wiederkehrender Beweis, "dass wir als Gemeinschaft für eine offene, demokratische und vielseitige Lebensweise stehen". Es brauche starke Bilder, weil sie die Wahrnehmung von der Welt entscheidend prägten. "Ansonsten werden die Gegner der Demokratie die Macht über die Bilder an sich reißen."
Zuvor war der Dresdner Kriegsgedenktag auch in diesem Jahr wieder von einem Neonazi-Aufmarsch überschattet worden. Am Bahnhof Mitte versammelten sich mehrere hundert Personen der rechtsextremen Szene und zogen durch die Stadt. Die Angaben schwanken zwischen 700 und 1.000 Teilnehmern. Unter ihnen waren auch Mitglieder des rechtsextremistischen "Dritten Weges" und der "Neuen Stärke".
Transparent rechter Demo nicht strafrechtlich relevant
Dabei wurde auch ein Transparent mit der Aufschrift "Bombenholocaust" getragen, auf dem zudem von 250.000 Opfern in Dresden die Rede ist – zehn Mal mehr als von einer eingesetzten Historikerkommission geschätzt.
Ein Polizeisprecher sagte auf Anfrage von MDR SACHSEN, ein Staatsanwalt habe das Transparent auf eine strafrechtliche Relevanz geprüft, um es möglicherweise zu konfiszieren. Das sei nicht der Fall, da der Begriff des "Bombenholocaust" nicht strafrechtlich verfolgbar sei. Im vergangenen Jahr sei das anders bewertet worden. Damals hieß es von der Polizei: "Personen, die zur Versammlung des rechten Spektrums wollten, trugen ein Plakat bei sich, das aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht auf der Versammlung gezeigt werden darf. Wir haben die betroffenen Personen angewiesen, das Plakat einzurollen."
In den sozialen Netzwerken wird die heutige Entscheidung, das Transparent nicht einzuziehen, scharf kritisiert. Rechtsextreme nutzen Begriffe wie "Bombenholocaust", um die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg zu relativieren oder gar in Frage zu stellen.
Polizei bislang zufrieden mit Einsatzkonzept
Gegen den Aufmarsch der Rechten, der durch die Innenstadt führte und wieder am Bahnhof Mitte endete, gab es lautstarken Gegenprotest. Die Gegendemonstranten kamen an mehreren Orten entlang der Demonstrationsroute zusammen. Zum Teil gelang ihnen Protest in Hör- und Sichtweite. Vereinzelt gab es symbolische Sitzblockaden.
Die Polizei trennte die Demonstrationen großräumig voneinander ab. In einer ersten Zwischenbilanz zeigte sie sich mit dem Einsatzkonzept zufrieden. Das Konzept sei aufgegangen, hieß es. Zwei Verfahren wegen Landfriedensbruchs wurden eingeleitet. In einem weiteren Fall wird wegen Widerstandes gegen Vollzugsbeamte ermittelt. Vereinzelt kam Pfefferspray zum Einsatz.
Kranzniederlegung auf dem Nordfriedhof
Der Gedenktag hatte am Vormittag mit einer Kranzniederlegung auf dem Dresdner Nordfriedhof und einem Gottesdienst in der Frauenkirche begonnen. Daran nahmen neben Oberbürgermeister Dirk Hilbert auch Vertreter des sächsischen Kabinetts teil. Hilbert betonte in seiner Rede auf dem Nordfriedhof die deutsche Schuld. "Wir dürfen mit Blick auf die Zerstörung von Dresden nicht nur auf 1945 schauen, sondern müssen unsere Perspektive auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 erweitern", so Hilbert. Auf dem Friedhof liegen unter anderem Zivilisten, Wehrmachtsangehörige und Zwangsarbeiter.
Im Erinnern müssen wir uns gerade auch wegen der gegenwärtigen politischen Lage in unserer Stadt, in unserem Land und in Europa der Vielschichtigkeit einer gleichzeitig trennenden und verbindenden, einer unendlich komplexen Geschichte stellen.
Detlef Fritzsch vom Verband der Kriegsgräberfürsorge schlug eine Brücke zu den aktuellen Kriegsgefahren und den Opfern heutiger Kriege. Sie alle seien Opfer einer verfehlten Politik.
Dieses Erinnern ist für uns eine besonders wichtige Frage, wenn wir uns stellen den Gedanken an die Kriegsherde unserer Zeit. Kriege werden nicht ausbrechen, sie werden gemacht. Und vor dieser Verantwortung darf man sich nicht in irgendeiner Weise drücken.
OB-Kandidaten führen "Mahngang Täterspuren" an
Am Nachmittag hatte der "Mahngang Täterspuren" einen großen Zulauf. Angeführt von den drei OB-Kandidaten Albrecht Pallas (SPD), André Schollbach (Linke) und Eva Jähnigen (Grüne) thematisierte er in diesem Jahr die Rollenbilder im Nationalsozialismus. Bis zum Abend gab es Konzerte, Stadtrundgänge, Vorträge und Kunstobjekte.
MDR (dk, MDR-Reporter),epd,dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 13. Februar 2022 | 19:00 Uhr