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Debatte "Zeitenwende"Ukraine-Krieg: Kretschmer sieht Deutschland weiter in Vermittlerrolle

17. August 2022, 08:11 Uhr

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bezweifelt einen militärischen Sieg der Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland. Beim öffentlichen Streitgespräch in der Dresdner Schauburg trat der CDU-Politiker weiter für eine deutsche Vermittlerrolle ein. Kritik an der Position kam von seinem Stellvertreter und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Im Vorfeld der Debatte kam es zu einem Eklat zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Initiator der Kundgebung von "Parents for future".

Vor fast genau einem halben Jahr hat Russland die Ukraine in einer großangelegten Invasion überfallen. Derzeit kann keine der beiden Kriegsparteien große Geländegewinne erzielen. Zweifel an einer militärischen Lösung des Kriegs in der Ukraine äußerte am Dienstagabend erneut Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Bei einem öffentlichen Streitgespräch mit seinem Kabinettskollegen Martin Dulig forderte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende erneut ein Eintreten Deutschlands für Verhandlungen im Konflikt.

Die Bundesregierung solle im Interesse der Ukraine und gemeinsam mit Verbündeten versuchen, eine Lösung zu finden. Das heiße nicht, dass die Ukraine Territorium abgeben solle, so Kretschmer auf der gemeinsamen Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung im Kino "Schauburg" in Dresden.

Kretschmer fordert, dass Deutschland für Verhandlungen im Ukraine-Konflikt wirbt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Es muss doch möglich sein, diesen Krieg anzuhalten.

Michael Kretschmer | Ministerpräsident Sachsen

Deutschland muss Vermittlerrolle einnehmen

Kretschmer vertritt damit explizit eine andere Ansicht als der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz, der sich im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine keine Vermittlerrolle für Deutschland vorstellen kann. Für Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig trägt Kretschmers Vorstoß zu keiner höheren sicherheitspolitischen Stabilität in Europa bei.

Bei dem Streitgespräch fragte der SPD-Politiker seinen Gegenpart mehrfach, wie genau der russische Machthaber Wladimir Putin an den Verhandlungstisch gebracht werden solle. Kretschmer blieb vage und verwies auf ein Einbinden der chinesischen Regierung.

Dulig widerspricht Kretschmer mehrfach im Ukraine-Konflikt

Dulig widersprach Kretschmer wiederholt. Die Verhandlungsposition der Ukraine dürfe nicht geschwächt, das Land nicht "geopfert" werden. Deutschland und Frankreich hätten mit Russland lange verhandelt. Er sei froh, dass man mit Olaf Scholz (SPD) einen besonnenen Kanzler habe. Wirtschaftliche Stärke nutze nichts, wenn es keine politische Stabilität gebe. Territoriale Integrität sei eine Voraussetzung für eine solche Stabilität.

Wozu ich nicht bereit bin ist, die Ukraine zu schwächen, um eine Verhandlungsposition zu erreichen.

Martin Dulig | Wirtschaftsminister Sachsen

Landespolitiker mit unterschiedlichen Energiezielen

In der etwa 100 Minuten langen Debatte ging es im Anschluss auch um das Thema Energieversorgung. Kretschmer vertrat unter anderem die Auffassung, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren noch auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen sein wird.

Dulig zufolge kann das Ziel nur darin bestehen, so unabhängig wie möglich zu werden. In Sachsen gebe es einen riesigen Nachholbedarf beim Ausbau erneuerbarer Energien. In der Diskussion sprach sich der SPD-Politiker auch für einen Härtefallfonds in Sachsen aufgrund der hohen Energiekosten aus.

Während der Debatte war der Kinosaal der Dresdner Schauburg mit knapp 400 Personen fast voll. Kretschmer wie auch Dulig erhielten von den Gästen Applaus. Der Ministerpräsident vor allem bei seiner Antikriegsrhetorik.

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Parents for future: Krisen parallel angehen

Im Vorfeld hatte die Initiative "Parents for future" zu einer Kundgebung vor die Schauburg eingeladen. Etwa 15 Teilnehmende mehrerer Initiativen kamen zu der angekündigten Demo. Die Hauptforderung der Gruppen richtete Louise Hummel-Schröter von "Parents for future" direkt an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, als dieser an der Schauburg eintraf: "Unser Wunsch ist, dass die Krisen parallel angegangen werden. Wir können es uns nicht erlauben, eine Krise nach der anderen anzugehen."

Unser Wunsch ist, dass die Krisen parallel angegangen werden. Wir können es uns nicht erlauben, eine Krise nach der anderen anzugehen.

Louise Hummel-Schröter | Parents for future

Demo-Initiator fordert von Kretschmer Mikro zurück

Michael Kretschmer zeigte Verständnis, verwies aber auf die komplizierte Versorgungslage durch den Ukraine-Krieg. Am Kohleausstieg bis 2038 solle aber festgehalten werden. Zu einem kleinen Eklat kam es, als sich Kretschmer dafür aussprach, Braunkohle-Unternehmen bei der Förderung von Erneuerbarer Energien zu involvieren. Laut Kretschmer soll die fossile Energiegewinnung in Sachsen von derzeit acht Gigawatt zu erneuerbaren Energien umgebaut werden sollen: "Die Leag hat unser Wort. Wir wollen dazu auch Braunkohle-Folgeflächen nutzen."

Steffen Peschel von "Parents for future" und Demo-Initiator forderte Kretschmer daraufhin auf, ihm das Mikrofon wiederzugeben. Kretschmer verließ die Kundgebung und ging in die Schaubühne. Peschel rechtfertigte sein Agieren: "Die Versammlung ist keine Bühne des Ministerpräsidenten. Die Leag ist nicht unsere Lösung." Er konfrontierte auch Wirtschaftsminister Martin Dulig mit nicht eingehaltenen Klimaschutz-Zielen und forderte einen "Turbo" einzulegen.

Dulig bezeichnet Verhalten als "unanständig"

Dulig wies auf die angespannte Krisensituation hin, die die Politik auch zu unpopulären Maßnahmen zwinge. Er sorge sich deshalb um den sozialen Frieden. Peschels Verhalten gegenüber Kretschmer bezeichnete Dulig als "unanständig". "Dass Sie demonstrieren, ist Ihr gutes Recht. Wenn Sie Dialog wollen, dann müssen Sie auch zuhören", sagte der Wirtschaftsminister.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 17. August 2022 | 19:00 Uhr

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